Lost in Transition? – On History Education

Lost in Transition? – Über historische Bildung

Abstract:
The discussion of history education (historische Bildung) has lost none of its lustre or impact even though grand narratives are questioned in the context of contemporary social development and multifaceted public history approaches. Especially in times of crisis, it seems to function as a coping mechanism and even as a “formula for salvation” with its inherent imperative of movement. This contribution aims to renegotiate this normative concept of history education from the perspective of history didactics and, considering aesthetic manifestations, to show how historical narration enables becoming other, thus shaping human relations and the ways of the world.
DOI: dx.doi.org/10.1515/phw-2022-20088
Languages: English, German

 

Trotz aller Beunruhigungsdiskurse, kritischer Zwischenrufe, Abgesänge, Demontagen, Dekonstruktionen und Verabschiedungen hat das Sprechen über den Begriff der historischen Bildung [1] in den unterschiedlichsten geschichtskulturellen Handlungsfeldern unverändert Konjunktur.[2] Es gibt sie als Mythos und Pathosformel, als Lüge und Versprechen, als Ziel und Anleitung. Wird sie auf der einen Seite als Dispositiv dekonstruiert, soll sie auf der anderen Seite angeboten werden und wird sie von außen in normative Könnens-Beschreibungen übersetzt.[3] Vielleicht ließen sich aber diese normativen Überbauten verlassen, um am Einzelfall zu zeigen, quasi von innen, welch ambivalentes Unterfangen es ist, sich historisch bilden zu sollen bzw. zu wollen.

Normative Überladung

Im Zuge dieser diskursiven, normativen “Überladung”[4] scheint der Begriff gegenwärtig jedoch an Form und an seiner “produktive[n] Spannung”[5] verloren zu haben. Insbesondere innerhalb der Diskurse einer “Wissenschaft vom historischen Lernen”[6] rückten ab den 90er Jahren mit der Fokussierung auf die Kategorie des Geschichtsbewusstseins und auf den Prozess des historischen Lernens die bildungs- und sozialtheoretischen Diskussionen und Reflexionen in den Hintergrund. Historische Bildung wurde als historisches Lernen operationalisiert,[7] wohl nicht zuletzt auch aus disziplinstrategischen Gründen.[8] Dieser Trend schien sich auch im Kontext der empirischen Wende in Zeiten von Post-PISA fortzusetzen.

Historische Bildung lässt sich zwar scheinbar mühelos vom Feldherrenhügel aus als Ziel historischen Lehrens und Lernens modellieren, sich aber eben nur schwer operationalisieren und von dort aus beobachten. Ihre messbare Performanz ist flüchtig, sie entzieht sich einfachen Prä-Post-Instrumenten. Vor diesem Hintergrund erscheint es mehr als treffend, wenn Wolfgang Hasberg 2012 resümierte, dass der Geschichtsdidaktik eine Reflexion des Bildungsbegriffs weitgehend abhandengekommen sei.[9]

Die mit dieser fehlenden Reflexion einhergehenden Abnutzungserscheinungen zeigen sich gegenwärtig deutlich. Der Begriff der historischen Bildung wird mit seinem inhärenten notorischen Optimismus als Standardargument bemüht, wenn es um individuelle Autonomie und Emanzipation durch historisches Lehren und Lernen geht. Ihre Verwobenheit mit dem liberalen Fortschrittsnarrativ der Moderne ist dabei offensichtlich und nicht zu leugnen, wenngleich diese Verstrickungen nicht eigens Berücksichtigung finden: De nobis ipsis silemus.[10]

Historische Bildung wurde so zur bürgerlichen Verheißung auf die bessere Zukunft, als ein Ausweg aus dem Zwischenraum des Nicht-Mehr und Noch-Nicht, als die Möglichkeit der Orientierung in Zeiten und Räumen gesellschaftlicher Verunsicherung.[11] Längst führt der Begriff als Pathosformel ein normatives Eigenleben.[12] Mit dem Verweis auf historische Bildung scheint alles legitimier- und erklärbar zu sein und gerade deswegen auch nichts.[13]

Schon wieder, immer noch oder jetzt erst recht?

In seinem Buch “Die Rede von Bildung” stellte der Erziehungswissenschaftler Heinz-Elmar Tenorth vor dem Hintergrund dieser diskursiven Abnutzungserscheinungen erst unlängst die berechtigte Frage, ob man gegenwärtig “die Rede von Bildung wissenschaftlich, als Thema theoretisch ausweisbarer Reflexion überhaupt noch ernst nehmen kann?”[14] und beantwortet seine rhetorische Frage gleich selber: 700 Seiten, ein knappes Kilo Buch. Eventuell könnte es ja auch für Geschichtsdidaktik und Public History zielführend sein, sich wieder mit der großen Erzählung der historischen Bildung im Modus wissenschaftlicher Reflexivität auseinanderzusetzen. Nur an anderer Stelle. Angefangen wird mittendrin.

Dafür scheint es aber nötig zu sein, vom Feldherrenhügel abzusteigen und Abschied zu nehmen von den großen normativen Setzungen,[15] um die “Möglichkeiten [historischer Bildung] freizulegen”.[16] Mittendrin anzufangen hieße dann auch sich davon zu verabschieden, von Einzelfällen zu abstrahieren, um Allgemeingültiges über die historische Bildung zu sagen, sondern würde bedeuten, die Einzelfälle aufzusuchen, um zu zeigen, welche Zumutungen und Herausforderungen in der “Durchdringung von Zeitschichten”[17] liegen und welche Möglichkeiten des Anderswerdens in der Aneignung des Historischen durch historisches Erzählen liegen.

Anderswerden an anderen Orten

Es ginge dann um andere Orte historischer Bildung und um andere Erzählungen des Anderswerdens, um Dezentrierung und Komplexitätssteigerung der Diskurse um historische Bildung. Mit diesem Ziel vor Augen ließen sich Bildungsorte, Zugriffe und Erzählformen finden, an denen und durch die Prozesse historischer Bildung als Praktiken der Subjektivierung in ihrer Ambivalenz und Gleichzeitigkeit thematisieren ließen.

Nun müssen dies aber nicht in erster Linie “Diskursformen” sein, “die den Geist der Wissenschaft atmen”[18], Orte an denen argumentiert und begründet wird, sondern auch und besonders ästhetische Formen und Orte ästhetischer Praxis, an denen etwas markiert und gezeigt wird. Nämlich Differenzen, Wege und Möglichkeiten. “Um sich zu verändern”, so schrieb Richard Rorty in einem Text zu den Funktionen des Romans, “kommt es darauf an, an einen Ort gebracht zu werden, von dem aus Neues sichtbar wird.”[19] An diesen Orten ließe sich der Blick für Alternativen, auch des historischen Denkens und Erzählens, schulen.

In diesen ästhetischen Manifestationen, so unterschiedlich sie auch sind, wird das komplexe Zusammenspiel von sozialen Ordnungen und sozialen Akteur:innen, ihrer Eingebundenheiten in den Feldern gesellschaftlicher Kräfte, dominanter Diskurse und die Verstrickungen in die eigenen und fremden Geschichte(n) thematisiert. In ihnen geht es um Zugehörigkeiten und Grenzziehungen, um Anerkennung und Kritik symbolischer und sozialer Ordnungen. Und gerade indem sie die exkludierenden Effekte hegemonialer Bildungsdiskurse, machtvoller Dispositive und dominanter symbolischer Ordnungen problematisieren, etwa auch jene in Schule und Geschichtsunterricht, und uns mit anderen Perspektiven konfrontieren, verweisen sie auf die Kritik der eigenen Ordnungen, des eigenen Standpunktes: “Sie nötigen uns gleichzeitig, uns heftigen Selbstzweifeln auszusetzen”, schrieb Richard Rorty.[20]

Und indem sie uns Möglichkeiten zeigen und Wechselbeziehungen kreieren, vermögen es diese Objekte der ästhetischen Praxis, uns zum Gegenwärtigwerden, zur Positionierung in Zeiten und Räumen, herauszufordern. Sie stimulieren, affizieren und adressieren. Sie verlieren ihren reinen Objektstatus, indem sie etwas mit uns tun.

Widerständige historische Bildung

Als Beispiele für solche Orte sollen die vom Literaturwissenschaftler Carlos Spoerhase unlängst als “Autosoziobiografien”[21] bezeichneten Romane dienen. In diesen Bildungsgeschichten erzählen die Autor:innen von individuellen Erfahrungen des Andersseins, von Übergängen, ihren Verschränkungen mit dem gesellschaftlichen Rahmen, den sozialen und sexuellen Normen, symbolischen Ordnungen und sozialen Praktiken.

Und obwohl diese lebensgeschichtlichen Erzählungen ein “historisches Erzählen par excellence”[22] repräsentieren, versuchen sie nicht in die Falle der autobiographischen Teleologie zu gehen, sondern unternehmen es in aufklärerischer Absicht, von den transtemporalen Bedingungen ihrer individuellen Krisen zu erzählen, indem sie Zeiten und Räume anders relationieren. In diesen Texten, seien sie von Annie Ernaux, Didier Eribon, Dilek Güngör, Edouard Louis oder Denize Ohde, werden Prozesse historischer Bildung als kontinuierliche Versuche im Übergang gestaltet. Mittels gesteigerter Reflexivität können sie so die sozialen Bedingungen dieser Krisenerfahrungen zeigen, indem sie den Anderen eine Stimme geben.

Im Wissen um die Unmöglichkeit, die eigene Verunsicherung als kohärente und abgeschlossene Geschichte zu erzählen, wird gleichzeitig das Begehren nach Sicherheit thematisiert. Die historische Identität und das autonome Subjekt werden in diesen Texten als bürgerliche Ideologien enttarnt: “Es gibt keine wirkliche Erinnerung an sich selbst”, schreibt Annie Ernaux.[23] Und gerade deshalb sind diese Texte auch als Orte historischer Bildung zu begreifen und zu thematisieren. Denn sie widersprechen geradezu der bürgerlichen Illusion hegemonialer Bildungsgeschichten.

So ließe sich argumentieren, dass hegemoniale Bildungsgeschichten, wie etwa die der Geschichtsschulbücher als vermeintliche “Autobiographien der Nation”[24], gerade weil sie nicht von ihrem Verstricktsein erzählen, immer wieder das liberale Fortschrittsnarrativ mit seinem inhärenten Bewegungsimperativ reproduzieren und die Verunsicherung als Raum des Übergangs mit seinem ihm inhärenten Möglichkeitssinn nivellieren. Denn gerade dadurch, dass sie “Zugehörigkeit zu” und damit die “Abgrenzung von anderen”[25] bestimmen, exkludieren sie eben jene, die die kritischen Ereignisse nicht ordnen können, bei denen die Zeit eben nicht “‘in Ordnung’ ist”.[26] Sie stellen Ideologien des eigenen Lebens dar.

In den Autosoziobiografien werden jedoch Vergangenheiten und Zukünfte entworfen, die auf Anderssein als die Negation des Soseins zielen, gerade in dem sie die Bedingungen der Möglichkeiten der eigenen historisch Sinnbildung problematisieren und auf die Möglichkeiten des Anderswerdens durch Kritik, auf das Gegenwärtigsein in den Räumen des Übergangs verweisen. Der Zwischenraum wird bei Ernaux nicht zum Raum, der so schnell wie möglich verlassen werden muss, sondern zu einem Raum, “einem unbestimmten Ganzen, von sehr nah bis ganz fern.”[27] Ihre Bildungsgeschichten können so auch als Möglichkeiten individueller Positionierungen in der Gegenwart gesellschaftlicher Verunsicherungen gelesen werden.

In diesen ästhetischen Manifestation historischer Bildung wird auf die Kontingenz spätmoderner Erkenntnis und der damit einhergehenden Angst vor dem Verlust des Ganzen narrativ reagiert. So geht es Ernaux gerade nicht darum, “ein Leben nachzuerzählen und sich zu erklären.”[28] Vielmehr unternimmt sie im Modus historischen Erzählens Bildungsbewegungen im Raum des Politischen. Sie sucht nach Orientierungen, ohne den Ausgang zu kennen und ohne die Hoffnung, diesen zu finden.[29]

Historische Bildung als Praxis der Subjektivierung

Mit einem solchen Zugriff blieben möglicherweise die normativen Überbauten des Begriffs der historischen Bildung unbewohnt. Historische Bildung erschiene dann nicht als normative Setzung von außen, sondern ließe sich als Selbstformation des Individuums durch kulturelle und soziale Praktiken an unterschiedlichen Orten, etwa durch das historische Erzählen oder im schulischen Geschichtsunterricht, fassen, empirisch beobachten und analytisch-deskriptiv beschreiben. Setzt eine sich am humboldtschen Bildungsideal orientierende Konzeption historischer Bildung ein autonomes Subjekt voraus, so wird in einer praxistheoretischen Perspektive das Individuum erst durch kulturelle Praktiken als Subjekt hervorgebracht und als solches von anderen adressierbar.[30] Dieses Subjekt ist nun aber eben gerade nicht feststehend, sondern fluide, in Bewegung und unruhig.[31]

In dieser Perspektive ließe sich dann historische Bildung auch nicht mehr ohne Reflexion der sie konstituierenden Machtverhältnisse denken lassen.[32] So würden etwa auch Schule, Museum, Gedenkstätte als das beobachtet werden können, was sie sind. Orte, an denen zum einen historisches Lernen, geschichtskulturelle Teilhabe und Anerkennung ermöglicht werden, gleichzeitig aber auch Orte, an denen soziale und symbolische Ordnungen durch vielfältige Praktiken und Medien überhaupt erst erzeugt werden, indem Grenzen gezogen und Differenzen markiert werden, auch und gerade durch die theoretischen Modellierungen der Geschichtsdidaktik und der Public History. Geschichtskulturelle Handlungsfelder und Institutionen, wie Museen, Schulen oder Gedenkstätten stellen ambivalente Bildungsorte dar, an denen sich Praktiken der Disziplinierung, der Zustimmung und Verweigerung und des Widerstands gleichzeitig vollziehen.

Eine so verstandene historische Bildung erscheint dann aber nicht mehr als harmonische Entfaltung unbewusster Ressourcen, etwa als Bewältigungs- und Erlösungsformel, sondern das Bildungsgeschehen manifestiert sich als ein ambivalentes Ringen mit sich selbst, den eigenen Verstrickungen und denen der anderen in Zeit und Raum.[33]

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Literaturhinweise

  • Rieger-Ladich, Markus. Bildungstheorien zur Einführung. 2. Auflage. Hamburg: Junius, 2020.
  • Jaquet, Chantal. Zwischen den Klassen. Über die Nicht-Reproduktion sozialer Macht. Konstanz: University Press, 2018.

Webressourcen

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 [1] Der Begriff der historischen Bildung kann mit dem englischen history education nur unzureichend übersetzt werden. Siehe für die Schwierigkeiten der Übersetzung bei Norm Friesen, “The Necessity of Translation in Education: Theory and Practice,” in International Perspectives on School Settings, Education Policy and Digital Strategies. A Transatlantic Discourse in Education Research, eds. Annika Wilmers, und Sieglinde Jornitz (Opladen/Berlin/Toronto: Verlag Barbara Budrich 2021), 337-351 und die Beiträge von Peter Seixas, und Andreas Körber im Journal of Curriculum Studies, Volume 48, Issue 4 (2016).
[2] Vgl. Christine Gundermann et al., Schlüsselbegriffe der Public History (Göttingen: Utb GmbH, 2021), 182-185.
[3] Peter Gautschi, “Holocaust und Historische Bildung – Wieso und wie der nationalsozialistische Völkermord im Geschichtsunterricht thematisiert werden soll,” in Nationalsozialismus und Holocaust. Materialien, Zeitzeugen und Orte der Erinnerung in der schulischen Bildung, eds. Werner Dreier, und Falk Pingel (Innsbruck: Studien-Verlag 2021), 21-35, hier 23-25.
[4] Gaston Bachelard, Die Philosophie des Nein. Versuch einer Philosophie des neuen wissenschaftlichen Geistes (Frankfurt am Main: Suhrkamp, 1980), 153.
[5] Reinhart Koselleck, “Zur anthropologischen und semantischen Struktur der Bildung,” in Begriffsgeschichten. Studien zur Semantik und Pragmatik der politischen und sozialen Sprache, ed. Reinhart Koselleck (Frankfurt am Main: Suhrkamp, 2006), 105-154, hier 105.
[6] Jörn Rüsen, Historik. Theorie der Geschichtswissenschaft (Köln / Weimar / Wien: Böhlau 2013), 254.
[7] Inwiefern es zutreffend ist, dass historische Bildung “nichts anderes als eine besonders entwickelte Lernfähigkeit” [Jörn Rüsen, Lebendige Geschichte. Formen und Funktionen des historischen Wissens (Göttingen: Vandenhoeck 1989), 94] sei, kann hier aus Platzgründen nicht diskutiert werden.
[8] Vgl. Christian Heuer, “Von Deutungskämpfen und den disziplinären Ordnungen der Diskurse. Versuch über die soziale Praxis ‘der’ Geschichtsdidaktik,” Österreichische Zeitschrift für Geschichtswissenschaften 32, no. 3 (2021): 35-55.
[9] Wolfgang Hasberg, “Kultur – Bildung – Archäologie. Anmerkungen zum Verhältnis von Archäologie und historischem Lernen,” Archäologische Informationen 35 (2012): 125-132, hier 127.
[10] Martin Kohli, “‘Von uns selber schweigen wir.’ Wissenschaftsgeschichte aus Lebensgeschichten,” in Geschichte der Soziologie. Studie zur kognitiven, sozialen und historischen Identität einer Disziplin, Bd. 1, ed. Wolf Lepenies (Frankfurt am Main: Suhrkamp 1981), 428–465.
[11] Vgl. bei Angela Siebold, “Forschung – Lehre – Bildung! Zur gesellschaftlichen Verantwortung der Geschichtswissenschaft,” in Geschichtswissenschaft im 21. Jahrhundert. Interventionen zu aktuellen Debatten, eds. Cord Arendes et al. (Berlin / Boston: De Gruyter 2020), 37-45.
[12] Vgl. Peter Gautschi, und Christian Bunnenberg, “Schulgeschichtsbücher im 21. Jahrhundert,” Public History Weekly 9, no. 2 (2021). DOI: dx.doi.org/10.1515/phw-2021-17618.
[13] Bachelard, Die Philosophie des Nein, 153.
[14] Heinz-Elmar Tenorth, Die Rede von Bildung. Tradition – Praxis – Geltung. Beobachtungen aus der Distanz, (Wiesbaden: Springer 2020), 5.
[15] Vgl. Markus Rieger-Ladich, “Abstieg vom Feldherrenhügel. Zum Ort kritischer Theoriebildung,” in Theorien! Horizonte für die Lehrerinnen und Lehrerbildung, eds. Martin Harant, Philipp Thomas, und Uwe Küchler (Tübingen: University Press 2020), 37-47, online unter http://dx.doi.org/10.15496/publikation-45627.
[16] Jörn Rüsen. Lebendige Geschichte (Göttingen: Vandenhoeck 1989), 88.
[17] Bärbel Völkel, “Zeit erfahren und handhaben lernen – Annäherungen an eine inklusive Geschichtsdidaktik,” in Inklusion im Geschichtsunterricht. Zur Bedeutung geschichtsdidaktischer und sonderpädagogischer Fragen im Kontext inklusiven Unterrichts, eds. Christoph Kühberger, und Robert Schneider (Bad Heilbrunn: Klinkhardt 2016), 103-119, bes. 112.
[18] Rüsen, Lebendige Geschichte, 91.
[19] Richard Rorty, “Der Roman als Mittel zur Erlösung aus der Selbstbezogenheit”, in Dimensionen ästhetischer Erfahrung, eds. Joachim Küpper, und Christoph Menke (Frankfurt a. M.: Suhrkamp 2003), 49-66, bes. 52.
[20] Rorty, “Der Roman als Mittel zur Erlösung aus der Selbstbezogenheit”, 60.
[21] Carlos Spoerhase, “Politik der Form. Autosoziobiografie als Gesellschaftsanalyse,” Merkur 71, no. 818 (2017): 27-37.
[22] Dagmar Günther, “And now for something completely different. Prolegomena zur Autobiographie als Quelle der Geschichtswissenschaft,” Historische Zeitschrift 272 (2001): 25-61, bes. 52; Christian Heuer, “Everyman his own historian – Historical thinking and life history narration,” Rethinking History. The Journal of Theory and Practice 24, no. 1 (2020), 56–68. https://doi.org/10.1080/13642529.2019.1669292.
[23] Annie Ernaux, Die Scham (Berlin: Suhrkamp 2021), 29.
[24] Wolfgang Jacobmeyer, “Das Schulgeschichtsbuch – Gedächtnis der Gesellschaft oder Autobiographie der Nation?,” Geschichte, Politik und ihre Didaktik 26, no. 1/2 (1998): 26-35, hier 30.
[25] Jörn Rüsen, “Krise, Trauma, Identität,” in Zerbrechende Zeit. Über den Sinn der Geschichte, ed. Jörn Rüsen (Köln: Lit 2001), 145-179, hier 146.
[26] Ebd., 150.
[27] Annie Ernaux, Die Jahre (Berlin: Suhrkamp 2018), 252.
[28] Ebd., 252.
[29] Vgl. Carolin Amlinger, “Wozu Literatursoziologie?,” Merkur 75, no. 868 (2021): 85-93, hier 88; vgl. Chantal Jaquet, Zwischen den Klassen. Über die Nicht-Reproduktion sozialer Macht (Konstanz: University Press 2018), 201-207.
[30] Vgl. Norbert Ricken, “Bildung und Subjektivierung. Bemerkungen zum Verhältnis zweier Theorieperspektiven,” in Subjektivierung. Erziehungswissenschaftliche Perspektiven, eds. Norbert Ricken, Rita Casale, und Christiane Thompson (Weinheim / Basel: Beltz Juventa 2019), 95-118.
[31] Vgl. Donna Haraway, Unruhig bleiben. Die Verwandtschaft der Arten im Chthuluzän (Frankfurt / New York: Campus, 2018).
[32] Vgl. die Beiträge in Eveline Christof, und Erich Ribolits, eds., Bildung und Macht. Eine kritische Bestandsaufnahme (Wien: Löcker Verlag, 2015).
[33] Für die Unterstützung beim Schreiben dieses Textes sei Kaight Conheady, Julia Jochum, Georg Marschnig und Hannah van Reeth von Herzen gedankt!

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Abbildungsnachweis

By Juriaen Jacobsze – National Museum Warsaw cyfrowe.mnw.art.pl, Public Domain, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=56689872.

Empfohlene Zitierweise

Heuer, Christian: Lost in Transition? – Über historische Bildung. In: Public History Weekly 10 (2022) 4, DOI: dx.doi.org/10.1515/phw-2022-20088.

Redaktionelle Verantwortung

Marko Demantowsky / Thomas Hellmuth

Despite all the discourses of alarm, critical interjections, swansongs, dismantling, deconstruction, and farewells, the concept of history education [1] continues to be discussed within all fields of historical culture.[2] History education is present as both myth and pathos formula, as both lie and promise, as both goal and guidance. On the one hand, it is deconstructed as an apparatus (dispositif), on the other it should be offered and translated into can-do-descriptions.[3] Perhaps, however, these normative superstructures could be left behind in order to show in the individual case, quasi from the inside, what an ambivalent undertaking it is to want to, or to be supposed to, educate oneself historically.

Normative Overloading

In the course of this discursive, normative “overloading”,[4] however, the term seems to currently have lost some of its form and “productive tension”.[5] With the increased focus on the categories of historical consciousness and the process of historical learning, from the 1990s onwards, “bildungs-” and social-theoretical reflection and discussion have faded into the background, especially within the discourses of a “science of historical learning”.[6] History education has been operationalized [7] as “historical learning”, not least because of disciplinary strategic reasoning.[8] This trend seemed to continue in the context of the empirical turn in post-PISA times.

From a distant vantage point, history education can apparently effortlessly be modelled as the goal of history teaching and learning. And yet, it continues to be difficult to operationalize and observe from that point. Its measurable performance is perfunctory and eludes simple pre-post instruments. In this context, Wolfgang Hasberg’s summary in 2012 appears to be a more than apt, namely that history didactics has largely lost its ability to reflect on the term Bildung.[9]

The signs of wear and tear accompanying this lack of reflection are clearly evident. The term “history education”, with its inherent notorious optimism, has been employed as the standard argument when addressing individual autonomy and emancipation through history teaching and learning. Its interconnectedness with modernity’s liberal narrative of progress is apparent and cannot be denied, despite those involvements not being taken into account specifically: De nobis ipsis silemus.[10]

History education has thus been turned into a bourgeois promise of a better future, as an escape from the in-between space of not-anymore and not-yet, as an opportunity for orientation in times and spaces of social uncertainty.[11] The term itself has long since lived a normative life of its own as a “pathos formula”.[12] By referencing history education, everything seems to be justifiable and explainable and for that same reason, nothing is.[13]

Again, Still, or Now More Than Ever?

In his book “Die Rede von Bildung”, the educational researcher Heinz-Elmar Tenorth only recently posed the valid question whether “one can currently still take the talk of Bildung seriously in an academic manner and as a topic of theoretical reflection.”[14] He then answers his own rhetorical question in a book running to 700 pages and weighing almost one kilogram. It might also be useful for history didactics and public history to re-engage with this grand narrative of history education in the mode of scientific reflexivity. Only in a different place. Starting in the midst of things.

To do so, however, it appears necessary to leave one’s distant vantage point and bid farewell to great normative settings,[15] in order to “unearth the possibilities of [history education]”.[16] Starting in the midst of things would also mean bidding farewell to abstracting from individual cases in order to make general statements about history education. Instead, it would mean looking for and looking into those individual cases to demonstrate which demands and challenges lie within “penetrating the layers of time”[17], and which opportunities of becoming other can be found in appropriating history through historical narration.

Becoming Other in Other Spaces

Becoming other in other spaces concerns alternative spaces of history education and other narratives of becoming other, as well as decentering and increasing the complexity of the discourses surrounding history education. With this goal in mind, one could find spaces of Bildung, approaches and narrative forms where and with which processes of history education as practices of subjectivation could be addressed in their ambivalence and synchronicity.

Now these need not be primarily “forms of discourse”, which “breathe the spirit of science”[18], places of argumentation and reasoning, but also and especially aesthetic forms and spaces of aesthetic practice, in which something is assigned and demonstrated. Namely differences, ways and opportunities. “In order to change”, Richard Rorty writes in a text on the functions of novels, “it is essential to be transported to a place from whence new things become visible.”[19] In these spaces, the view for alternatives, also of historical thinking and narration, could be trained.

Within these aesthetic manifestations, as different as they may appear to be, the complex interplay of social structures and social actors, their embeddedness in the fields of social powers, dominant discourses and their involvement in their own and other history(ies) is being addressed. They are about affiliations and demarcations, about the recognition and critique of symbolic and social orders. And precisely by problematizing the exclusionary effects of hegemonic educational discourses, powerful apparatuses (dispositifs), and dominant symbolic orders, including those in schools and history classes, and confronting us with other perspectives; they point to the critique of one’s own orders, of one’s own standpoint: “They compel us at the same time to expose ourselves to violent self-doubt”, wrote Rorty.[20]

And by showing us possibilities and creating interrelationships, these objects of aesthetic practice are able to challenge us to become present, to position ourselves in times and spaces. They stimulate, affect, and address. They lose their pure object status by doing something to us.

Resistant History Education

The novels recently described by literary scholar Carlos Spoerhase as “auto-socio-biographies”[21] serve as examples of such alternative spaces of history education. In these educational stories, the authors tell of individual experiences of otherness, of transitions, their entanglements with the social framework, social and sexual norms, symbolic orders, and social practices.

Although these biographical narratives represent “historical narration par excellence”[22], they do not attempt to fall into the trap of autobiographical teleology, but rather attempt, with educational intention, to tell of the transtemporal conditions of their individual crises by relating times and spaces differently. In these texts, be they by Annie Ernaux, Didier Eribon, Dilek Güngör, Edouard Louis, or Denize Ohde, processes of history education are framed as continuous experiments in transition. By means of heightened reflexivity, they can thus show the social conditions of these experiences of crisis by giving voice to the Other(s).

In the knowledge of the impossibility of telling one’s own uncertainty as a coherent and completed story, the desire for security is simultaneously addressed. The historical identity and the autonomous subject are unmasked as bourgeois ideologies in these texts: “There is no real memory of oneself”, Annie Ernaux writes.[23] It is precisely for this reason that these texts also need to be understood and categorized as spaces of history education: They essentially contradict the bourgeois illusion of hegemonic educational histories.

Thus, it could be argued that hegemonic educational histories, such as those of history textbooks as supposed “autobiographies of the nation”[24], precisely because they do not tell of their entanglement, repeatedly reproduce the liberal narrative of progress with its inherent imperative of movement. They so level uncertainty as a space of transition with its inherent sense of opportunity. For precisely by determining “belonging to” and thus “demarcation from others”[25], they exclude those who cannot order the critical events, for whom time is just not “‘in order’”[26]. They represent ideologies of one’s own life.

In the auto-socio-biographies, however, pasts and futures are designed that aim at otherness as the negation of suchness, precisely by problematizing the conditions of the possibility of and opportunities for one’s own historical formation of meaning, and pointing to the possibilities of becoming different through critique, to being present in the spaces of transition. In Ernaux’s work, the space in between becomes not a space that must be left as quickly as possible, but a space that is “an indeterminate whole, from very near to very far”.[27] Their Bildungsgeschichten can thus also be read as opportunities of individual positioning in the presence of social uncertainties.

In these aesthetic manifestations of history education, there is a narrative reaction to the contingency of late-modern cognition and the accompanying fear of losing the whole. Thus, Ernaux is precisely not concerned with “retelling a life and explaining herself”.[28] Rather, in the mode of history narration, she undertakes educational movements in the space of the political. She searches for orientations without knowing the outcome and without the hope of finding it.[29]

History Education as a Practice of Subjectivation

With such an approach, the normative superstructures of the concept of history education might remain uninhabited. History education would then not appear as a normative setting from the outside, but could be grasped, empirically observed, and analytically-descriptively described as a self- formation of the individual through cultural and social practices in different spaces, for example, through historical narration or in school history classes. If a conception of history education based on the Humboldtian ideal of education presupposes an autonomous subject, then, from a practice-theoretical perspective, the individual is only brought forth as a subject through cultural practices and, as such, can be addressed by others.[30] This subject, however, is precisely not fixed, but fluid, in motion and restless.[31]

From this perspective, history education can no longer be conceived of without reflecting on the power relations that constitute it.[32] Thus, schools, museums, and memorials can be observed for what they truly are. They become spaces where historical learning, historical-cultural participation and recognition can be made possible. At the same time, however, they also become spaces where social and symbolic orders are continually negotiated through the use of diverse practices and media that require both the drawing of boundaries and marking of differences. The theoretical modeling of history didactics and public history that takes place in these spaces especially enables these processes of replication. Historical-cultural fields and institutions, such as museums, schools, and memorial sites, represent ambivalent sites of education, where practices of disciplining, of consent and refusal, and of resistance take place simultaneously.

However, history education, if understood thus, no longer appears as a harmonious unfolding of unconscious resources, as a formula for coping and “salvation”. Rather, the educational process manifests itself as an ambivalent struggle with itself, with its own entanglements, and with others in time and space.[33]

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Further Reading

  • Rieger-Ladich, Markus. Bildungstheorien zur Einführung. 2nd ed. Hamburg: Junius, 2020.
  • Jaquet, Chantal. Zwischen den Klassen. Über die Nicht-Reproduktion sozialer Macht. Constance: Constance University Press, 2018.

Web Resources

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[1] The term historische Bildung can only be translated inadequately into English with the term “history education”. On translation difficulties, see Norm Friesen, “The Necessity of Translation in Education: Theory and Practice,” in International Perspectives on School Settings, Education Policy and Digital Strategies. A Transatlantic Discourse in Education Research, eds. Annika Wilmers, and Sieglinde Jornitz (Opladen/Berlin/Toronto: Verlag Barbara Budrich 2021), 337-351; see also the contributions by Peter Seixas, and Andreas Körber to the Journal of Curriculum Studies, Volume 48, Issue 4 (2016).
[2] Cf. Christine Gundermann et al., Schlüsselbegriffe der Public History (Göttingen: Utb GmbH, 2021), 182–185.
[3] Peter Gautschi, “Holocaust und Historische Bildung – Wieso und wie der nationalsozialistische Völkermord im Geschichtsunterricht thematisiert werden soll,” in Nationalsozialismus und Holocaust. Materialien, Zeitzeugen und Orte der Erinnerung in der schulischen Bildung, ed. Werner Dreier, and Falk Pingel (Innsbruck: Studien-Verlag 2021), 21–35, here 23-25.
[4] Gaston Bachelard, Die Philosophie des Nein. Versuch einer Philosophie des neuen wissenschaftlichen Geistes (Frankfurt am Main: Suhrkamp, 1980), 153.
[5] Reinhart Koselleck, “Zur anthropologischen und semantischen Struktur der Bildung,” in Begriffsgeschichten. Studien zur Semantik und Pragmatik der politischen und sozialen Sprache, ed. Reinhart Koselleck. (Frankfurt am Main: Suhrkamp, 2006), 105–154, here 105.
[6] Jörn Rüsen, Historik. Theorie der Geschichtswissenschaft (Cologne / Weimar / Vienna: Böhlau 2013), 254.
[7] To what extent it is accurate that history education is “nothing more than an especially well developed ability to learn” [Jörn Rüsen, Lebendige Geschichte. Formen und Funktionen des historischen Wissens (Göttingen: Vandenhoeck 1989), 94] cannot be discussed here for reasons of scope.
[8] Cf. Christian Heuer, “Von Deutungskämpfen und den disziplinären Ordnungen der Diskurse. Versuch über die soziale Praxis ‘der’ Geschichtsdidaktik,” Österreichische Zeitschrift für Geschichtswissenschaften 32, no. 3 (2021): 35–55.
[9] Wolfgang Hasberg, “Kultur – Bildung – Archäologie. Anmerkungen zum Verhältnis von Archäologie und historischem Lernen,“ Archäologische Informationen 35 (2012): 125–132, hier 127.
[10] Martin Kohli, “’Von uns selber schweigen wir.’ Wissenschaftsgeschichte aus Lebensgeschichten,“ in Geschichte der Soziologie. Studie zur kognitiven, sozialen und historischen Identität einer Disziplin, Vol. 1, ed. Wolf Lepenies (Frankfurt am Main: Suhrkamp 1981), 428–465.
[11] Cf. Angela Siebold, “Forschung – Lehre – Bildung! Zur gesellschaftlichen Verantwortung der Geschichtswissenschaft,“ in Geschichtswissenschaft im 21. Jahrhundert. Interventionen zu aktuellen Debatten, ed. Cord Arendes et al. (Berlin / Boston: De Gruyter 2020), 37–45.
[12] Cf. Peter Gautschi and Christian Bunnenberg, “Schulgeschichtsbücher im 21. Jahrhundert,” Public History Weekly 9, no. 2 (2021). DOI: dx.doi.org/10.1515/phw-2021-17618.
[13] Bachelard, Die Philosophie des Nein, 153.
[14] Heinz-Elmar Tenorth, Die Rede von Bildung. Tradition – Praxis – Geltung. Beobachtungen aus der Distanz, (Wiesbaden: Springer 2020), 5.
[15] Cf. Markus Rieger-Ladich, “Abstieg vom Feldherrenhügel. Zum Ort kritischer Theoriebildung,” in Theorien! Horizonte für die Lehrerinnen und Lehrerbildung, eds. Martin Harant, Philipp Thomas, and Uwe Küchler (Tübingen: University Press 2020) 37–47, http://dx.doi.org/10.15496/publikation-45627.
[16] Jörn Rüsen. Lebendige Geschichte (Göttingen: Vandenhoeck 1989), 88.
[17] Bärbel Völkel, “Zeit erfahren und handhaben lernen – Annäherungen an eine inklusive Geschichtsdidaktik,” in Inklusion im Geschichtsunterricht. Zur Bedeutung geschichtsdidaktischer und sonderpädagogischer Fragen im Kontext inklusiven Unterrichts, eds. Christoph Kühberger, and Robert Schneider (Bad Heilbrunn: Klinkhardt 2016), 103–119, esp. 112.
[18] Rüsen, Lebendige Geschichte, 91.
[19] Richard Rorty, “Der Roman als Mittel zur Erlösung aus der Selbstbezogenheit,” in Dimensionen ästhetischer Erfahrung, eds. Joachim Küpper, and Christoph Menke (Frankfurt a. M.: Suhrkamp 2003), 49–66, esp. 52.
[20] Rorty, “Der Roman als Mittel zur Erlösung aus der Selbstbezogenheit”, 60.
[21] Carlos Spoerhase, “Politik der Form. Autosoziobiografie als Gesellschaftsanalyse,” Merkur 71, no. 818 (2017): 27–37.
[22] Dagmar Günther, “And now for something completely different. Prolegomena zur Autobiographie als Quelle der Geschichtswissenschaft,” Historische Zeitschrift 272 (2001): 25–61, esp. 52; Christian Heuer, “Everyman his own historian – Historical thinking and life history narration,” Rethinking History. The Journal of Theory and Practice 24, no. 1 (2020), 56–68. https://doi.org/10.1080/13642529.2019.1669292.
[23] Annie Ernaux, Die Scham (Berlin: Suhrkamp 2021), 29.
[24] Wolfgang Jacobmeyer, “Das Schulgeschichtsbuch – Gedächtnis der Gesellschaft oder Autobiographie der Nation?,” Geschichte, Politik und ihre Didaktik 26, no. 1/2 (1998): 26–35, here 30.
[25] Jörn Rüsen, “Krise, Trauma, Identität,“ in Zerbrechende Zeit. Über den Sinn der Geschichte, ed. Jörn Rüsen (Cologne: Lit 2001), 145–179, here 146.
[26] Ibid., 150.
[27] Annie Ernaux, Die Jahre (Berlin: Suhrkamp 2018), 252.
[28] Ibid., 252.
[29] Cf. Carolin Amlinger, “Wozu Literatursoziologie?,” Merkur 75, no. 868 (2021): 85–93, here 88; see also Chantal Jaquet, Zwischen den Klassen. Über die Nicht-Reproduktion sozialer Macht (Constance: Constance University Press 2018), 201–207.
[30] Cf. Norbert Ricken, “Bildung und Subjektivierung. Bemerkungen zum Verhältnis zweier Theorieperspektiven,” in Subjektivierung. Erziehungswissenschaftliche Perspektiven, eds. Norbert Ricken, Rita Casale, and Christiane Thompson (Weinheim / Basel: Beltz Juventa 2019), 95–118.
[31] Cf. Donna Haraway: Unruhig bleiben. Die Verwandtschaft der Arten im Chthuluzän (Frankfurt and New York: Campus, 2018).
[32] See the contributions in Eveline Christof and Erich Ribolits, eds., Bildung und Macht. Eine kritische Bestandsaufnahme (Vienna: Löcker Verlag, 2015).
[33] For their support in writing this text, I would like to express my sincere thanks to Kaight Conheady, Julia Jochum, Georg Marschnig, and Hannah van Reeth.

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By Juriaen Jacobsze – National Museum Warsaw cyfrowe.mnw.art.pl, Public Domain, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=56689872.

Recommended Citation

Heuer, Christian: Lost in Transition? – On History Education. In: Public History Weekly 10 (2022) 4, DOI: dx.doi.org/10.1515/phw-2022-20088.

Editorial Responsibility

Marko Demantowsky / Thomas Hellmuth

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  1. German version below. To all readers we recommend the automatic DeepL-Translator for 22 languages. Just copy and paste.

    OPEN PEER REVIEW

    World growing pains

    “Times of crisis” – that´s what we´re in indeed, contingency coping is currently necessary again on unfamiliar levels. Geopolitical orders are toppling, globalisation steps are being reversed, nuclear weapons are being armed, the end of an epoch seems to have come. The turning point was triggered by a disillusioned person with too much agency who has declared himself traumatised by the courses of time and who is so obsessed with history that he lectured his French counterpart on it for hours during a state visit – Yuval Noah Harari, as a historian, shook his head in shame about “what history, the knowledge of history, is doing to people.[1]

    So this impulse text on historical education and the potential that lies in subjectivisation through literary narrative products maybe comes at just the right time. It seeks its starting point in the somewhat flagging reflection on the concept of education in history didactics, where, in view of the increased orientation of the field towards academia, the further educational aims no longer seem necessarily worthy of discussion. Since history teaching in the historical consciousness paradigm – notwithstanding postmodern diffusion – continues to be based on modern grand narratives, especially those shaped by the educated liberal middle classes, it is, like Western historical cultures per se, fundamentally optimistic about progress and supports the underlying civilizational and individual emancipatory guiding ideas, even if the linear modes of meaning-making underlying these narrative modes then repeatedly prove unreliable in times of crisis. Especially peripheral elements of the population experience this unreliability more intensively and have to react to it with more comprehensive orientation efforts – an anchor point for the author’s proposal to conceptualise historical education also as a practice of heterogeneous subjectivation, in which alternative perspectives on the social complex are to create an awareness of the transformative sense of possibility that can be found especially in transitional phases. Texts that seek to combine the biographical experiences of educational advancement and the associated change of class with an analysis of current social problems from the perspective of acquired social distance are to serve as discussion material – “autosociobiography” is the name of this currently popular genre of contemporary literature (especially about declassed milieus), and the author cites several names that could be used as examples here.

    This is an appealing idea, especially since we are dealing here on the one hand with sociologically or socio-historically reflected and on the other hand with everyday-historically or praxeologically developed representations, which also meet the young people’s need for personification; they show universal problem situations (e.g. status rivalries, entanglement in the family as an “ensemble of strategies”[2], etc.) and those that result more specifically from categorical affiliations or nonaffiliations. In the sense of conceptual learning, society can be experienced here as a hierarchical, layered system that is nevertheless in constant transformation in modernity. Of course, the methodological devil is in the detail, and it may for example be easier to integrate the film version of J. D. Vance’s “Hillbilly Elegy” into the lesson than the explanations by Eribon or Ernaux aimed at an academic target audience. The principle itself could then of course be applied to examples of social-analytical contemporary witnessing that go further back in time, such as Stefan Zweig with his “The World of Yesterday”, where questions can be asked about class-specific identity, social ascent and descent, and experiences of exclusion under other conditions of crisis.

    As rich as the text is in its thought processes and references, it still remains somewhat vague conceptually after all.  The image of the “abandoned commander’s mound” suggests an educational ideal in which the learners’ stubbornness and ability to critique are not only the goal but also the starting point of the educational process, and one can easily follow the author in this; It is not necessarily evident, however, in which content areas this principle could be translated from social studies and/or civic Education into history didactics, and how the difficulties of the ideology-critical circle associated with a critical-theoretical perspective could be addressed. The idea of a “resistant” historical education as a counterweight to the hegemonic metanarrative tracks undoubtedly has its appeal – could it actually strengthen thinking in alternatives, which is an essential goal of historical education,[3] or would it possibly merely leave the learners more historically (and ultimately also politically) disoriented, especially since they show far less interest in identity reflections and isolated case studies than their teachers would sometimes wish, and instead continue to regard the acquisition of canonically structured overview knowledge that can be connected to historical culture as the primary educational goal of history teaching?[4]

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    [1] Yuval Noah Harari, The War in Ukraine Could Change Everything, TED, 02.03.2022 https://www.youtube.com/watch?v=yQqthbvYE8M&t=1685s (zuletzt aufgerufen am 20.05.2022).
    [2] Didier Eribon, Rückkehr nach Reims (Berlin: Suhrkamp 2016), 84.
    [3] Stephan Selzer, „Historische Bildung“, in: Bildung. Ziele und Formen, Traditionen und Systeme, Medien und Akteure, ed. Michael Maaser und Gerrit Walther (Stuttgart und Weimar: Springer-Verlag 2011), 61-64, hier 63.
    [4] Isabelle Nientied, Guter Geschichtsunterricht aus Schülersicht. Eine empirische Studie zu subjektiven Qualitätskonzepten von historischem Lehren und Lernen in der Schule (Berlin: Lit Verlag 2021), 292-307.

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    Weltwachstumsschmerzen

    „Zeiten der Krise“ – die haben wir, Kontingenzbewältigung ist gegenwärtig wieder auf ungewohnten Ebenen notwendig. Geopolitische Ordnungen purzeln, Globalisierungsschritte werden zurückgenommen, Atomwaffen scharfgemacht, das Ende einer Epoche scheint gekommen. Angestoßen wurde die Zäsur von einem Enttäuschten mit zuviel Agency, der die Zeitläufte zum eigenen biographischen Trauma erklärt hat und so besessen von Geschichte ist, dass er seinem französischen Konterpart beim Staatsbesuch stundenlange Vorträge darüber hält – Yuval Noah Harari schüttelte darob als Historiker mit Beschämen den Kopf darüber, „what history, the knowledge of history, is doing to people.[1]

    Da kommt dieser Impulstext über historische Bildung und das Potenzial, das in einer stärkeren Subjektivierung des historischen Deutungsgeschäftes über literarische Erzählprodukte stecken könnte, wohl gerade recht. Er sucht seinen Ausgangspunkt in der etwas erlahmten Reflexion des Bildungsbegriffes in der Geschichtsdidaktik, wo angesichts verstärkter Wissenschaftsorientierung des Faches die weiteren Bildungsziele nicht mehr unbedingt diskussionswürdig erscheinen. Da Geschichtsunterricht im Geschichtsbewusstseins-Paradigma – ungeachtet postmoderner Diffusionserscheinungen – unverändert auf modernen, insbesondere liberal-bildungsbürgerlich geprägten Metanarrativen beruht, ist er wie die westlichen Geschichtskulturen per se grundsätzlich fortschrittsoptimistisch eingestellt und unterstützt die zugrundeliegenden zivilisatorischen und individualemanzipatorischen Leitideen, auch wenn sich die diesen Erzählweisen zugrundeliegenden linearen Sinnbildungsmodi in Krisenzeiten dann doch immer wieder als unzuverlässig herausstellen. Gerade randständige Bevölkerungselemente erfahren diese Unzuverlässigkeit intensiver und müssen darauf mit umfassenderen Orientierungsbemühungen reagieren – Ankerpunkt für den Vorschlag der Autorin / des Autors, historische Bildung auch als Praxis der heterogenen Subjektivierung zu konzeptualisieren, bei der alternative Perspektivierungen auf den Gesellschaftskomplex ein Bewusstsein für den transformativen Möglichkeitssinn, der gerade in Übergangsphasen zu finden ist, schaffen sollen. Als Diskussionsmaterial dienen sollen dabei Texte, die aus dem Blickwinkel erworbener sozialer Distanz die biographischen Erfahrungen von Bildungsaufstieg und damit verbundenem Klassenwechsel mit einer Analyse aktueller gesellschaftlicher Problemlagen verbinden wollen – „Autosoziobiographie“ nennt sich dieses momentan populäre Genre der Gegenwartsliteratur (speziell über deklassierte Milieus), und die Autorin / der Autor führt mehrere Namen an, die man hier beispielhaft heranziehen könnte.

    Das ist ein reizvoller Gedanke, zumal es sich hier um einerseits soziologisch bzw. sozialhistorisch reflektierte und andererseits alltagshistorisch bzw. praxeologisch ausgebaute Darstellungen handelt, die zugleich dem jugendlichen Bedürfnis nach Personifizierung entgegenkommen; sie zeigen universelle Problemlagen (z.B. Statuskonkurrenzen, die Verstrickung in die Familie als „Ensemble von Strategien“[2] etc.) und solche, die sich spezifischer aus kategorialen Zugehörigkeiten bzw. Nicht-Zugehörigkeiten ergeben. Im Sinne des konzeptuellen Lernens wird Gesellschaft hier als hierarchisches, geschichtetes System erfahrbar, das in der Moderne gleichwohl in steter Transformation begriffen ist. Selbstredend steckt der methodische Teufel dann im Detail, und womöglich lässt sich etwa die niederschwellige Verfilmung von J. D. Vances „Hillbilly Elegie“ leichter in den Unterricht integrieren als die an ein akademisches Zielpublikum gerichteten Ausführungen von Eribon oder Ernaux. Das Prinzip selbst ließe sich dann natürlich auch auf weiter zurückreichende Beispiele von sozialanalytischer ZeitzeugInnenschaft anwenden, etwa auf Stefan Zweig mit seiner „Welt von gestern“, wo Fragen zu schichtenspezifischer Identität, gesellschaftlichem Auf- und Abstieg sowie Ausschlusserfahrungen unter anderen Krisenbedingungen gestellt werden können.

    So reichhaltig in seinen Bezügen und anregend in seinen Gedankengängen der Text ist, bleibt er konzeptuell dennoch auch etwas vage. Das aufgenommene Bild des „verlassenen Feldherrenhügels“ etwa lässt ein Bildungsideal erkennen, in dem Eigensinn und mündige Kritikfähigkeit der Subjekte nicht nur Ziel, sondern bereits Ausgangspunkt des Bildungsprozesses sind, und hierin würde man der Autorin / dem Autor ohne Schwierigkeiten folgen wollen; nicht unbedingt evident ist freilich, auf welchen Inhaltsfeldern sich dieses Prinzip hier vom Soziologischen ins Geschichtsdidaktische übersetzen ließe und wie sich die bei einer allenfalls kritisch-theoretischen Perspektivierung verbundenen Schwierigkeiten des ideologiekritischen Zirkels adressieren ließen. Und die Idee einer „widerständigen“ historischen Bildung als Gegengewicht zu den hegemonialen metanarrativen Schienen hat zweifellos ihren Reiz – würde sie tatsächlich das Denken in Alternativen schärfen, was ja ein konsensfähiges Ziel von Historischer Bildung darstellt,[3] oder womöglich die Lernenden doch vielmehr historisch (und letztlich auch politisch) orientierungsloser zurücklassen, zumal diese ja weit weniger Interesse an Identitätsreflexionen und isolierten Fallstudien offenbaren, als sich ihre Lehrkräfte mitunter wünschen würden, und stattdessen den Erwerb von geschichtskulturell anschlussfähigem, kanonisch strukturiertem Überblickswissen unverändert als vorrangiges Bildungsziel von Geschichtsunterricht betrachten?[4]

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    [1] Yuval Noah Harari, The War in Ukraine Could Change Everything, TED, 02.03.2022. https://www.youtube.com/watch?v=yQqthbvYE8M&t=1685s (zuletzt aufgerufen am 20.05.2022).
    [2] Didier Eribon, Rückkehr nach Reims (Berlin: Suhrkamp 2016), 84.
    [3] Stephan Selzer, „Historische Bildung“, in: Bildung. Ziele und Formen, Traditionen und Systeme, Medien und Akteure, ed. Michael Maaser und Gerrit Walther (Stuttgart und Weimar: Springer-Verlag 2011), 61-64, hier 63.
    [4] Isabelle Nientied, Guter Geschichtsunterricht aus Schülersicht. Eine empirische Studie zu subjektiven Qualitätskonzepten von historischem Lehren und Lernen in der Schule (Berlin: Lit Verlag 2021), 292-307.

  2. German version below. To all readers we recommend the automatic DeepL-Translator for 22 languages. Just copy and paste.

    OPEN PEER REVIEW

    “Being different” and historical education

    There is much truth in the article. It deals with the lack of accuracy of the term „historical education“ and its conceptual reduction to the version of the process of historical learning. The description of the problem is contrasted with Tenorth’s call in “Die Rede von Bildung” (2020) to counter the evident “signs of wear and tear” with “the huge narrative of historical education in the mode of scientific reflectivity” He argues, historical education should appear as an octroy, but should “begin right in the middle” in order to show “… the impositions and challenges lying in the permeation of time layers, and the possibilities of “being different” in the acquisition of historical facts by historical narratives.” “beginning right in the middle” and “being different.” These are the key words that guide the following proposal to unfold Tenorth’s dictum. The use of “other places” is recommended – “aesthetic forms” are given as an example – to enable innovative access to narratives „being“, justified by the potential for knowledge that can be generated from the involvement of individuals in social contexts and the complexities that become visible in the process. The implementation is propagated on the basis of “autosociobiographies” (using the example of Annie Ernaux) as a methodical counterpoint to the use of textbooks. The epistemological value lies in the observation of the “self-formation of the individual”, in the “struggle with oneself”.

    There is no question that the idea of a didactically controlled use of the genre of autosociobiography in history classes is of interest and relevance. However, the innovative power of redefining the concept of historical education across the use of this genre is not clear. Doesn’t every methodically guided handling of (auto-)biographical material of any type achieve something similar – the generation of historical experience ex “right in the middle of it”?[1]  And if we are talking about aesthetic forms, isn’t this what working with literature, music, painting, film, etc. is able to achieve?[2]  Is it not true that many teachers follow Tenorth’s intention every day, designing lessons independently and in a multifaceted way, and not just “sticking” to the textbook? Public history has long since arrived in the classroom, but autosociobiography can usefully broaden the spectrum of sources.

    More than the material aspect, the term “being different” aims at the center of the discourse about an accurate concept of education. Its concept remains undefined in the article. The question of how this “otherness” may be imagined appears to be of central importance for the formation of a concept of education that gives relevance to dealing with history. There are indications. The competence paradigm answers it by promoting the development of historical consciousness. It focuses on the individual, on the formation and autonomization of its personality. If one is content with this, the educational goal could be the “competent individualist”, in it´s highest level the „elaborated ego“. Undoubtedly, everyone who is educated in this way becomes “different”.[3] The individual, empowered to personal self-determination, can unfold free of ethical principles and possibly do harm, or it is framed by a value system and takes care to benefit the community as well. A social concept of education thus requires the comparison of various canons of values in order to refer to the development of the “humanum”, a promotion of general human education (Klafki), with the goal of practicing the ability to participate responsibly in society and to act in solidarity. Klieme at least takes common responsibility for the collective into consideration when he suggests the development of abilities that „… an und in bestimmten Dimensionen der gesellschaftlichen Wirklichkeit erfahren wurden und zu ihrer Gestaltung geeignet sind …”.[4]  Rüsen becomes clearer when he says that the ability to form historical meaning (related to the individual)[5] can only enable orientation if it is possible to let the “historical obstinacy” identified by research interact with norms of the present, which can be solved by the competence to judge on the basis of values. However, he too omits the description of these values and instead speaks vaguely of the necessity of a “historical humanism”. This „… kultivier[e] nämlich die Fähigkeit, menschliche Lebensformen nicht einfach nach dem Muster der eigenen zu beurteilen”,[6] but enables a critical discourse. Résumé: A clarification of consensual value systems and their integration into the concept of education is needed in order to illustrate “being different”. If this does not succeed, work with autosociobiographies will merely expand the spectrum of interesting material.

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    [1] Vgl. u.a. Josef Memminger: Historisches Lernen an Biografien Begegnungen mit Lebensgeschichten im Spannungsfeld von Empathie und kritischer Reflexion. In: Geschichte lernen 205 (2022), S. 2-9; Gerhard Schneider: Personalisierung/Personifizierung. In: Handbuch. Praxis des Geschichtsunterrichts (Frankfurt/Main ²2017), S. 302-315.
    [2]Vgl. u.a. Sebastian Pilz, Mathias Renz: Kunst als soziales Gedächtnis. After Images. In: Vadim Oswalt, Hans-Jürgen Pandel (Hrsg.): Geschichtskultur im Unterricht. (Frankfurt/Main 2021), 1465-163; Hans-Jürgen Pandel: Geschichte im Theater. Vom mimetischen zum postdramatischen Theater. In: Oswalt et al., ebd., S. 445-470.
    [3] Markus Daumüller, Manfred Seidenfuß: Endstation Geschichtsunterricht. Die Sicht von Schulabgängerinnen und Schulabgängern auf ihren Geschichtsunterricht. (= Geschichte in Vergangenheit und Gegenwart, Bd. 11, Münster 2017), S. 64-165.
    [4] Eckart Klieme: Zur Entwicklung nationaler Bildungsstandards: Eine Expertise. Stand Juni 2003, S. 67.
    [5] Jörn Rüsen: Historik. Theorie der Geschichtswissenschaft. (Köln/Weimar/Wien 2013), S. 99.
    [6] Ebd., S. 280.

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    „Anderssein“ und historische Bildung

     

    Viel Wahres ist in dem Beitrag zu lesen. Er handelt von mangelnder Akkuratesse des Begriffs historische Bildung und von dessen konzeptioneller Reduktion auf die terminologische Fassung des Prozesses historischen Lernens. Der Problembeschreibung wird der Tenorth´sche Aufruf aus „Die Rede von Bildung“ (2020) gegenübergestellt, den evidenten „Abnützungserscheinungen“ mit „der großen Erzählung der historischen Bildung im Modus wissenschaftlicher Reflexivität“ zu begegnen. Historische Bildung solle keinesfalls als Oktroy in Erscheinung treten, sondern „mittendrin anfangen“, um zu „… zeigen, welche Zumutungen und Herausforderungen in der ´Durchdringung´ von Zeitschichten liegen und welche Möglichkeiten des Anderswerdens in der Aneignung des Historischen und durch historisches Erzählen liegen.“ „Mittendrin“ und „Anderswerden“. Das sind die Schlüsselworte, die den nachfolgenden Vorschlag zur Entfaltung des Tenorth´schen Diktums anleiten. Empfohlen wird die Nutzung „anderer Orte“ – als Beispiel werden „ästhetische Formen“ angeführt –, um innovative Zugänge zu Erzählungen des Anderswerdens zu ermöglichen. Begründet wird das mit dem Erkenntnispotenzial, das sich aus dem Involviertsein von Individuen in soziale Kontexte und den sichtbar werdenden Komplexitäten generieren lässt. Propagiert wird die Umsetzung anhand von „Autosoziobiografien“ (am Beispiel von Annie Ernaux) als methodischer Kontrapunkt zur Schulbuchnutzung. Der Erkenntniswert liege in der Beobachtung der „Selbstformation des Individuums“, im „Ringen mit sich selbst“.

    Es steht außer Frage, die Idee einer didaktisch gesteuerten Nutzung des Genres Autosoziobiografie im Geschichtsunterricht ist von Interesse und relevant. Worin die innovative Kraft zur Neudefinition des Begriffs historische Bildung ausgerechnet durch Bearbeitung dieser Gattung besteht, erschließt sich nicht. Leistet Ähnliches – die Generierung historischer Erfahrung ex „mittendrin“ – nicht jeder methodisch geleitete Umgang mit biografischen bzw. autobiografischen Materialien jeden Typs?[1] Und vermag das, wenn von ästhetischen Formen die Rede ist, nicht auch Arbeit mit Literatur, Musik, Malerei, Film usw. zu leisten?[2] Folgen der Tenorth´schen Absicht daher nicht ohnehin tagtäglich viele jener Lehrer*innen, die Unterricht eigenverantwortlich und facettenreich konzipieren und nicht bloß am Schulbuch „kleben“? Public History ist schon lange in den Klassen angekommen, die Autosoziobiografie vermag das Spektrum an Quellen jedoch zweckdienlich zu weiten.

    Stärker als der Materialaspekt zielt das Wort „Anderswerden“ ins Zentrum des Diskurses um einen treffsicheren Bildungsbegriff. Sein Konzept bleibt im Beitrag unbestimmt. Die Frage, wie man sich dieses „Anderssein“ vorstellen darf, erscheint von zentraler Bedeutung für die Formung eines Bildungsbegriffs, der dem Umgang mit Geschichte Relevanz verleiht. Hinweise gibt es. Das Kompetenzparadigma beantwortet sie mit der Förderung der Entwicklung historischen Bewusstseins. Das hat das Individuum, die Formung und Autonomisierung der Persönlichkeit im Fokus. Begnügt man sich damit, könnte das Bildungsziel der/die „kompetente Individualist*in“ sein, in höchster Ausformung, ein elaboriertes Ego. Zweifellos wird jede*r solcherart Gebildete „anders“.[3] Das zu persönlicher Selbstbestimmung befähigte Individuum kann sich frei von ethischen Prinzipien entfalten und eventuell Schaden anrichten oder es ist durch ein Wertesystem gerahmt und achtet darauf, auch der Gemeinschaft zu nutzen. Ein gesellschaftlicher Bildungsbegriff bedarf somit des Abgleichs konsensfähiger Werte-Kanones, um auf die Entwicklung des „Humanum“, eine Förderung allgemeiner Menschenbildung (Klafki) zu verweisen, mit dem Ziel, das Vermögen zu verantwortungsvoller Partizipation an der Gesellschaft und zu solidarischer Haltung einzuüben. Klieme nimmt gemeinsame Verantwortung für das Kollektiv zumindest in den Blick, wenn er die Entwicklung von Fähigkeiten anregt, die „… an und in bestimmten Dimensionen der gesellschaftlichen Wirklichkeit erfahren wurden und zu ihrer Gestaltung geeignet sind …“.[4] Deutlicher wird Rüsen, der feststellt, die (auf das Individuum bezogene) Fähigkeit zu historischer Sinnbildung[5] könne nur dann Orientierung ermöglichen, wenn es gelinge, den von der Forschung ermittelten „historischen Eigensinn“ in Wechselwirkung zu Normen der Gegenwart treten zu lassen, was sich über die Kompetenz zur Beurteilung anhand von Werten lösen lasse. Die Beschreibung dieser Werte unterlässt aber auch er und spricht stattdessen vage von der Notwendigkeit eines „historischen Humanismus“. Dieser „… kultivier[e] nämlich die Fähigkeit, menschliche Lebensformen nicht einfach nach dem Muster der eigenen zu beurteilen“,[6] sondern ermögliche einen kritischen Diskurs. Resümee: Es bedarf einer Klärung konsensfähiger Wertesysteme und deren Integration in den Bildungsbegriff, um das „Anderssein“ zu veranschaulichen. Gelingt das nicht, wird auch die Arbeit mit Autosoziobiografien lediglich das Spektrum interessanter Materialien erweitern.

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    [1] Vgl. u.a. Josef Memminger: Historisches Lernen an Biografien Begegnungen mit Lebensgeschichten im Spannungsfeld von Empathie und kritischer Reflexion. In: Geschichte lernen 205 (2022), S. 2-9; Gerhard Schneider: Personalisierung/Personifizierung. In: Handbuch. Praxis des Geschichtsunterrichts (Frankfurt/Main ²2017), S. 302-315.
    [2] Vgl. u.a. Sebastian Pilz, Mathias Renz: Kunst als soziales Gedächtnis. After Images. In: Vadim Oswalt, Hans-Jürgen Pandel (Hrsg.): Geschichtskultur im Unterricht. (Frankfurt/Main 2021), 1465-163; Hans-Jürgen Pandel: Geschichte im Theater. Vom mimetischen zum postdramatischen Theater. In: Oswalt et al., ebd., S. 445-470.
    [3] Markus Daumüller, Manfred Seidenfuß: Endstation Geschichtsunterricht. Die Sicht von Schulabgängerinnen und Schulabgängern auf ihren Geschichtsunterricht. (= Geschichte in Vergangenheit und Gegenwart, Bd. 11, Münster 2017), S. 64-165.
    [4] Eckart Klieme: Zur Entwicklung nationaler Bildungsstandards: Eine Expertise. Stand Juni 2003, S. 67.
    [5] Jörn Rüsen: Historik. Theorie der Geschichtswissenschaft. (Köln/Weimar/Wien 2013), S. 99.
    [6] Ebd., S. 280.

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