Reenactment special: Enterprise Reichspark

Reenactment, speziell: Unternehmen Reichspark

 

Abstract: With “Enterprise Reichspark” Jan Böhmermann has once again sparked a debate about fake vs. reality. Is the planned project of a historical Nazi theme park a possibility or a reality? The following article discusses what this has to do with current developments of German culture of remembrance and public history.
DOI: dx.doi.org/10.1515/phw-2017-10518
Languages: English, Deutsch



Mit “Unternehmen Reichspark” hat Jan Böhmermann wieder einmal eine Debatte über Fake oder Realität ausgelöst. Ist das dort vorgestellte Projekt eines historischen Erlebnisparks zum Thema Nationalsozialismus möglich oder wirklich? Im folgenden Beitrag geht es darum, was dies mit gegenwärtigen Entwicklungen der deutschen Erinnerungskultur und der Public History zu tun haben könnte.

Erinnerung macht hungrig

Die ersten Twitter-Kommentare zur letzte Woche ausgestrahlten Dokumentation “Unternehmen Reichspark” des Neo Magazin Royale zielten überwiegend auf die verschwimmenden Grenzen von Fake und Realität. Jan Böhmermann und Ralf Kabelka präsentieren den umtriebigen Projektentwickler Ralph Gamper, der im ländlichen Brandenburg einen Erlebnispark zum Thema NS-Zeit plant. Das zündende Motto lautet: “Gegen das Vergessen. Für die ganze Familie”.

Geboten werden soll unter anderem eine bunte Mischung aus Nachbauten des kriegsunversehrten Berlins bzw. Dresdens, Zeppelinrundflüge über dem Obersalzberg, pyrotechnische Spektakel mit Bücherverbrennung, “Reichskristallnacht” und Attentat in der Wolfsschanze, Badespaß am Omaha-Beach sowie Stalingrad in der Kältekammer. Und nicht zu vergessen ein originalgetreuer KZ-Nachbau. Aber auch für das leibliche Wohl soll selbstverständlich gesorgt werden, denn Erinnerung macht hungrig.

Britische Dörfer, Auschwitz, Rom, Ruhr-Universität

Gerahmt wird die Reportage über den #Reichspark durch Besuche zweier anderer Reenactments: Britische Dörfer, in denen für ein Wochenende die Zeit des Zweiten Weltkriegs “wieder aufersteht”, und ein ehemaliges Hochsicherheitsgefängnis in Estland, in dem sich TouristInnen und Junggesellenabschiede eine Nacht lang schikanieren lassen können. Abschließend steht eine erfolgreiche Flucht aus der Sowjetunion auf dem Programm. Hinzu kommen Visiten bei einem italienischen Startup mit Auschwitz-VR-Simulation und sogar bei einem Experten für Erinnerungskultur an der Ruhr-Universität Bochum.

Aber viele ZuschauerInnen waren misstrauisch und recherchierten sorgfältig die auffälligen Ungereimtheiten dieser Reportage: Kannte man den guten Herrn Gamper nicht schon aus anderen Satiresendungen? Kann denn ein Universitätsgebäude wirklich so bröselige Dächer haben? Und ist es tatsächlich möglich, dass ein echter Historiker an einem derart aufgeräumten Tisch sitzt?

Emotionalisierung als Geschäftsmodell

Die Dokumentation über das “Unternehmen Reichspark” versucht zwei lose Enden der gegenwärtigen Entwicklung zusammenzubinden: erstens den Trend, das “Nacherleben” in das Zentrum der Vergegenwärtigung von Geschichte zu stellen. Und zweitens das Aufflackern jener Forderung nach dem Ende der spezifischen bundesrepublikanischen Erinnerungskultur, die vor allem auf einer distanzierenden Vergegenwärtigung des Nationalsozialismus beruht. Was besagt diese Sendung über die gegenwärtige deutsche Erinnerungskultur? Und was hat das alles mit Public History zu tun?

Zumindest in ihren Anfängen lief die Public-History-Bewegung oft darauf hinaus, Geschichte jenseits staatlicher Institutionen der Forschung, der Bildung und des öffentlichen Gedenkens zu betreiben. Zwar landeten viele ihrer AkteurInnen dann irgendwann doch wieder erleichtert in den Armen staatlicher Finanzierung, aber daneben hat sich eine vielfältige Erinnerungslandschaft entwickelt, die Public History auf privater Grundlage betreibt. Das können AmateurInnen sein, die sich am Wochenende in historischen Uniformen und Ausrüstungsteilen zum Reenactment historischer Schlachten verabreden. Das sind aber auch in privater Trägerschaft entstandene Ausstellungen und Museen, die kulturelles Kapital ummünzen. In dieser meist wenig beachteten, privatwirtschaftlichen erinnerungskulturellen Landschaft wird in der Regel auf einen emotionalen Zugang zur Geschichte gesetzt.

Ideenklau von Ralph Gamper?

Plakat des Spielzeugmuseums Peenemünde auf Usedom, © C. Goschler, 2017.

Auf dem Gebiet der ehemaligen Raketenversuchsanstalt Peenemünde, malerisch auf Usedom gelegen, ist ein derartiger Erinnerungspark gewachsen: Während das Historisch-Technische Museum Peenemünde GmbH gediegene Ausstellungskost bietet, wirbt in unmittelbarer Nachbarschaft neben Gastronomiebetrieben auch das Spielzeug-Museum Peenemünde mit einem “Erlebnis für alle Generationen”: “Erfahren Sie lebendig gestaltete Geschichte einer bewegten Zeit”. Geboten wird eine bunte Mischung aus Spielzeug für Kinder und Erwachsene, Zuckertütenbaum und Dioramen zum Thema “Schlacht im II. Weltkrieg” und “NVA-Manöver”.

Das Zentrum dieses musealen Ensembles bildet – einem erinnerungskulturellen Maibaum gleich – die Attrappe einer V2-Rakete, mit deren Hilfe sich diese deindustrialisierte Region als Geburtsort der modernen Raumfahrt präsentiert. Wesentliche Eventelemente des “Unternehmens Reichspark” lassen sich schon hier entdecken, für andere ließen sich mühelos anderswo Beispiele finden. Insofern hat Herr Gamper nur bereits existierende Ideen geschickt kombiniert, erfolgreiche Geschäftsideen funktionieren oft so.

Böhmermanns Fehler?

Wäre da nicht Hitler und die Shoa. Böhmermann reagierte mit dieser Sendung darauf, dass AfD-FunktionärInnen wiederholt gefordert haben, die auf Drittes Reich und Holocaust zentrierte deutsche Erinnerungskultur zu relativieren. Angebliche Versuche der Sendungsmacher, einen dieser AfD-Leute vor der Kamera zu einem Statement zum “Unternehmen Reichspark” zu bewegen (dabei wahrscheinlich auf kompromittierende Aussagen spekulierend), sind jedoch erfolglos geblieben.

Aber das Problem liegt vielleicht auch einfach darin, dass sich Böhmermann damit auf jenes rechte Sprachspiel eingelassen hat, das Per Leo, Maximilian Steinbeis und Daniel-Pascal Zorn jüngst in ihrem Essay Mit Rechten reden analysiert haben. “Rechte” werden dabei nicht im Sinne eines Sets weltanschaulicher Glaubenssätze definiert, sondern im Sinne einer bestimmten Redeweise, die sich immer relational zu ihrem Gegenüber, den “Nicht-Rechten” verhält.[1] Und so gelang es Böhmermann offenbar nicht, einen “Rechten” zu finden, der das “Unternehmen Reichspark” mit Hitler-Begeisterung verbinden wollte, nicht einmal das als Selfie-Köder ausgelegte Adolf-Hitler-Eva-Braun-Double wollte verfangen.

Wahrscheinlich ist das Problem also nicht, dass als Biedermänner oder -frauen getarnte Krypto-Nazis gerne in einem Nazi-Disneyland Adolf Hitler mit Pyrotechnik feiern würden. Vielleicht benötigen die “Rechten” die gegenwärtige Holocaust-Erinnerungskultur sogar dringend, um überhaupt zu bestimmen, wer sie selbst sein wollen.

Gamper, Sie schon wieder? Worum es wohl geht …

Statt der Sorge vor der Indienstnahme von Geschichte durch gefährliche IdeologInnen sollten wir also vielleicht mehr auf eine andere Entwicklung achten:

Geschichte als Ressource zur Entwicklung strukturschwacher Gebiete und des Städtemarketings.

Denn eine Laune des Schicksals wollte es, dass just während des Schreibens an diesem Artikel eine merkwürdige Email bei mir einging:  Dort wurde ich gefragt, ob ich denn vielleicht eine Initiative unterstützen wolle, die das Geburtshaus des “Führers” in Braunau in ein “Haus der Verantwortung” verwandeln möchte, und zwar als Teil eines angestrebten Rebrandings von Braunau zur “Stadt der Verantwortung”.

Herr Gamper, stecken Sie da schon wieder dahinter?

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Literaturhinweise

  • Leo, Per, Max Steinbeis and Daniel-Pascal Zorn. Mit Rechten reden. Ein Leitfaden. Stuttgart: Klett-Cotta, 2017.
  • Goschler, Constantin. “Der Umgang mit den Opfern des Nationalsozialismus in Deutschland nach 1945.” In Nach den Diktaturen. Der Umgang mit den Opfern in Europa, ed. Günther Heydemann, and Clemens Vollnhals, 27–45. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht, 2016.
  • Bösch, Frank, Constantin Goschler. “Der Nationalsozialismus und die deutsche Public History.” In Public History. Darstellungen des Nationalsozialismus jenseits der Geschichtswissenschaft, ed. dens., 7–23. Frankfurt a. M.: Campus, 2009

Webressourcen

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[1] Per Leo, Max Steinbeis, and Daniel-Pascal Zorn, Mit Rechten reden: Ein Leitfaden (Stuttgart: Klett-Cotta, 2017).

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Abbildungsnachweis

Collings Foundation © Kristin Shoemaker 2017 (via Flickr)

Empfohlene Zitierweise

Goschler, Constantin: Reenactment, speziell: Unternehmen Reichspark. In: Public History Weekly 5 (2017) 40, DOI: dx.doi.org/10.1515/phw-2017-10518 .

With “Enterprise Reichspark” Jan Böhmermann has once again sparked a debate about fake vs. reality. Is the planned project of a historical Nazi theme park a possibility or a reality? The following article discusses what this has to do with current developments of German culture of remembrance and public history.

Remembering Works Up an Appetite

“#Reichspark is really scary. If it’s real, WTF?? I think someone has totally lost it. If fake: how far have we come that we cannot be sure whether this deranged crap is actually a satire?”

The first Twitter-comments on the documentary “Enterprise Reichspark” by German Neo Magazin Royale broadcast (ZDF neo) last week focused mainly on the blurring line between fake and real. The famous youngish comedians Jan Böhmermann and Ralf Kabelka present the enterprising and subversive project developer Ralph Gamper, who is planning to build a theme park in rural Brandenburg based on the National Socialist era (the Third Reich). The controversial motto is: “Against forgetting, for the whole family”.

Among other things on offer are a colourful mix of replicas of war-unharmed Berlin or Dresden, Zeppelin flights over the Obersalzberg, pyrotechnical spectacles complete with book burning, “Kristallnacht” and assassination attempt in the Wolfsschanze, swimming fun at Omaha Beach, and Stalingrad in a cold chamber. And of course a true-to-life concentration camp replica. But not to worry, guests’ physical well-being will also be catered for because remembering works up an appetite.

British Villages, Auschwitz, Rome, Ruhr University

The report on #Reichspark is framed by visits to two other reenactment sites: one is to some British villages where scenes from the Second World War are “resurrected” for a weekend, and the other is to a former high-security prison in Estonia, where tourists and guests at bachelor parties can choose to be mistreated, bullied and humiliated for one night, and finally reenact a successful escape from the Soviet Union. In addition, the reporters visit an Italian startup company that offers VR simulation of Auschwitz, as well as an expert on culture of remembrance, namely a professor from the Ruhr University Bochum.

But many viewers were suspicious and carefully researched the conspicuous inconsistencies in the report: Didn’t Mr Gamper look familiar from other satire programmes? Can a university buildings really have such a crumbling roof? And is it really possible for a true historian to sit at such a tidy desk?

Emotional Appeal as a Business Model

The documentary on “Enterprise Reichspark” tries to tie up two loose ends of current developments: first, to highlight the trend of “re-experiencing” history for the present. And secondly, to take issue with the demand currently popular in German culture of remembrance, namely to keep the National Socialist past at a distance. What does this programme actually say about the current German culture of remembrance? And what does all this have to do with public history?

At least in its infancy, the public history movement was driven by the wish to do a type of history that was beyond state-funded institutional research, education and public remembrance. Although many of its proponents were eventually relieved to have ended up in state-funded projects, a diverse culture of remembrance developed nonetheless and undergirded public history projects based on private funding. These may consist of amateurs who arrange get-togethers to reenact historical battles over a weekend in historic uniforms and matching paraphernalia. But these are also privately sponsored exhibitions and museums that make a profit from cultural capital of history. It is mostly in these private, less noticed areas of remembrance culture where access to history is normally provided in an emotional way.

Ideas stolen by Ralph Gamper?

Poster for the Toy Museum in Peenemünde, © C. Goschler, 2017.

A theme park of this kind was established on the site of the former rocket research institute Peenemünde, which is situated picturesquely at Usedom. While the exhibitions at Peenemünde Historical Technical Museum are trustworthy, in the immediate vicinity next to the restaurants there is also the Toy Museum Peenemünde that attracts visitors with a promise of an “experience for all generations”: “experience living history of a turbulent time”. It offers a colourful mix of toys for children and adults, a sugar candy tree and dioramas on themes such as “Battle in World War II” and “NVA army manoeuvres”.

At the centre of this museum ensemble is a model of a V2 rocket reminiscent of a maypole, with the help of which this deindustrialised East-German region presents itself as the birthplace of modern space travel. Essential event-elements of the “Enterprise Reichspark” can readily be identified here. As for the others, it would be easy to find examples elsewhere. Mr. Gamper has thus simply combined already existing ideas in a clever way. Successful business concepts often work like this.

Böhmermann’s mistake?

If there wasn‘t Hitler and the Shoah. Böhmermann’s broadcast was a response to AfD officials (AfD = Alternative für Deutschland, i.e. Alternative for Germany; a right-wing party) repeatedly demanding a relativisation of German culture of remembrance concerning the Third Reich and the Holocaust. Alleged attempts by the broadcaster to persuade one of these AfD officials to make a statement in front of the camera about “Enterprise Reichspark (probably counting on compromising statements) have, however, been unsuccessful.

But perhaps the problem is simply that Böhmermann fell for the right-wing language game that Per Leo, Maximilian Steinbeis and Daniel-Pascal Zorn recently analysed in their essay Mit Rechten reden (Talking with Right-Wingers).  Accordingly, “Right-Wingers” are not defined in terms of a set of worldviews or ideological beliefs, but by a certain way of speaking that is always relational to those with whom they speak, i.e. the Non-Right-Wingers.[1] As such Böhmermann was apparently unsuccessful in finding a Right-Winger who wanted to combine the “Enterprise Reichspark” with Hitler enthusiasm, not even with the selfie-bait of Adolf Hitler and Eva Braun doubles.

Therefore the problem is probably not that crypto-Nazis disguised as ordinary citizen would love to celebrate Adolf Hitler in a Nazi Disneyland with pyrotechnics. It is perhaps even the case of “Right-Wingers” urgently needing the current Holocaust culture of remembrance in order to determine who they want to be.

You again, Gamper? What this might be about…

Thus, instead of worrying about the (mis)use of history by dangerous ideologues, perhaps we should pay more attention to another development:

History as an economical resource for developing underdeveloped areas and urban marketing.

Because as fate would have it, just as I am writing this article, I received a strange e-mail: I was asked if I would like to support an initiative that plans to turn the birth house of the Führer in Braunau into a “House of Responsibility” as part of a targeted rebranding of Braunau into the “City of Responsibility”.

Mr Gamper, are you at it again?

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Further Reading

  • Leo, Per, Max Steinbeis, and Daniel-Pascal Zorn. Mit Rechten reden. Ein Leitfaden. Stuttgart: Klett-Cotta, 2017.
  • Goschler, Constantin. “Der Umgang mit den Opfern des Nationalsozialismus in Deutschland nach 1945.” In Nach den Diktaturen. Der Umgang mit den Opfern in Europa, ed. Günther Heydemann, Clemens Vollnhals, 27–45. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht, 2016.
  • Bösch, Frank, and Constantin Goschler. “Der Nationalsozialismus und die deutsche Public History.” In Public History. Darstellungen des Nationalsozialismus jenseits der Geschichtswissenschaft, ed. dens., 7–23. Frankfurt a. M.: Campus, 2009

Web Resources

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[1] Per Leo, Max Steinbeis, and Daniel-Pascal Zorn, Mit Rechten reden: Ein Leitfaden (Stuttgart: Klett-Cotta, 2017).

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Image Credits

Collings Foundation © Kristin Shoemaker 2017 (via Flickr)

Translation from German

Dr Katalin Morgan (katalin.morgan (at) uni-due (dot) de)

Recommended Citation

Goschler, Constantin: Reenactment special: Enterprise Reichspark. In: Public History Weekly 5 (2017) 40, DOI: dx.doi.org/10.1515/phw-2017-10518.

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Categories: 5 (2017) 40
DOI: dx.doi.org/10.1515/phw-2017-10518

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