Abstract: After the reunification of Germany, former East Germany underwent rapid deindustrialisation. Companies were dismantled, open-cast mines were shut down and flooded, and whole businesses disappeared. Only in recent years has this “sunken” history of East German industrial regions been rediscovered as a source of identity. This article describes the process of forgetting and rediscovering as a cultural dimension of regional transformation in reunified Germany after 1990.
DOI: dx.doi.org/10.1515/phw-2022-19818
Languages: English, German
Viele Relikte der DDR-Industriekultur wurden nach dem wirtschaftlichen Zusammenbruch entsorgt. Das Erbe der DDR-Industriekultur erschien den neuen Bundesländern eher als Altlast und im wiedervereinten Deutschland ohne Wert. Doch in den letzten Jahren entdecken die Industrieregionen ihre vergessene Geschichte wieder und nutzen sie als geschichtskulturelle Ressource. Welche Ursachen und Funktion hatten und haben hier Vergessen und Erinnern?
Deindustrialisierung und “blühende Landschaften”
Nach der deutschen Wiedervereinigung 1990 erlebten die Industrieregionen der ehemaligen DDR einen wirtschaftlichen Zusammenbruch.[1] Zentren der Chemie-, Textil-, Kohle- oder Kaliindustrie versanken in der Bedeutungslosigkeit und Arbeits- und Erfahrungswelten gingen in kürzester Zeit verloren.[2] Die von Bundeskanzler Helmut Kohl 1990 verkündete Vision “blühender Landschaften”[3] in den neuen Ländern erschien deshalb sehr bald als uneingelöste Utopie. Sie taugte nur noch als ironische Metapher für die Deindustrialisierung und Entvölkerung ostdeutscher Industrieregionen.[4]
Heute sind die Spuren, die die großenteils marode DDR-Industrie und der wirtschaftliche “Abbau-Ost” ab 1990 hinterlassen haben, kaum mehr zu erkennen. Viele Industrieanlagen wurden entsorgt und Tagebaukrater geflutet. Besonders in den renaturierten Braunkohlerevieren scheint nun 30 Jahre später die Verheißungsmetapher “blühender Landschaften” Wirklichkeit geworden zu sein, denn mittlerweile sind die ehemaligen Industriebrachen um Bitterfeld, Leipzig oder in der Lausitz als teils naturgeschützte Seenlandschaften touristisch attraktiv.
Doch was geschah mit den Relikten der DDR-Industriekultur? Ist dieses Erbe der Industrieregionen im wiedervereinten Deutschland vergessen? Diese Fragen drängen sich auf, wenn man sich in vergleichender Perspektive Prozesse regionalen Strukturwandels in westeuropäischen Kohle- und Stahlrevieren anschaut.[5] Hier gewann bereits seit den 1980er Jahren, d.h. mit dem wirtschaftlichen Niedergang, Industriekultur als geschichtskulturelle und ökonomische Ressource an enormer Bedeutung.[6]
Kulturelles Vergessen in der Transformationsgesellschaft
Gerade ein Vergleich mit der Industriekultur im Ruhrgebiet [7] zeigt, dass das Entsorgen und Vergessen der DDR-Industriekultur und ihrer Geschichte nur als ein Phänomen des gesellschaftlichen Transformations- und deutsch-deutschen Wiedervereinigungsprozesses nach 1990 angemessen interpretiert werden kann. Bis 1990 stand das industriekulturelle Erbe in der Denkmalpflege der DDR dagegen hoch im Kurs. Denn die Erfassung und Erhaltung technischer Denkmale diente der materiellen Repräsentation der Fortschrittsgeschichte sozialistischer Produktivkraftentwicklung.[8]
Diese Meistererzählung verlor allerdings bereits im Laufe der 1980er Jahre an Bindungskraft und dann im wiedervereinten Deutschland gänzlich an Wert. Angesichts des wirtschaftlichen Zusammenbruchs, millionenfacher Entlassungen sowie ökologischer Altlasten schienen in den 1990er Jahren Initiativen für die Bewahrung denkmalswürdiger Industrieanlagen in Ostdeutschland wie aus der Zeit gefallen. Die Entsorgung ostdeutscher Industrieruinen bestätigte eher den Zusammenbruch des marxistischen Narratives und illustrierte das Scheitern sozialistischer Kollektiv- und Planwirtschaft. Im Gegensatz dazu sollte mit dem Großprojekt “Aufbau Ost” das zweite “Wirtschaftswunder” auf den Weg gebracht und so ein Gründungsmythos der Bundesrepublik bekräftigt werden.
Die geschichtspolitischen Debatten des wiedervereinten Deutschlands kreisten folglich nicht um das Bewahren des industriekulturellen Erbes der DDR. Im Zentrum stand die sogenannte Aufarbeitung der DDR-Diktaturgeschichte. Die Bewahrung dieses Diktaturgedächtnisses spiegelt sich in der aktuellen Denkmals-, Gedenkstätten- und Museumslandschaft.[9]
Während also die nationale deutsche Erinnerungskultur vor allem die Differenz zwischen Diktatur und Demokratie herausstellt und die Geschichte von Teilung und Einheit erinnert,[10] standen die neugegründeten Bundesländer im Osten Deutschlands nach 1990 vor anderen Herausforderungen einer “Invention of Tradition”. Um Herkunft und Zukunft zu stiften, mussten sie zum einen dem DDR-Einheitsnarrativ entkommen und zum anderen historische Tradition auch jenseits zeithistorischer Brüche freilegen. So erfand sich zum Beispiel Sachsen-Anhalt dank des bronzezeitlichen Fundes der Himmelsscheibe als “Wiege Europas” neu. In der Lausitz wurden am Rande der Tagebaulandschaften slawische Burgwälle errichtet. Dresden reinszenierte sich als sächsische Residenzstadt. Bereits diese wenigen Beispiele verdeutlichen, dass das industriekulturelle Erbe angesichts der wirtschaftlichen Krisenerfahrung und unsicherer Zukünfte als geschichtskulturelle Ressource in den 1990er Jahren wenig attraktiv erschien.
Phasen der Wiederentdeckung
Die Aneignung der regionalen Industriekultur und -geschichte erfolgte erst über den Umweg ihres Vergessens. Ich möchte in systematisierender Absicht vier Phasen im Prozess der Wiederentdeckung am Beispiel der Braunkohlereviere unterscheiden:
In der ersten Phase zwischen 1990-1994 stand die ökologische Schadensbegrenzung und ökonomische Inwertsetzung der Tagebaulandschaften im Vordergrund. Allerdings gewannen Fragen des Umgangs mit diesen riesigen Industriebrachen als Herausforderung zukünftiger Landschaftsgestaltung an Bedeutung, vor allem wenn die Flächen nicht wirtschaftlich weitergenutzt wurden.
Die zweite Phase ab Mitte der 1990er Jahre kennzeichnet die diskursive Aneignung des industriellen Erbes. Diese vollzog sich auf unterschiedlichen, aber kaum vernetzten Ebenen. Zum einen entdeckte die Regionalpolitik die historische Dimension der Industrieräume als strategische Ressource. Zum anderen versuchten zivilgesellschaftliche Akteur:innen durch geführte Wanderungen und Ausstellungen den ökonomischen und ökologischen Transformationsprozess erfahr- und erlebbar zu machen und dadurch von “unten” Diskussionen um die Zukunft der Industriebrachen anzustoßen. Wiederholt initiierte das Dessauer Bauhaus Projekte mit internationalen Wissenschaftler:innen und Künstler:innen, um Zukunftsvisionen für die Gestaltung postindustrieller Landschaften zu entwickeln – nicht zuletzt mit Blick auf industriekulturelle Pionierprojekte an Ruhr und Emscher.[11]
In der dritten Phase seit 2000 gingen wesentliche Impulse von nationalen, aber auch europäischen Strukturentwicklungsprogrammen aus, die auf Imagewandel und ökonomisch-touristische Nutzung der belasteten Industrieregionen zielten. Beispiele dafür sind das vom Bauhaus Dessau maßgeblich entwickelte EXPO 2000 Projekt “Industrielles Gartenreich”[12] oder Internationale Bauausstellung Fürst-Pückler-Land 2000-2010.[13]
Die vierte Phase seit ca. 2010 zeichnet die Institutionalisierung, Vernetzung und Vermarktung von industriekulturellen Standorten aus. Industriekultur wird nun zu einer regionalen Marke aufgebaut. So begeht Sachsen-Anhalt bereits seit 2008 den Tag der Industriekultur,[14] Sachsen rief 2020 das Jahr der Industriekultur aus [15] und Brandenburg setzte im Folgejahr 2021 seine industriegeschichtlichen Standorte in Szene.[16]
Differenzierung und Anerkennung
Auf der Ebene der Vernetzung und Vermarktung von Industriekultur lassen sich aktuell viele Parallelen zum Ruhrgebiet entdecken – wie die touristische Nutzung oder die Etablierung einer Eventkultur, in der industriekulturelle Relikte lediglich als Kulisse dienen.[17] Die regional spezifische geschichtskulturelle Funktion der Industriekultur in Ostdeutschland gewinnt jedoch in unterschiedlichen Narrativen an Kontur:
• Erstens wird mit Industrierelikten wie dem “liegenden Eifelturm” der Lausitz [18] DDR-Technikgeschichte als Erfolgsgeschichte in Szene gesetzt und damit zugleich die Anerkennung ambivalenter biografischer Erfahrungen (“Arbeiten trotz Sozialismus”) reklamiert.
• Zweitens konstituiert sich entlang der regionalen Routen der Industriekultur eine Narration, die Wandel als Kontinuität beschreibt und die Fähigkeit zur Veränderung als sogenannte “Transformationskompetenz” einer Region und ihrer Bewohner:innen Inszeniert wird also nicht das Ende der DDR-Industrie, sondern die longue durée regionaler Industriegeschichte. In diese 200-jährige Geschichte fügen sich die Relikte der DDR-Industriekultur und die damit verbundenen Geschichten und Erinnerungen. Entlang der Routen der Industriekultur wird Wandel so als erfahrbar und erlebbar, aber auch als gestaltbar inszeniert.[19]
• Drittens gewinnt in den renaturierten Tagebauen die Erfolgs- und Problemgeschichte des ökologischen Wandels und damit vielleicht schon ein Fortschrittsnarrativ der postindustriellen Gesellschaft an Kontur. Dieses Narrativ wird vom Tourismusmarketing der Lausitz als europäisches Alleinstellungsmerkmal inszeniert.[20]
Neben diesen identitätsrelevanten Narrativen entdeckt man entlang der Routen der Industriekultur in Sachsen, Brandenburg oder Sachsen-Anhalt eine Vielfalt lokaler und regionaler Industrie-, Technik- und Unternehmensgeschichten, die immer auch als Teil europäischer Industrialisierungsgeschichte dargestellt werden. In dieser langen Geschichte des europäischen Industriezeitalters ist DDR-Geschichte nur ein regionales, aber durchaus identitätsrelevantes Kapitel unter anderen.
Bislang fügen sich diese vielfältigen Geschichten zu keiner neuen Meistererzählung. Ihre Vielfalt und ihr Nebeneinander fördern eher reflexive Vergangenheitsaneignung. Die hier vorgestellten ersten Erkundungen legen jedoch nahe, dass die Wiederaneignung des industriekulturellen Erbes auf regionaler Ebene die Chance bietet, die nationale Meistererzählung der Diktaturgeschichte zu differenzieren, DDR-Geschichte zu historisieren sowie ostdeutsche Transformationserfahrungen als kulturelle Ressource anzuerkennen. In der Rückschau förderten gerade die Entsorgung und das drohende Vergessen der DDR-Industrieregionen im wiedervereinten Deutschland die Wiederaneignung des materiellen Erbes der DDR-Industrie als regionale Industriekultur.
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Literaturhinweise
- Ahne, Marina, und Gibas, Monika, ed., Mitteldeutsche Industrielandschaften im 19./20. Jahrhundert. Außendarstellung, Fortschrittsglauben und regionale Identifikation, Sonderauflage der Landeszentrale für politische Bildung Sachsen-Anhalt. Magdeburg: Sachsen-Anhalt Landeszentrale für Politische Bildung, 2017.
- Berger, Stefan, ed., Constructing industrial pasts. Heritage, historical culture and identity in regions undergoing structural economic transformation, Making sense of history, volume 38. New York / Oxford: berghahn, 2020.
- Bogner, Simone et al., ed., Denkmal – Erbe – Heritage. Begriffshorizonte am Beispiel der Industriekultur = Monument – patriomony – heritage. Industrial heritage and the horizons of terminology, Veröffentlichungen des Arbeitskreises Theorie und Lehre der Denkmalpflege e.V, Bd. 27, Holzminden: Verlag Jörg Mitzkat, 2018, https://books.ub.uni-heidelberg.de/arthistoricum/reader/download/374/374-16-82606-1-10-20181024.pdf (letzter Zugriff am 23. Mai 2022).
Webressourcen
- “Industriekultur im Land Brandenburg.” TMB Tourismus-Marketing Brandenburg GmbH, https://www.reiseland-brandenburg.de/aktivitaeten-erlebnisse/kultur/industriekultur/ (letzter Zugriff am 23. Mai 2022).
- “Akteure und Erlebnisorte.” https://www.industriekultur-in-sachsen.de/erleben/akteure-erlebnisorte/ (letzter Zugriff am 23. Mai 2022).
- metropolregion mitteldeutschland, “Industriekultur in Mitteldeutschland. Handlungsempfehlungen.” https://www.mitteldeutschland.com/wp-content/uploads/2020/10/191118handlungsempfehlungenindustriekulturmitteldeutschlandfinal.pdf (letzter Zugriff am 23. Mai 2022).
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[1] Vgl. Ilko-Sascha Kowalczuk, Die Übernahme. Wie Ostdeutschland Teil der Bundesrepublik wurde, Originalausgabe, (Ort: C.H. Beck Paperback, 2019), 110–36; Thomas Großbölting, Wiedervereinigungsgesellschaft. Aufbruch und Entgrenzung in Deutschland seit 1989/90, Schriftenreihe / Bundeszentrale für Politische Bildung Band 10610 (Bonn: Bundeszentrale für politische Bildung, 2020), 390–410.
[2] Vgl. Steffen Mau, Lütten Klein. Leben in der ostdeutschen Transformationsgesellschaft, Sonderausgabe für die Bundeszentrale für politische Bildung, Schriftenreihe Band 10490 (Bonn: Bundeszentrale für politische Bildung, 2019); Marcus Böick, “Jammertal statt Wirtschaftswunder? Der ostdeutsche Wirtschaftsumbau und seine Folgen in Sieben Schlaglichtern,” in Umbruchserfahrungen. Geschichten des deutschen Wandels von 1990 bis 2020. Erzählt von ostdeutschen Sachverständigen, eds. Michael Hofmann, 1. Auflage (Münster: Westfälisches Dampfboot, 2020), 120–136.
[3] “Rundfunk- und Fernsehansprache von Bundeskanzler Helmut Kohl, 2. Oktober 1990,” https://www.chronik-der-mauer.de/material/180425/rundfunk-und-fernsehansprache-von-bundeskanzler-helmut-kohl-2-oktober-1990 (letzter Zugriff am 23. Mai 2022).
[4] Vgl. u.a. Thomas Ahbe, “Revolution und Vereinigung. Viele Erfahrungen und eine Große Erzählung,” Journal für politische Bildung 9, no. 4 (2019), 10–17.
[5] Vgl. Lutz Raphael, Jenseits von Kohle und Stahl. Eine Gesellschaftsgeschichte Westeuropas nach dem Boom. Frankfurter Adorno-Vorlesungen 2018, 1. Auflage, Frankfurter Adorno-Vorlesungen 2018 (Berlin: Suhrkamp, 2019).
[6] Vgl. Peter Itzen, und Christian Müller, eds., The invention of industrial pasts. Heritage, political culture and economic debates in Great Britain and Germany, 1850 – 2010, Beiträge zur England-Forschung 69 (Augsburg: Wißner, 2013); Stefan Berger, ed., Constructing industrial pasts. Heritage, historical culture and identity in regions undergoing structural economic transformation, Making sense of history, volume 38 (New York / Oxford: berghahn, 2020).
[7] Vgl. Stefan Berger, und Jana Golombek, “Memory Culture and Identitity Constructions in the Ruhr Valley in Germany,” in Constructing industrial pasts. Heritage, historical culture and identity in regions undergoing structural economic transformation, ed. Stefan Berger, Making sense of history, volume 38 (New York, Oxford: berghahn, 2020), 294–314; Helen Wagner, “Authentische Symbole der Region. Zur Transformation des Ruhrgebiets von einer Industrielandschaft zur ‛Kulturlandschaft neuen Typs’ anhand der Route der Industriekultur,” in Authentizität und industriekulturelles Erbe, eds. Michael Farrenkopf, und Torsten Meyer (Oldenbourg: De Gruyter, 2020), 219–242.
[8] Vgl. Katrin Kruner, “Der Authentizitätsbegriff in der Technischen Denkmalpflege der Deutschen Demokratischen Republik,” in Authentizität und industriekulturelles Erbe, eds. Michael Farrenkopf, und Torsten Meyer (Oldenbourg: De Gruyter, 2020), 293–308; Alexander Kierdorf, und Uta Hassler, Denkmale des Industriezeitalters. Von der Geschichte des Umgangs mit Industriekultur (Tübingen / Berlin: Wasmuth, 2000), 53f.
[9] Vgl. Anna Kaminsky, ed., Orte des Erinnerns. Gedenkzeichen, Gedenkstätten und Museen zur Diktatur in SBZ und DDR, 3., überarbeitete und erweiterte Auflage (Berlin: Ch. Links Verlag, 2016).
[10] Vgl. Martin Sabrow, “Die DDR erinnern,” in Erinnerungsorte der DDR, ed. Martin Sabrow, Lizenzausgabe, Schriftenreihe / Bundeszentrale für Politische Bildung Bd. 1116 (Bonn: Bundeszentrale für politische Bildung, 2010), 9–27.
[11] Vgl. Stiftung Bauhaus Dessau, ed., Industrielles Gartenreich. Dessau – Bitterfeld – Wittenberg, 2 Bde. (Berlin: Ex Pose-Verlag, 1996/1999).
[12] Vgl. Christian Hartwig Müller-Krug, Das Bauhaus und die Gestaltung mitteldeutscher Bergbaufolgelandschaften. Ein Beitrag zur Kunst- und Kulturlandschaftsforschung, Mitteilungen der Geographischen Gesellschaft in Hamburg 93 (Stuttgart: Steiner, 2002).
[13] Vgl. Internationale Bauausstellung (IBA) Fürst-Pückler-Land, ed., Verwundete Landschaft neu gestalten. Die IBA-Werkstatt in der Lausitz (Berlin: Jovis, 2012); Internationale Bauausstellung (IBA) Fürst-Pückler-Land, http://www.iba-see2010.de/ (letzter Zugriff am 23. Mai 2022).
[14] Vgl. “Die Zukunft erinnern. Industriekultur in Sachsen-Anhalt,” Mitteldeutsche Gesellschaft für Industriekultur e.V., https://industrietourismus.de/ (letzter Zugriff am 23. Mai 2022).
[15] “Industrie. Kultur. Sachsen. 2020,” Landesverband Industriekultur Sachsen e.V., https://www.industriekultur-in-sachsen.de (letzter Zugriff am 23. Mai 2022).
[16] Brandenburgische Gesellschaft für Kultur und Geschichte, ed., Zukunft der Vergangenheit. Industriekultur in Bewegung (Berlin: L&H Verlag, 2021).
[17] Vgl. “Ferropolis.” FERROPOLIS GmbH, https://www.ferropolis.de/ (letzter Zugriff am 23. Mai 2022); Christian Krajewski, “Tourismus und Industriekultur in Brandenburger Bergbaufolgelandschaften,” in Tourismus und Industriekultur. Vermarktung von Technik und Arbeit, ed. Jürgen Schwark, 1. Aufl., Schriften zu Tourismus und Freizeit 2 (Berlin: Schmidt, 2004), 151–178.
[18] Vgl. “Besucherbergwerk F60,” https://www.f60.de/ (letzter Zugriff am 23. Mai 2022).
[19] Vgl. u.a. Oliver Brehm, und Jürgen Kabus, eds., 25 Jahre Industriemuseum Chemnitz. Industrie im Wandel erleben, Industriearchäologie 17 (Chemnitz: Zweckverband Sächsisches Industriemuseum, 2016).
[20] Antje Boshold, “Bergbauregion Lausitz im Wandel. Liegende Eiffeltürme und Canyonlandschaften in der IBA Fürst-Pückler-Land,” in Tourismus und Industriekultur. Vermarktung von Technik und Arbeit, ed. Jürgen Schwark, 1. Aufl., Schriften zu Tourismus und Freizeit 2 (Berlin: Schmidt, 2004), 179–188.
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Abbildungsnachweis
Ferropolis Mainstage 360deg © Aviorausch CC BY-SA-3.0 via Commons.
Empfohlene Zitierweise
Handro, Saskia: Entsorgt und Vergessen? Das Erbe der DDR-Industriekultur. In: Public History Weekly 10 (2022) 4, DOI: dx.doi.org/10.1515/phw-2022-19818.
Redaktionelle Verantwortung
Many relics of GDR industrial culture were discarded after the economic collapse of the system. The legacy of GDR industrial culture rather appeared as a burden to former East Germany and seemed to have no value in reunified Germany. Yet, former industrial regions have begun rediscovering their forgotten history in recent years and are using it as a cultural resource. What are the reasons for forgetting and remembering GDR industrial culture?
Deindustrialisation and “Flourishing Landscapes”
After the reunification of Germany in 1990, industrial regions in former East Germany suffered economic collapse.[1] Important centres of the chemical, textile, coal and potash industries became irrelevant, just as the industrial traditions and real-world experience of East Germans were lost in a short period of time.[2] The vision of “flourishing”[3] landscapes declared by Chancellor Helmut Kohl soon appeared to be an unredeemed utopia and only served as an ironic metaphor for the deindustrialisation and depopulation of East German industrial regions.[4]
Today, the traces left behind by the largely defunct GDR industry and by the so-called Abbau Ost (economic dismantling of East Germany) are barely recognisable. Many industrial plants were discarded and open-cast mines were flooded. Thirty years later, especially lignite mining sites restored to their natural states seem to fulfill the promising metaphor of “flourishing landscapes”: the industrial wastelands around Bitterfeld, Leipzig or in the Lausitz now attract tourists as partly protected landscapes.
But what happened to the relics of East German industrial culture? Have they fallen into oblivion for good? This question arises when comparing these structural changes with those in West-European coal and steel areas.[5] Since the economic decline in the 1980s, industrial culture has gained tremendous importance in these areas as a historical, cultural and economic resource.[6]
Cultural Oblivion in the Society of Transformation
The comparison with the industrial culture of the Ruhr area [7] reveals that the obliterating and forgetting of East-German industrial culture and its history is merely one aspect of the social transformation and the reunification of Germany after 1990. Until 1990, however, industrial heritage had ranked high on the agenda of GDR monument conservation. The recording and preservation of technical monuments served as a means of materially representing the history of socialist productive forces.[8]
However, this master narrative already waned during the 1980s and disappeared completely after German reunification. In view of the economic collapse, millions of redundancies and residual pollution (hazardous waste), initiatives for the preservation of listed industrial plants in East Germany appeared outdated. The disposal of East German industrial ruins rather confirmed the collapse of the Marxist narrative and symbolised the failure of the socialist planned economy. In contrast, the Aufbau Ost (reconstruction of East Germany) was supposed to create a second German “economic miracle” (Wirtschaftswunder) and thus to affirm the founding myth of the Federal Republic of Germany.
From that point on, historical and political debates in reunified Germany no longer focused on preserving the industrial legacy of the GDR. The centre of attention shifted to investigating the history of dictatorship in the East Germany. The efforts to preserve its memory are reflected in today’s monuments, memorials and museums.[9]
While the national culture of remembrance primarily emphasises the difference between dictatorship and democracy while remembering the history of division and reunification,[10] the newly founded states in East Germany faced a different “Invention of Tradition.” In order to create a sense of origin and future, on the one hand they had to escape the GDR’s narrative of unity and on the other to lay bare historical tradition also beyond a ruptured contemporary history. For this reason, Sachsen-Anhalt reinvented itself as the “cradle of Europe” following the discovery of a Nebra Sky Disk dating from the Bronze Age. In the Lausitz region, Slavic ramparts were built on the edge of a disused open-cast mine. Dresden portrayed itself as a Saxon royal seat. These few examples already illustrate that the industrial heritage did not seem very attractive as a historical-cultural resource in view of the economic crisis and an uncertain future.
Phases of Rediscovery
Regional industrial culture and history could be appropriated only by forgetting it. Using the example of lignite mining regions, let me distinguish four phases of rediscovery:
The first phase (1990–1994) was dominated by ecological damage limitation and the economic management (valorisation) of open-cast mines. However, dealing with the huge industrial wastelands became an important challenge for future landscape design, especially if such spaces were not used economically.
The second phase (from the mid-1990s) was characterised by the discursive appropriation of the industrial heritage. This happened on multiple yet scarcely connected levels. On the one hand, local politics discovered the historical dimension of these areas as strategic resources. On the other, civil society actors tried to make the economic and ecologic transformation tangible through hikes and exhibitions, thereby initiating discussions about the future of brownfield sites from “below.” The Bauhaus Dessau repeatedly initiated projects featuring international scholars, scientists and artists to develop visions of designing post-industrial landscapes — not least with a view to pioneering industrial projects in the Ruhr and Emscher regions.[11]
The third phase (from 2000) was predominantly influenced by national but also European structural development programmes aimed at changing the image and economic use of the polluted industrial regions. Examples include the EXPO 2000 project “Industrielles Gartenreich,” developed by the Bauhaus Dessau,[12] or the “Internationale Bauausstellung Fürst-Pfückler-Land 2000–2010.”[13]
The fourth phase (from 2010) marks the institutionalisation, networking and marketing of industrial areas. Industrial culture is now transformed into a local brand. Thus, for example, Sachsen-Anhalt has been celebrating the Day of Industrial Culture since 2008,[14] Sachsen declared 2020 as the year of industrial culture [15] and Brandenburg showcased its industrial history in 2021.[16]
Differentiation and Recognition
The networking and marketing of East Germany’s industrial culture resembles that of the Ruhr area in many respects, including the development of an event culture that uses industrial relics solely as scenery.[17] However, the specific regional function of that industrial culture is gaining ground in different narratives.
• First, industrial relics like the “liegender Eiffelturm” (lying Eiffel tower) in the Lausitz [18] serve to present GDR technology as success story and thus claim recognition for ambivalent biographical experiences (“work despite of Socialism”).
• Secondly, a narrative is emerging along the regional routes of industrial culture that describes change as continuity and promotes the ability to change as the “transformation competence” of a region and its inhabitants. Thus, not the end of GDR industry is being staged, but the longue durée of regional industrial culture. The relics of GDR industrial culture and the stories and memories associated with them fit into this 200-year history. Along the routes of industrial culture, change is thus staged as experienceable but also as formable.[19]
• Thirdly, the success story and the problems of ecological change, and thus perhaps even a narrative of progress of post-industrial society, are assuming shape in the renatured brownfield sites. This narrative is staged primarily by Lausitz tourism authorities as unique in Europe.[20]
Besides these identity-relevant narratives, diverse local and regional industrial, technological and corporate histories can be discovered along the routes of industrial culture in Sachsen, Brandenburg or Sachsen-Anhalt. These histories are also presented as part of the history of industralisation in Europe. In this long history of Europe’s industrial age, GDR history is only a regional, but in terms of identity still a relevant chapter among others.
So far, these diverse histories do not amount to a new master narrative. Rather, their variety and coexistence foster a reflexive appropriation of the past. However, this article suggests that the reappropriation of industrial heritage on the regional level offers the opportunity to differentiate the national master narrative of dictatorship, to historicise GDR history and to recognise East German experiences of transformation as a cultural resource. In retrospect, the discarding and the looming oblivion of GDR industrial sites in reunified Germany demand that the material heritage of GDR industry be reappropriated as regional industrial culture.
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Further Reading
- Ahne, Marina, and Gibas, Monika, ed., Mitteldeutsche Industrielandschaften im 19./20. Jahrhundert. Außendarstellung, Fortschrittsglauben und regionale Identifikation, Sonderauflage der Landeszentrale für politische Bildung Sachsen-Anhalt. Magdeburg: Sachsen-Anhalt Landeszentrale für Politische Bildung, 2017.
- Berger, Stefan, ed., Constructing industrial pasts. Heritage, historical culture and identity in regions undergoing structural economic transformation, Making sense of history, Volume 38. New York / Oxford: berghahn, 2020.
- Bogner, Simone et al., ed., Denkmal – Erbe – Heritage. Begriffshorizonte am Beispiel der Industriekultur = Monument – patriomony – heritage. Industrial heritage and the horizons of terminology, Veröffentlichungen des Arbeitskreises Theorie und Lehre der Denkmalpflege e.V, Bd. 27, Holzminden: Verlag Jörg Mitzkat, 2018, https://books.ub.uni-heidelberg.de/arthistoricum/reader/download/374/374-16-82606-1-10-20181024.pdf (last accessed 23 May 2022).
Web Resources
- “Industriekultur im Land Brandenburg.” TMB Tourismus-Marketing Brandenburg GmbH, https://www.reiseland-brandenburg.de/aktivitaeten-erlebnisse/kultur/industriekultur/ (last accessed 23 May 2022).
- “Akteure und Erlebnisorte.” https://www.industriekultur-in-sachsen.de/erleben/akteure-erlebnisorte/ (last accessed 23 May 2022).
- metropolregion mitteldeutschland, “Industriekultur in Mitteldeutschland. Handlungsempfehlungen.” https://www.mitteldeutschland.com/wp-content/uploads/2020/10/191118handlungsempfehlungenindustriekulturmitteldeutschlandfinal.pdf (last accessed 23 May 2022).
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[1] See Ilko-Sascha Kowalczuk, Die Übernahme. Wie Ostdeutschland Teil der Bundesrepublik wurde, Originalausgabe, (Ort: C.H. Beck Paperback, 2019), 110–36; Thomas Großbölting, Wiedervereinigungsgesellschaft. Aufbruch und Entgrenzung in Deutschland seit 1989/90, Schriftenreihe / Bundeszentrale für Politische Bildung Band 10610 (Bonn: Bundeszentrale für politische Bildung, 2020), 390–410.
[2] See Steffen Mau, Lütten Klein. Leben in der ostdeutschen Transformationsgesellschaft, Sonderausgabe für die Bundeszentrale für politische Bildung, Schriftenreihe Band 10490 (Bonn: Bundeszentrale für politische Bildung, 2019); Marcus Böick, “Jammertal statt Wirtschaftswunder? Der ostdeutsche Wirtschaftsumbau und seine Folgen in Sieben Schlaglichtern,” in Umbruchserfahrungen. Geschichten des deutschen Wandels von 1990 bis 2020. Erzählt von ostdeutschen Sachverständigen, eds. Michael Hofmann, 1st edition (Münster: Westfälisches Dampfboot, 2020), 120–136.
[3] “Rundfunk- und Fernsehansprache von Bundeskanzler Helmut Kohl, 2. Oktober 1990,” https://www.chronik-der-mauer.de/material/180425/rundfunk-und-fernsehansprache-von-bundeskanzler-helmut-kohl-2-oktober-1990 (last accessed 23 May 2022).
[4] See e.g. Thomas Ahbe, “Revolution und Vereinigung. Viele Erfahrungen und eine Große Erzählung,” Journal für politische Bildung 9, no. 4 (2019), 10–17.
[5] See Lutz Raphael, Jenseits von Kohle und Stahl. Eine Gesellschaftsgeschichte Westeuropas nach dem Boom. Frankfurter Adorno-Vorlesungen 2018, 1st edition, Frankfurter Adorno-Vorlesungen 2018 (Berlin: Suhrkamp, 2019).
[6] See Peter Itzen, and Christian Müller, eds., The invention of industrial pasts. Heritage, political culture and economic debates in Great Britain and Germany, 1850 – 2010, Beiträge zur England-Forschung 69 (Augsburg: Wißner, 2013); Stefan Berger, ed., Constructing industrial pasts. Heritage, historical culture and identity in regions undergoing structural economic transformation, Making sense of history, Volume 38 (New York / Oxford: berghahn, 2020).
[7] See Stefan Berger, and Jana Golombek, “Memory Culture and Identitity Constructions in the Ruhr Valley in Germany,” in Constructing industrial pasts. Heritage, historical culture and identity in regions undergoing structural economic transformation, ed. Stefan Berger, Making sense of history, Volume 38 (New York / Oxford: berghahn, 2020), 294–314; Helen Wagner, “Authentische Symbole der Region. Zur Transformation des Ruhrgebiets von einer Industrielandschaft zur ‛Kulturlandschaft neuen Typs’ anhand der Route der Industriekultur,” in Authentizität und industriekulturelles Erbe, eds. Michael Farrenkopf, und Torsten Meyer (Oldenbourg: De Gruyter, 2020), 219–242.
[8] See Katrin Kruner, “Der Authentizitätsbegriff in der Technischen Denkmalpflege der Deutschen Demokratischen Republik,” in Authentizität und industriekulturelles Erbe, eds. Michael Farrenkopf, und Torsten Meyer (Oldenbourg: De Gruyter, 2020), 293–308; Alexander Kierdorf, und Uta Hassler, Denkmale des Industriezeitalters. Von der Geschichte des Umgangs mit Industriekultur (Tübingen / Berlin: Wasmuth, 2000), 53f.
[9] See Anna Kaminsky, ed., Orte des Erinnerns. Gedenkzeichen, Gedenkstätten und Museen zur Diktatur in SBZ und DDR, 3rd, revised and expanded edition (Berlin: Ch. Links Verlag, 2016).
[10] See Martin Sabrow, “Die DDR erinnern,” in Erinnerungsorte der DDR, ed. Martin Sabrow, Lizenzausg, Schriftenreihe / Bundeszentrale für Politische Bildung Bd. 1116 (Bonn: Bundeszentrale für politische Bildung, 2010), 9–27.
[11] See Stiftung Bauhaus Dessau, ed., Industrielles Gartenreich: Dessau – Bitterfeld – Wittenberg, 2 vols. (Berlin: Ex Pose-Verlag, 1996/1999).
[12] See Christian Hartwig Müller-Krug, Das Bauhaus und die Gestaltung mitteldeutscher Bergbaufolgelandschaften. Ein Beitrag zur Kunst- und Kulturlandschaftsforschung, Mitteilungen der Geographischen Gesellschaft in Hamburg 93 (Stuttgart: Steiner, 2002).
[13] See Internationale Bauausstellung (IBA) Fürst-Pückler-Land, ed., Verwundete Landschaft neu gestalten. Die IBA-Werkstatt in der Lausitz (Berlin: Jovis, 2012); Internationale Bauausstellung (IBA) Fürst-Pückler-Land, http://www.iba-see2010.de/ (last accessed 23 May 2022).
[14] See “Die Zukunft Erinnern: Industriekultur in Sachsen-Anhalt,” Mitteldeutsche Gesellschaft für Industriekultur e.V., https://industrietourismus.de/ (last accessed 23 May 2022).
[15] “Industrie. Kultur. Sachsen. 2020,” Landesverband Industriekultur Sachsen e.V., https://www.industriekultur-in-sachsen.de/ (last accessed 23 May 2022).
[16] Brandenburgische Gesellschaft für Kultur und Geschichte, ed., Zukunft der Vergangenheit. Industriekultur in Bewegung (Berlin: L&H Verlag, 2021).
[17] See “Ferropolis,” FERROPOLIS GmbH, https://www.ferropolis.de/ (last accessed 23 May 2022); Christian Krajewski, “Tourismus und Industriekultur in Brandenburger Bergbaufolgelandschaften,” in Tourismus und Industriekultur. Vermarktung von Technik und Arbeit, ed. Jürgen Schwark, 1st editio., Schriften zu Tourismus und Freizeit 2 (Berlin: Schmidt, 2004), 151–178.
[18] See “Besucherbergwerk F60,” https://www.f60.de/ (last accessed 23 May 2022).
[19] See e.g. Oliver Brehm, and Jürgen Kabus, eds., 25 Jahre Industriemuseum Chemnitz: Industrie im Wandel erleben, Industriearchäologie 17 (Chemnitz: Zweckverband Sächsisches Industriemuseum, 2016).
[20] Antje Boshold, “Bergbauregion Lausitz im Wandel: Liegende Eiffeltürme und Canyonlandschaften in der IBA Fürst-Pückler-Land,” in Tourismus und Industriekultur: Vermarktung von Technik und Arbeit, ed. Jürgen Schwark, 1st edition, Schriften zu Tourismus und Freizeit 2 (Berlin: Schmidt, 2004), 179–188.
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Image Credits
Ferropolis Mainstage 360deg © Aviorausch CC BY-SA-3.0 via Commons.
Recommended Citation
Handro, Saskia: Discarded and Forgotten? The Legacy of GDR Industrial Culture. In: Public History Weekly 10 (2022) 4, DOI: dx.doi.org/10.1515/phw-2022-19818.
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Categories: 10 (2022) 4
DOI: dx.doi.org/10.1515/phw-2022-19818
Tags: East Germany (DDR), Economic History (Wirtschaftsgeschichte), Identity (Identität), Industrial Culture (Industriekultur), Language: German, Oblivion (Vergessen), Socialism (Real-existierender Sozialismus)
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OPEN PEER REVIEW
Blossoming Landscapes. The Rediscovery of East German Industrial Heritage
Has an industrial-cultural identity phoenix been emerging from the post-socialist ashes of liquidation in East Germany for some years now? The essay to be discussed breaks new ground with an in-depth and partly comparative analysis of the change in industrial-cultural arrangements in East Germany – in a very welcome way. The (asymmetrical) interconnections, references and also demarcations between regions in Germany, which were particularly marked in the last third of the 20th century by post-industrial upheavals and transitions, some abrupt and short-lived (in the southern GDR), some gradual and long-lasting (in the Ruhr or the Saar), are convincingly sketched out as a field of future research and debate that is both fertile and rich.
The article basically describes a two-step process: An initially very rapid process of “forgetting” an apparently completely devalued industrial cultural landscape in the early 1990s in the context of the massive de-industrialisation of often traditional industrial sites as a result of privatisation/closure was followed in several waves since the mid-1990s by local initiatives (“from below”), regional impulses (“from above”) and museum institutionalisations in the wake of the corresponding local, regional and state “rediscoveries” of the industrial cultural heritage. Such rediscoveries would at the same time offer new cultural narratives of remembrance, which would also offer positive identity-building alternatives to the “national master narrative” of the GDR dictatorship, which was dominant for a long time and often had negative overtones: for example, a local history of technology as a “success story”, a long-term understanding of “change as continuity” and a successive transition from a post-industrial “history of problems” into an ecological history of progress.
The periodisations developed in the essay as well as the narrative patterns presented appear extremely plausible. Comprehensive references between East and West are also repeatedly hinted at (although not yet elaborated in depth). Therefore, future research projects will have to consistently ask further questions: especially about concrete places and actors as well as programmes and practices. Especially dealing with often very diverse as well as long-term sediments or even “darker” layers of industrial-cultural “deposits” (especially also from the time before the GDR – above all from the NS or the empire or overall from the long 19th century) would seem to be highly interesting on a content-related level. Here one could also think of counteracting ongoing processes of an increasing disappearance of the GDR heritage through decay/demolition in many places or their rather silent transformation into non-places or “lost places” (cf. e.g. the works of Nicholas Offenstadt). After reading the article, it becomes more than clear that, in addition to domestic German perspectives – with all the associated methodological and theoretical challenges – transnational, European or even global transfers and comparative perspectives are increasingly becoming central desiderata.
Beyond overarching references, the discussed discursive processes and narrative offers would have to be problematised even more precisely on a micro or meso level (of identity construction or creation): Who or which audience appropriates such “offers” at all and how so? How do foreign and self-perceptions relate to each other? Can industrial cultural arrangements really, as the article rather optimistically assumes, possibly create positive identity-political references in regions, communities or groups that have often suffered very long-term from material and cultural marginalisation (such as unemployment, poverty or emigration) – quasi as an industrial cultural “antidote” to right-wing populist promises of reviving the lost glory of the old days? More scepticism or at least mistrust would seem to be in order here, as well as interdisciplinary exchange between history, social and cultural sciences in particular.
Finally, the common talk of post-industrialism and its political treatment of the past obscures to some extent the still very industrial basis of economic activity and work, not only in (East) Germany. The mere presence of industrial museums or other cultural after-uses can certainly not in itself act as a cultural “substitute”, especially in particularly remote regions and peripheries that lack materially underpinned ownership, property and labour relations as well as knowledge-society starting points like universities: It is precisely in these “lost regions” that the image policies investigated are likely to reach their limits quickly and would have to be integrated into overarching settings; otherwise, industrial-cultural references could perhaps even be read in a counterproductive way as elevating monuments of past greatness and present disregard.
All in all, the observations made in the article are very interesting and provoke further research questions, which on the one hand focus on places/actors/practices/topics, but on the other hand can also adopt comparative local, regional, national, transnational, European as well as global transfer and comparison perspectives, following on from recent works by Helen Wagner or Stefan Berger, for example. Particularly in the context of a new “wave” of historical, now often source-supported transformation research, the historical sciences could make innovative and stimulating contributions in one of their very own subject areas – the culture of memory – which could also have an impact on broader social controversies. However, whether the often polemically cited “blossoming landscapes” in the culture of remembrance will finally mean a late happy ending for the German East (however one may define it) remains to be seen.
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Blühende Landschaften. Die Wiederentdeckung ostdeutscher Industriekultur
Entsteht in Ostdeutschland seit einigen Jahren ein industriekultureller Identitäts-Phönix aus der postsozialistischen Abwicklungs-Asche? Der zu besprechende Essay betritt durch eine eingehende und teils vergleichende Analyse des Wandels industriekultureller Arrangements in Ostdeutschland Neuland – und das in begrüßenswerter Weise. Die (asymmetrischen) Verflechtungen, Bezugnahmen sowie auch Abgrenzungen zwischen Regionen in Deutschland, die gerade im letzten Drittel des 20. Jahrhunderts besonders von teils abrupt-kurzfristigen (in der südlichen DDR), teils graduell-langfristigen (an der Ruhr oder der Saar) postindustriellen Umbrüchen und Übergängen geprägt wurden, werden überzeugend als voraussetzungsvolles wie ertragreiches Forschungs- und Debattenfeld skizziert.
Der Beitrags beschreibt im Grunde einen zweischrittigen Prozess: Auf einen zunächst sehr rapide einsetzenden Prozess des „Vergessens“ eines scheinbar vollauf entwerteten industriekultureller Bezüge in den frühen 1990er-Jahren im Kontext der massiven De-Industrialisierung oftmals traditionsreicher Industriestandorte infolge von Privatisierungen/Schließungen, seien anschließend in mehreren Wellen seit Mitte der 1990er-Jahre durch lokale Initiativen („von unten“), regionale Impulse („von oben“) sowie museale Institutionalisierungen entsprechende lokale, regionale wie landesstaatliche „Wiederentdeckungen“ des industriekulturellen Erbes gefolgt. Derlei Wiederaneignungen würden zugleich neue Narrative bzw. erinnerungskulturelle Erzählungen offerieren, die sich mithin auch als positiv-identitätsstiftende Alternativen zur lange Zeit dominanten wie oftmals negativ getönten „nationalen Meistererzählung“ der DDR-Diktatur anböten: etwa einer örtlichen Technikgeschichte als „Erfolgsgeschichte“, eines langfristigen Verständnis vom „Wandel als Kontinuität“ sowie eines sukzessiven Übergangs von einer postindustriellen Problem- hin zu einer ökologischen Fortschrittsgeschichte.
Die im Essay entfalteten Periodisierungen sowie die vorgestellten Erzählmuster erscheinen überaus plausibel. Auch umfassende Bezugnahmen zwischen Ost- und West werden immer wieder angedeutet (wenngleich noch nicht vertiefend ausgeführt). Daher wird man in künftigen Forschungsprojekten konsequent weiter bzw. tiefer fragen müssen: insbesondere nach konkreten Orten und Akteuren sowie Programmen und Praktiken. Gerade auch der Umgang mit oftmals sehr diversen wie langfristigen Sedimenten bzw. auch „dunkleren“ Schichten industriekultureller „Ablagerungen“ (insbesondere auch aus der Zeit vor der DDR – vor allem des NS oder des Kaiserreichs bzw. insgesamt des langen 19. Jahrhunderts) schiene auf einer inhaltlichen Ebene hochinteressant. Hier wäre dabei auch auf entgegenwirkende und allzu manifeste gegenläufige Prozesse eines zunehmenden Verschwindens des DDR-Erbes durch Verfall/Abriss an vielen Orten bzw. deren eher stille Verwandlung in Nicht-Orte bzw. „Lost Places“ zu denken (vgl. z.B. die Arbeiten von Nicholas Offenstadt). Dass neben innerdeutschen – bei allen damit einhergehenden methodischen sowie theoretischen Herausforderungen – zunehmend auch transnationale, europäische oder gar globale Transfer- und Vergleichsperspektiven zu zentralen Desideraten zählen, wird gerade auch nach Lektüre des Artikels mehr als deutlich.
Jenseits übergreifender Bezugnahmen wären die thematisierten diskursiven Prozesse und narrativen Angebote auf einer Mikro- bzw. Vermittlungsebene (der Identitätskonstruktion bzw. -stiftung) noch genauer zu problematisieren: Wer bzw. welches Publikum eignet sich derlei „Angebote“ überhaupt und wie konkret an? Wie verhalten sich dabei etwa Fremd- und Selbstwahrnehmungen zueinander? Können industriekulturelle Arrangements wirklich, wie der Artikel es eher optimistisch annimmt, womöglich positive identitätspolitische Bezüge in Regionen, Schichten oder Gruppen stiften, die oftmals sehr langfristig unter materiellen wie kulturellen Marginalisierungen (wie Arbeitslosigkeit, Armut oder Abwanderung) gelitten haben – quasi als industriekulturelles Gegengift zu rechtspopulistischen Verheißungen? Hier schiene dann doch mehr Skepsis oder zumindest Misstrauen sowie insbesondere auch interdisziplinärer Austausch zwischen Geschichts-, Sozial- und Kulturwissenschaften angebracht.
Schließlich verdeckt auch die gängige Rede vom Postindustrialismus und seinen vergangenheitspolitischen Bearbeitungen ein Stück weit die bisweilen noch sehr industrielle Basis des Wirtschaftens und Arbeitens nicht nur in (Ost-)Deutschland. Die bloße Präsenz von Industriemuseen oder anderen kulturellen Nach-Nutzungen kann dabei für sich genommen sicherlich kaum als kultureller „Ersatzstoff“ vor allem in besonders abgehängten Regionen und Peripherien wirken, denen es an auch materiell an unterfütterten Besitz-, Eigentums- und Arbeitsverhältnissen sowie wissensgesellschaftlichen Ansatzpunkten (Universitäten/Hochschulen) mangelt: gerade in diesen Problemregionen dürften die untersuchten Image-Politiken allein dann doch auch an ihre Grenzen stoßen und müssten in übergreifende Settings eingebunden sein; industriekulturelle Bezüge könnten andernfalls für sich genommen dann vielleicht sogar in kontraproduktiver Weise als höhende Monumente früher Größe und heutigen Missachtung gelesen werden.
Insgesamt sind die im Artikel gemachten Beobachtungen sehr interessant und provozieren zu weiteren Forschungsanstrengungen, die einerseits konkrete Orte/Akteure/Praktiken/Themen fokussieren, andererseits aber auch vergleichende lokale, regionale, nationale, europäische wie globale Transfer- und Vergleichsperspektiven einnehmen können, anknüpfend etwa an jüngste Arbeiten von Helen Wagner oder Stefan Berger. Gerade im Kontext einer soeben aufbrandenden, neuen „Welle“ einer historischen, nun oft quellengestützten Transformationsforschung könnten die Geschichtswissenschaften hier auch auf einen ihrer ureigenen Themenfeldern – der Erinnerungskultur – innovative wie anregende Beiträge leisten, die auch in breitere gesellschaftliche Kontroversen hineinwirken dürften. Ob dabei die oft polemisch zitierten „blühenden Landschaften“ in der Erinnerungskultur für den Osten (wie man ihn auch immer definieren mag) nun endlich auch ein spätes Happy End bedeuten werden – das bleibt allerdings noch abzuwarten.
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Saskia Handro lenkt mit ihrem Beitrag die Aufmerksamkeit auf das Ende des Vergessens bzw. Beschweigens und den Prozess der Wiederentdeckung industrieller Hinterlassenschaften der DDR im Osten Deutschlands. Sie umreißt damit ein bislang wenig beachtetes, jedoch ausgesprochen anregendes und zukunftsträchtiges Forschungsfeld für die Geschichtswissenschaft im Allgemeinen, besonders jedoch für die Public History.
Handro betont, dass der Prozess der Konstruktion einer DDR-Industriekultur im Osten von unterschiedlichen Akteur*innen, seit Mitte der 1990er Jahre auch „von unten“ getragen wird. In der Tat hat sich der Kreis der aktiv Handelnden auf dem Feld der Industriekultur in Ostdeutschland merklich ausdifferenziert. Es gibt eine Vielzahl von Initiativen, die sich zivilgesellschaftlich, oft ehrenamtlich und in Eigenregie mit den industriellen Hinterlassenschaften ihrer Städte, Gemeinden und Regionen beschäftigen. Die Auseinandersetzung mit den Relikten der DDR-Industrie steht oft nicht exklusiv auf ihrer Agenda. Sie ist vielmehr eingebettet in die von Handro angesprochene „longue durée regionaler Industriegeschichte“. Ein in dieser Hinsicht aussagekräftiges Beispiel ist das Netzwerk „Industriekultur Ost“. Es versteht sich als „junges und kreatives Kollektiv“ das die „bedrohte Industriekultur“ im Osten Deutschlands bewahren und in einem „Aufklärungs- und Kreativprozess“ wieder stärker ins Bewusstsein der Menschen holen möchte. Die jungen Kreativen dokumentieren nicht nur den Verfall von Industriearchitektur, sie retten auch, was noch zu retten ist – und betreiben in Zwickau ein Notdepot, wo bedrohte Architekturelemente eingelagert werden können. In Kooperation mit anderen Initiativen kümmert sich das Netzwerk etwa um den Erhalt historischer Schaftwebstühle als Relikt der sächsischen Textilindustrie ebenso wie um die Sicherung einer DDR-Neonschrift von einem Abrissgebäude in der Dresdner Johannstadt. Die von Handro als zweite Phase (ab Mitte der 1990er Jahre) gekennzeichnete Aneignung der Industriegeschichte „von unten“ hält also durchaus auch in der digital vernetzten Gegenwart an. Zu fragen wäre, wie sich die Motivationen, Handlungsspielräume und letztlich die Narrative der Akteur*innen seither verändert haben: Was bewegt junge Menschen ohne eigene biographische Berührungspunkte dazu, sich so intensiv mit der Industriegeschichte – auch der DDR – zu beschäftigen? Bringt die neue Generation mit veränderten Fragen auch einen kritischen Umgang mit der Industriekultur und der damit verbundenen Transformation in Ostdeutschland in den Diskurs ein?
Unter dem Aspekt der „longue durée regionaler Industriegeschichte“ wäre es außerdem spannend, das UNESCO Welterbe Montanregion Erzgebirge/Krušnohoří näher zu betrachten. Erwähnenswert ist vor allem der grenzüberschreitende Aspekt der Welterberegion, die aus 17 sächsischen und fünf tschechischen Bestandteilen besteht. Im Fokus steht ganz klar die 850-jährige Bergbaugeschichte des Erzgebirges. Doch welche Rolle spielt die jüngste Geschichte dieser Anlagen und ihre Nutzung in der DDR bzw. der CSSR in den jeweils entworfenen Geschichten der einzelnen Orte? Werden im Zuge der stärkeren Vermarktung neben der weit zurückreichenden Geschichte des Montanbergbaus auch Elemente der Industriegeschichte der DDR und CSSR zur regionalen, grenzüberschreitenden Identitätsbildung genutzt? Auch hier stellt sich die Frage der Akteur*innen: Welche Praktiken der Aushandlung und Vermittlung historischen Wissens finden konkret durch wen an den Welterbestätten statt?
Ein weiteres Beispiel macht Übergänge zwischen den von Handro vorgeschlagenen Perioden der Aneignungsgeschichte industrieller Vergangenheiten deutlich. Elemente aus der dritten und vierten Phase sehen wir etwa in der Verleihung des Titels Kulturhauptstadt Europas 2025 an das sächsische Manchester – also Chemnitz. Der prestigeträchtige und bestens dotierte europäische Titel birgt auch die Möglichkeit, sich der eigenen Geschichte reflektierend zuzuwenden und eine öffentlichkeitswirksame Auseinandersetzung mit der Vergangenheit zu stimulieren. Dafür gibt es inzwischen viele Beispiele. Die ehemalige oberschlesische Industriemetropole Katowice hatte sich während der Bewerbungsphase um den Titel 2016 eine grüne Zukunftsvision als Gartenstadt zur Zielmarke gesetzt. Dafür wurden auch alternative Narrationen zum Mainstream als Bergbau- und Schwerindustriestandort geschaffen, um die „grüne“ Zukunft gestaltbar zu machen.
Auf der Internetpräsenz der angehenden Kulturhauptstadt Chemnitz wird das „reiche kulturelle Erbe“ als wichtiger Faktor zwar hervorgehoben, bleibt aber eher unbestimmt. Chemnitz präsentiert sich vielmehr als Stadt der Macher*innen, die sie „zu allen Zeiten“ geprägt hätten. Damit rückt – neben vielen anderen Aspekten – eine spezifische Kultur des Machens, des DIY, der Autodidakt*innen in den Fokus. Um diese zur Geltung zu bringen, schlägt das Chemnitzer Bid Book spannende Wege ein – etwa die Auseinandersetzung mit der Garagenkultur der DDR im Stadtraum oder die partizipative Umgestaltung des ehemaligen Betriebshofes der Chemnitzer Verkehrsbetriebe zu einem ganzen Garagencampus. Unentdecktes Gestaltungspotential in Bezug auf den Ort soll hier freigelegt werden, vielleicht entstehen auf dem Garagencampus nach Inbetriebnahmen 2025 auch ungewöhnliche und neue Formen kollaborativen Arbeitens – ganz im Sinne des Mottos (Selber)Machen. Ob damit auch eine Reflexion vergangener Arbeits- und Industriekulturen in Chemnitz einhergeht, wird sich in den kommenden Jahren zeigen.
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Transregional vergleichende Forschung!
Neuere Forschungen zur Transformationsgeschichte lenken den Blick der Geschichtswissenschaft zunehmend auch auf Deindustrialisierungsprozesse in der ehemaligen DDR. Mit ihrem Beitrag fokussiert Saskia Handro die erinnerungskulturelle Dimension dieses Transformationsprozesses und liefert mit der Frage nach der Bedeutung des Vergessens einen innovativen Ansatz, der viele Anknüpfungspunkte für eine transregional vergleichende Perspektive bietet.
Mit dem analytischen Schritt über das Vergessen hin zur Aneignung regionaler Industriekultur durch Wiederentdeckung gelingt es Handro, vier Entwicklungsphasen zu identifizieren, die als Grundgerüst für zukünftige Forschung dienen können. Auf dieser Grundlage ließen sich die von Marcus Böick aufgeworfenen Fragen nach konkreten Praktiken und Akteur:innen innerhalb dieses Aneignungsprozesses ebenso verfolgen wie die von Juliane Tomann zur Diskussion gestellten Punkte generationeller Spezifik und grenzüberschreitender Identitätsbildung. Da die Forschung zur Industriekultur des Ruhrgebiets häufig – wie auch hier von Handro – als Referenz für vergleichende Forschung zur erinnerungskulturellen Aneignung von Industriegeschichte herangezogen wird, liefert der Beitrag auch Anregungen, um die Bedeutung des Vergessens für das Erinnern in Bezug auf die Industriekultur im Ruhrgebiet genauer zu reflektieren.
Interessant erscheinen hier insbesondere die von Handro herausgearbeiteten Parallelen und Unterschiede in der industriekulturellen Entwicklung des Ruhrgebiets und der ehemaligen DDR. So hält sie unter anderem fest, dass die von ihr identifizierten Phasen der Aneignung durch Wiederentdeckung zwar verschiedene identitätsstiftende Narrative hervorgebracht, diese sich in der ostdeutschen Transformationsgesellschaft jedoch noch nicht zu einer neuen Meistererzählung zusammengefügt hätten. Der Gegensatz zum Ruhrgebiet, dessen Selbst- und Fremdbild in allererster Linie auf der Narrativierung seiner industriellen Vergangenheit aufbaut, ist hier offenkundig.
Die Betrachtung der im Ruhrgebiet entstandenen Meistererzählung könnte aber über den von Handro gewählten Fokus auf die Bedeutung des Vergessens an analytischer Schärfe gewinnen. Eine durch die Thesen von Pia Eiringhaus und Jan Kellershohn angestoßene Diskussion zu Exklusivität, inhaltlicher Engführung und Ausrichtung der regionalen Meistererzählung seit Stilllegung der letzten noch fördernden Zeche des Ruhrgebiets im Dezember 2018 hat bereits gezeigt, dass ihre identitätsstiftende Funktion inzwischen durchaus umstritten ist.[1] Vergessen scheint allerdings zuweilen, dass diese Funktion schon im Entstehungsprozess der zukünftigen Meistererzählung in den 1980er und 1990er Jahren umstritten war und auch der bewahrende Erhalt heutiger regionaler Landmarken wie der in Essen gelegenen Stätte des UNESCO-Weltkulturerbes Zeche Zollverein oder des Oberhausener Gasometers keineswegs von Anfang an Konsens war. Vielmehr gab es auch hier Pläne für einen teilweisen oder vollständigen Abriss, die angesichts des heute unumstritten scheinenden Denkmalwerts vielfach nicht mehr im Gedächtnis sind.
Eine Parallele lässt sich dagegen in der inhaltlichen Ausrichtung der regionalen Meistererzählung des Ruhrgebiets erkennen, denn auch hier spielt die von Handro für die ehemalige DDR konstatierte Erzählung einer Kontinuität des Wandels eine bedeutende Rolle. So kommt auch im Ruhrgebiet den materiellen Relikten der Industriegeschichte entlang touristisch erschlossener Routen ein hoher Symbolwert in der Veranschaulichung einer besonderen Transformationskompetenz der Region zu, deren Zukunftsfähigkeit sich hier gerade im Umgang mit ihrer Vergangenheit zeigen soll.
Aber gerade die heutige Präsenz der häufig als Kulturstätten umgenutzten Industriebauwerke lässt bisweilen vergessen, dass dieser Symbolwert in den 1990er Jahren auch im Ruhrgebiet keineswegs nur auf breite Zustimmung stieß. Vielmehr gab es auch hier Stimmen, die befürchteten, dass die wie Dinosaurier aus einem vergangenen Industriezeitalter anmutenden Gebäude fortschrittshemmend und rückwärtsgewandt wirken könnten. In der diskursiven Aushandlung dieses Konflikts spielte der Topos des Vergessens eine wichtige Rolle, da gerade aus Sicht geschichtskultureller Akteur:innen die vermeintliche Geschichtsvergessenheit der jungen Region eine Auseinandersetzung mit ihrer industriellen Vergangenheit für die Suche nach einer postindustriellen Zukunft besonders dringlich erscheinen ließ.[2]
Die kostenintensive Unterschutzstellung von Industriebauwerken und die mit dem Denkmalschutz einhergehenden Einschränkungen riefen jedoch die Kritik hervor, dass die Fokussierung auf die Vergangenheit der Region als identitätsstiftendes Alleinstellungsmerkmal eine Gefahr für die Gestaltung ihrer Zukunft bedeuten könnte – eine Diskussion, die jüngst wieder aufgeflammt ist.[3]
Eine Fokussierung auf vergangene Konflikte um das Erinnern zum einen und auf Funktionen des gegenwärtigen Vergessens dieser Konflikte zum anderen könnte der Forschung zur Industriekultur des Ruhrgebiets neue Impulse geben. Diese Blickrichtung scheint insbesondere hinsichtlich der Bedeutung des Ruhrgebiets als Referenz innerhalb transregional vergleichender Forschung vielversprechend, da sie weniger die Perspektive einer Übertragung im Ruhrgebiet etablierter Praktiken der erinnerungskulturellen Aneignung von Industriegeschichte als vielmehr eine kritische Historisierung derselben anvisiert.
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[1] Vgl. Pia Eiringhaus und Jan Kellershohn, „Und wer zahlt die Zeche?,” Frankfurter Allgemeine Zeitung, 18.08.2018.
[2] Vgl. Helen Wagner, Vergangenheit als Zukunft? Geschichtskultur und Strukturwandel im Ruhrgebiet, Beiträge zur Geschichtskultur Band 45 (Köln: Böhlau, 2022).
[3] Vgl. Stefan Berger, „Die Brücke der Solidarität,” Frankfurter Allgemeine Zeitung, 26.04.2021; Stephan Muschick, „Auch die Vergangenheit kann Zukunft verhindern,” Frankfurter Allgemeine Zeitung, 04.05.2021.