Konfliktlinien deutscher Demokratiegeschichtsschreibung

Lines of Conflict in German Historiography of Democracy

Abstract:
The public debate around Hedwig Richters “Democracy” has become a romance-less German affair. This article argues that, until the author responded to critical reviewers, it will be difficult to have a proper academic debate on the book and the history of democracy. Because the debate has revolved around questions of gender and the relationship between the public sphere and historical scholarship, this piece offers some reflections onand the pitfalls of German historiography on democracy.
DOI: dx.doi.org/10.1515/phw-2021-18178
Languages: English, German


Aus Hedwig Richters “Demokratie” ist nun doch eine deutsche Affäre geworden, wie sie Historiker:innen gemeinhin verstehen: also ohne Romantik. Solange die Autorin auf die Fachkritik nicht geantwortet hat, wird es schwer sein, eine Fachdebatte zu führen. Weil die interessierte Öffentlichkeit so kaum über die konkreten wissenschaftlichen Streitpunkte der Demokratiegeschichte aufgeklärt ist, florieren Spekulationen über die ‚wahren‘ Absichten kritischer Fachkolleg:innen. Dabei ist die Fachdebatte an sich konfliktträchtig genug.

Das Wie der Demokratiegeschichte

Was die Sache betrifft, handelt es sich um eine Kontroverse innerhalb des liberalen, also keinen radikaldemokratischen Ideen oder populistischen Strömungen anhängenden Lagers darum, wie über Demokratie und ihre Geschichte unter den aktuellen Bedingungen von Öffentlichkeit, Wissenschaftskommunikation und Politik nachgedacht und geschrieben werden soll. Anders als beim “Historikerstreit” der 1980er Jahre ist die außerfachliche Öffentlichkeit diesmal auch eine Größe, um deren Wert selber gestritten wird: So schien die Fachkritik am “populären” Stil des Demokratie-Buchs auch das fachfremde Publikum herabzusetzen, an das es sich richtet.[1]

Der sachliche Streit ist erst einmal begrüßenswert. Denn er verweist auf die unterschiedlichen Geschichten über Demokratie, die Demokrat:innen erzählen können. Bedauerlich ist allerdings, dass er allzu schnell von systematisch-demokratiegeschichtlichen Fragen, die am Beispiel deutscher Geschichte zu diskutieren wären, wegführte und die Demokratiegeschichte lediglich benutzt, um geschichtspolitisch motivierte Fragen deutscher Nationalhistorie neu aufzurollen: Es geht, mal wieder, um den Ort des Kaiserreichs und um den Ort des Nationalsozialismus in der deutschen Geschichte. Die ursprünglich durchaus auch von Hedwig Richter verfolgte Frage nach den konkreten Erscheinungsformen des Demokratischen in Kaiserreich und NS-Staat ist ebenso in den Hintergrund getreten wie die demokratiewissenschaftlich nicht weniger relevante Frage nach den spezifischen Ausformungen des Demokratischen in den liberaldemokratischen Regimen der Weimarer und der Bundesrepublik. Das große Potenzial, das in der Demokratiegeschichte steckt, die Pluralitäten und historisch denkbaren Spielarten von Demokratie sichtbar zu machen und der breiteren Öffentlichkeit vorzustellen, kommt in dieser Kontroverse gerade leider nicht zur Geltung. Und das liegt, wie Andreas Wirsching in seiner Rezension richtig feststellte, an fehlender begrifflicher Präzision:[2] an der mangelnden Ausbuchstabierung dessen, was historisch-analytisch alles unter dem “Demokratischen” zu fassen ist (und was nicht), und welche Unterscheidungen zwischen zeitgenössischen Demokratieaneignungen oder gar -usurpationen und analytischen Demokratiebegriffen zu treffen sind (um Letzteres geht es bei der Diskussion des Zusammenhangs von Nationalsozialismus und Demokratie). Weil gegenwärtige Deutungskonflikte darum, was Demokratie ist, aber auch Historiker:innen erfassen und ihre Arbeit implizit beeinflussen – weil es sich hier also nicht zuletzt um eine politische Frage handelt –, wäre die Explikation analytischer Demokratieverständnisse umso mehr geboten. Eine solche Transparenz lassen die Beteiligten bislang leider weitgehend vermissen.

Bemerkenswert ist vor diesem Hintergrund, dass der Vorwurf politischer Demokratiepädagogik für jene Historiker:innen reserviert worden ist, die Richters Bücher kritisieren. Angeführt wird dann, sie würden am deutschen Sonderweg festhalten oder die von Richter konstatierten demokratischen Wurzeln Nationalsozialismus (ob hier Ideologie, Bewegung oder NS-Staat gemeint ist, bleibt unklar)[3] nicht anerkennen wollen.[4] Verhüllt wird so die politische Grundierung des Buches selbst, die es zu einem Dokument liberalkonservativer Legitimationswissenschaft macht, garniert mit einer Prise Feminismus.[5] Wie die Modernisierungstheorie der 1950er Jahre[6] (re-)produziert es eine sinnstiftende Erzählung des Liberalismus: Freiheit und Gleichheit siegen, weil Bildung und Kapitalismus voranschreiten und soziale Eliten gemessene Reformpolitik betreiben und die Massen erziehen.

Mutmaßungen über das Eigentliche

Dass historiographische Deutungen von Demokratie auch politische Aussagen transportieren, die wiederum bestimmte staatliche Ausgestaltungen des Demokratischen stützen (im Falle Richters gerade keine, die partizipatorischen Demokratietheorien verpflichtet wären, denn die Massen scheinen bei ihr ja gebändigt werden zu müssen), hätte eine wichtige Lehre der laufenden Debatte werden können.[7] Stattdessen florieren Theorien über persönliche Befindlichkeiten, soziale Machtverhältnisse in der Zunft oder eben geschichtspolitische Absichten, die den kritischen Rezensionen aus der Fachwelt mutmaßlich zugrunde lägen.[8]

Die “deutsche Affäre” hatte es von Anbeginn schwer, eine Fachdebatte zu werden, denn in ihr war ein bestimmtes Duell sehr früh narrativ angelegt: das Duell zwischen der – um einmal die Etiketten zu bemühen – ‚jungen, mutigen und digital-affinen Medienkönigin‘ mit spritzig vorgetragenen, originellen Erweckungsthesen und den ‚alten, professoralen Biedermännern‘ mit Hang zu verstaubter Betroffenheitspädagogik und überlebten Kamellen über die deutsche Sonderbarkeit. Dieses Duell fasziniert viele, und auf Twitter ließ es sich besonders gut entfalten. Mit seinen multimedial aufbereitbaren Kurztexten dient die Plattform Wissenschaftler:innen ja eher als eine Alternativöffentlichkeit, die Spontaneität ermöglicht und keine Publizitätsschranken setzt, aber zu Prägnanz und Pointierung zwingt und die klare These prämiert – erst recht, wenn sie noch humorvoll und unterhaltsam vorgetragen wird. Texte in wissenschaftlichen Formaten erfordern allerdings tatsächlich ein Stück weit jene Performanz, die dann aus Sicht der Twitter-Öffentlichkeit als staubig, bieder, fad gelten kann. Aufgrund seiner medialen Struktur setzte die digitale Plattform ‚Twitter‘, auf die auch der Beck-Verlag in seiner Ankündigung bewusst verwies, von Anfang an den Plot einer “deutschen Affäre”, bei der Performanz und daraus erwachsende Sympathie eine ganz entscheidende Rolle spielt. Es ist deshalb wenig überraschend, dass sich Twitter-User in kruden Thesen darüber ergehen, worum es bei der Richter-Kritik “eigentlich” gehe: etwa um die Verteidigung ordinarialer Privilegien und Erzählungen, um Neid, oder gar um Misogynie.

Ein Fall von Misogynie?

Das Gendern der Debatte, aber auch ihre irreführende Aufladung im Sinne einer Konfrontation der Generationen, hat in diesem Fall leider von der sachlichen Auseinandersetzung weggeführt. Der Eindruck, dass die männlichen Rezensenten sich “maßlos” im Ton vergriffen hätten, führte zu vorschnellen Schlüssen wie jenem, dass Frauen in den Geschichtswissenschaften befürchten müssten, persönlich angegriffen zu werden.[9] Der in Cambridge forschende Historiker Oliver F. R. Haardt deutete die Fachkritik als einen öffentlichen Angriff gegen eine “andere Meinung” und warnte, die Geschichtswissenschaft solle sich nicht wundern, wenn junge Leute so kaum ermutigt würden, “die Mühen einer akademischen Laufbahn auf sich zu nehmen” oder neue Ideen zu entwickeln.[10]

Der wissenschaftliche Nachwuchs, zumal der weibliche, hielt sich, soweit zu sehen, bislang mit Positionierungen weitgehend zurück. Dass dies so ist, sagt viel über die Abhängigkeitsverhältnisse im Wissenschaftsbetrieb wie auch über die Problematik des Misogynievorwurfs aus, weniger aber über eine simple Kausalbeziehung zwischen Geschlecht und Machtasymmetrien. Denn Machtasymmetrien gibt es selbstverständlich auch unter den weiblichen Vertreter:innen des Fachs, und Hedwig Richter spricht mittlerweile als arrivierte Fachvertreterin, nicht als Repräsentantin des sogenannten Nachwuchses (und auch nicht als Repräsentantin der Frauen in der Geschichtswissenschaft).  Der Misogynieverdacht nun mag (junge) Wissenschaftlerinnen zusätzlich hemmen, selber fachliche Kritik zu üben. Denn die Gefahr ist, dann in Kreisen, die diese Debatte als Konfrontation der Geschlechter deuten, als unsolidarisch zu gelten. “Valide Fachkritik an einer Historikerin als reinen Sexismus zu framen” erscheint mancher Historikerin daher nicht als feministischer Einsatz für Geschlechtergerechtigkeit, sondern als Vereinnahmung eines wissenschaftlichen Diskurses und als Ablenkung von den fachlichen Einwänden.[11] Unterm Strich sind die Sprecher in dieser “Affäre” ironischerweise vor allem arrivierte Männer,[12] von denen sich einige geradezu schützend vor eine Professorin werfen, als könne sie nicht für sich selber sprechen. Die Geschlechterperformanz ist jedenfalls klassisch.

Selbstverständlich möchten (junge) Historikerinnen weder misogyne Besprechungen noch paternalistische Rettungsversuche erfahren. Ebenso wenig hilft es ihnen aber, wenn harte Fachkritik pauschal als Misogynie oder Sexismus aufgefasst und so die fachliche Debatte faktisch abgewürgt wird. Selbstverständlich handeln die historischen Rezensionsportale im Sinne des Fachs und seines Außenbilds, wenn sie konsequent redaktionelle Sachlichkeitsstandards durchsetzen. Klar sollte jedoch auch sein, dass die Bücher junger Wissenschaftler:innen nicht im Schongang besprochen oder nur deshalb gelobt werden sollen, weil die Autoren weiblich sind. Auch sollten persönliche Sympathien nicht dazu motivieren, der fachlichen Kritik grundsätzlich zu misstrauen – ebenso wenig wie das Einschlagen der wissenschaftlichen Laufbahn von der Annahme begleitet sein sollte, man könnte fachlicher Kritik entgehen. Zu den Mühen der Forschung gehört die selbstreflexive Verarbeitung methodischer und konzeptioneller Einwände, die offene Auseinandersetzung mit Widerspruch, die aktive Teilnahme an der Fachdebatte und die dadurch mögliche Feindifferenzierung der eigenen Thesen in einem hochspezialisierten Feld. Nur gefeiert zu werden, ist nicht das Ziel von Wissenschaft.

Welche Wissenschaft – welche Öffentlichkeit?

Diese “Affäre” handelt, so ist häufiger zu lesen, auch vom Verhältnis zwischen Wissenschaft und Öffentlichkeit. “Wissenschaft” und “Öffentlichkeit” sind jedoch nicht auf jene reduzierbar, die bislang prominent als Sprecher:innen auftraten. Sie repräsentieren die Systeme, für die sie stehen, aber sie sind deshalb nicht repräsentativ. Am klarsten noch lässt sich vielleicht das Feuilleton in dieser Kontroverse fassen, und seine Haltung ist dabei gespalten.[13] Twitter indes ist als hybride, Wissenschaft und Nicht-Wissenschaft vereinende Plattform zwar ein öffentliches Forum, das große (mediale) Resonanz entfalten kann, doch dort aktiv ist nur eine kleine Minderheit der wissenschaftlichen wie der nicht-wissenschaftlichen Beobachter:innen, die sich in der “deutschen Affäre” ein Urteil bilden mögen.

Von besonderer Verzerrung betroffen ist in dieser ganzen Angelegenheit jedoch “die” Wissenschaft. Ein Missverständnis liegt vor allem darin, historische Sachbücher mit der akademischen Geschichtswissenschaft zu verwechseln. Historiographie geht aber nicht in den Synthesen der wenigen Autor:innen auf, die für Publikumsverlage schreiben und dabei bestimmte Erzählungen anbieten.[14] Was als historische Spezial- oder Grundlagenforschung gilt und damit den differenzierten Forschungsstand produziert, ist selten im Publikumsverlag erschienen und damit dem Blick des deutschen Feuilletons meist entzogen, das sich, jedenfalls in Deutschland, zumal eher für ein enges Themenspektrum interessiert. Die Herabwürdigung des historischen Fachs als medioker, die dann den Stern Hedwig Richters besonders hell leuchten lassen soll,[15] resultiert so, neben einer irritierenden Dichotomisierung, im Wesentlichen aus dem Unwillen oder der objektiven Unmöglichkeit angesichts ihrer schieren Anzahl, in der Breite der sich immer weiter spezialisierenden historischen Forschung die wichtigen Fachbücher zur Kenntnis zu nehmen. Gerade das vermeintlich Provokante und Originelle an Richters Sachbuch, die Diskussion der Dialektik von Diktatur und Demokratie, hat in der aktuellen Geschichtswissenschaft längst Handbuchstatus erlangt: Man blicke dazu ins Oxford Handbook of Modern German History von 2011.[16] Aus dem fachlichen Widerspruch gegen Richters Buch zu schließen, ‚die‘ akademische Geschichtswissenschaft wolle nicht systematisch über die Zusammenhänge von Demokratie und Diktatur nachdenken, ist mithin falsch.

Was die Publikationen der Geschichtswissenschaft interessant macht, sind nicht unbedingt die großen Erzählungen und die starken Thesen, sondern die Wege, die Historiker:innen gehen, um zu neuen Einsichten über das Funktionieren von Gesellschaften zu kommen. Rezensionen sind dazu da, diese Wege auf ihre Nachvollziehbarkeit zu prüfen. Feuilleton und außerfachliches Publikum können daran teilhaben. Doch sollte das interessierte Publikum umgekehrt auch den Respekt, das Vertrauen und die Neugier aufbringen, fachlichen Widerspruch und methodische Kritik als Hervorbringungen von Wissenschaft zu deuten, anstatt wie im Falle dieser Affäre antifeministische Verschwörung, elitäre Volkspädagogik oder gar einen tendenzhistoriographischen Unwillen zu wittern, gewisse Thesen zu hören.[17]

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Literaturhinweise

  • Thomas Mergel: Dictatorship and Democracy 1918-1939, in: Helmut Walser Smith, ed., The Oxford Handbook of Modern German History, Oxford: OUP, 2011, 423-452.
  • Lutz Raphael: Geschichtswissenschaft im Zeitalter der Extreme. Theorien, Methoden, Tendenzen von 1900 bis zur Gegenwart, 2nd ed., München: Beck, 2010.
  • Claudia C. Gatzka: Die deutsche Demokratiegeschichte und der Blick ins Ausland, in: Lars Lüdicke, ed., Deutsche Demokratiegeschichte. Eine Aufgabe der Vermittlungsarbeit, Berlin 2021 (im Ersch.).

Webressourcen

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[1] Christian Jansen: Rezension zu: Richter, Hedwig:  Demokratie. Eine deutsche Affäre. München 2020, in: H-Soz-Kult, 09.02.2021, <www.hsozkult.de/publicationreview/id/reb-49883> (letzter Zugriff 22. April 2021); Patrick Bahners, “Eine umgekehrte Dolchstoßlegende”, FAZ, 16.3.2021 (aktualisiert am 20.3.2021), https://www.faz.net/aktuell/feuilleton/debatten/masslose-kritik-an-der-historikerin-hedwig-richter-17248489.html (letzter Zugriff 16. April 2021); ders. am 21. März 2021, https://twitter.com/PBahners/status/1373620910914215938 (letzter Zugriff 22. April 2021).
[2] Andreas Wirsching: Rezension von: Hedwig Richter: Demokratie. Eine deutsche Affäre. Vom 18. Jahrhundert bis zur Gegenwart, München: C.H.Beck 2020, in: sehepunkte 21 (2021), Nr. 3, http://www.sehepunkte.de/2021/03/34995.html (letzter Zugriff 15. März 2021).
[3] Hedwig Richter, Demokratie. Eine deutsche Affäre. Vom 18. Jahrhundert bis zur Gegenwart, München 2020, S. 325 f., 223, 237.
[4] Mit dieser Rahmung griff Richter selbst der Fachkritik im Grunde bereits voraus: ebd. Aufgenommen wurde dies dann bei Bahners, “Dolchstoßlegende”; Patrick Bahners am 15.4.2021, https://twitter.com/PBahners/status/1382722185991745540 (letzter Zugriff 16. April); Twitter-User Michael am 15. April 2021, https://twitter.com/novussubsole/status/1382602107665195009 (letzter Zugriff 22. April 2021).
[5] Immerhin hat jüngst Miryam Schellbach eine entsprechende politische Einordnung vorgenommen: Miryam Schellbach, Die Pop-Historikerin, in: Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, aktualisiert am 18.04.2021, https://www.faz.net/aktuell/feuilleton/debatten/hedwig-richter-als-star-der-geschichtswissenschaft-im-portraet-17296403.html?premium (letzter Zugriff 22. April 2021).
[6] Als Überblick: Thomas Mergel: Geht es weiterhin voran? Die Modernisierungstheorie auf dem Weg zu einer Theorie der Moderne, in: ders., Thomas Welskopp, ed., Geschichte zwischen Kultur und Gesellschaft. Beiträge zur Theoriedebatte, München 1997, 203-232; politisch-soziologisch ausbuchstabiert bei Seymour M. Lipset: Political man. The Social Bases of Politics, Garden City 1960, dt.: Soziologie der Demokratie, Neuwied 1963.
[7] Die einzige Rezension übrigens, die das klar benennt, ist die von Stefan Reinecke in der taz: https://taz.de/Buch-zur-deutschen-Demokratiegeschichte/!5715485/ (letzter Zugriff 16. April 2021).
[8] Prof. Dr. Ulrich Gabriel am 20. März 2021, https://twitter.com/uli__gabriel/status/1373318062653517829 (letzter Zugriff 22. April 2021); Anna Katharina Mangold am 20. März 2021, https://twitter.com/feministconlaw/status/1373305813884932105 (letzter Zugriff 22. April 2021); Sabine Rennefanz: Hedwig Richter: Warum wird sie so scharf attackiert, in: Berliner Zeitung, 24. März 2021, https://www.berliner-zeitung.de/kultur-vergnuegen/hedwig-richter-warum-wird-sie-so-scharf-attackiert-li.148088?pid=true (letzter Zugriff 22. April 2021); Patrick Bahners am 24. März 2021, https://twitter.com/PBahners/status/1374826671199633421 (letzter Zugriff 22. April 2021).
[9] Bahners, “Dolchstoßlegende”; Karin Prien am 20. März 2021, https://twitter.com/PrienKarin/status/1373305042321674250 (letzter Zugriff 22. April 2021); Patrick Bahners am 17. April 2021, https://twitter.com/PBahners/status/1372168574341677062 und https://twitter.com/PBahners/status/1372169127553536001 (letzter Zugriff 22. April 2021). Siehe auch den Retweet bei: https://twitter.com/GatzkaClaudia/status/1372163525859237895 (letzter Zugriff 21. April 2021) oder den Tweet von Thomas Weber am 16. März 2021, https://twitter.com/Thomas__Weber/status/1371797127899254787 (letzter Zugriff 22. April 2021).
[10] Oliver F. R. Haardt am 17. März 2021, https://twitter.com/OHaardt/status/1372280167888994307 (letzter Zugriff 16. April 2021).
[11] Sabrina Mittermeier am 15.4.2021, https://twitter.com/S_Mittermeier/status/1382760975938510849 (letzter Zugriff 16. April 2021).
[12] Ausnahmen sind: Gabriele Metzler, Leserbrief an die FAZ, “Männermacht tut nichts zur Sache”, FAZ, 22.3.2021, https://www.faz.net/aktuell/politik/briefe-an-die-herausgeber/leserbriefe-vom-22-maerz-2021-17256405.html (letzter Zugriff 5. April 2021); dies., Eine deutsche Affäre? Notizen zur öffentlichen Geschichte. In: Public History Weekly 9 (2021) 3, DOI: dx.doi.org/10.1515/phw-2021-18061; sowie, allerdings nicht im konkreten Kontext der Buchdiskussion, Christina Morina und Dietmar Süß, Problematischer Mut zur Vereinfachung, in: Süddeutsche Zeitung, 15.04.2021, https://www.sueddeutsche.de/kultur/geschichtspolitik-nationalsozialismus-demokratie-sonderweg-debatte-zeitgeschichte-1.5264866?reduced=true (letzter Zugriff 22. April 2021).
[13] Dazu bereits Bahners, “Dolchstoßlegende”. Siehe auch Elke Schmitter, “Steile Thesen, fromme Phrasen”, SPIEGEL online, 4.9.2020, https://www.spiegel.de/kultur/hedwig-richter-und-ihre-erstaunliche-medienkarriere-steile-thesen-fromme-phrasen-a-00000000-0002-0001-0000-000172863276 (letzter Zugriff 22. April 2021); Franziska Augstein, Körper, Kummer, in: Süddeutsche Zeitung, 3. November 2020, https://www.sueddeutsche.de/kultur/eine-deutsche-affaere-koerper-kummer-1.5102941 (letzter Zugriff 22. April 2021).
[14] Dazu und zur anfänglich größeren Wissenschaftsnähe des einschlägigen Programms beim C.H. Beck-Verlag: Stefan Rebenich: C.H. Beck 1763-2013. Der kulturwissenschaftliche Verlag und seine Geschichte, München 2012, 609-628, hier S. 609.
[15] Patrick Bahners am 21.3.2021,https://twitter.com/PBahners/status/1373690347080065028 (letzter Zugriff 22. April 2021); Martina Bergmann am 24. März 2021, https://twitter.com/fraubergmann/status/1374833963123023873 (letzter Zugriff 22. April 2021).
[16] Thomas Mergel: Dictatorship and Democracy 1918-1939, in: Helmut Walser Smith, ed., The Oxford Handbook of Modern German History, Oxford: OUP, 2011, 423-452.
[17] Patrick Bahners am 15.4.2021, https://twitter.com/PBahners/status/1382722185991745540 (letzter Zugriff 16. April); ders. Am 24. März 2021, https://twitter.com/PBahners/status/1374826675838582798 (letzter Zugriff 22. April 2021); Twitter-User “Michael” am 15. März 2021, https://twitter.com/novussubsole/status/1382602107665195009 (letzter Zugriff 22. April 2021).

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Abbildungsnachweis

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Empfohlene Zitierweise

Dolinsek, Sonja, Claudia Gatzka: Konfliktlinien deutscher Demokratiegeschichtsschreibung. In: Public History Weekly 9 (2021) 3, DOI: dx.doi.org/10.1515/phw-2021-18178.

Redaktionelle Verantwortung

Marko Demantowsky / Moritz Hoffmann

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    OPEN PEER REVIEW

    Warum die Aufregung?

    [author] möchte gern eine Fachdebatte führen, was allerdings schwer möglich sei, “solange die Autorin auf die Fachkritik nicht geantwortet hat”. Diese sei aber notwendig, da sonst weiter Spekulationen über die “wahren” Absichten kritischer Fachkolleg:innen florieren könnten. [author] bedauert, dass das große Potenzial der Demokratiegeschichte (gemeint ist die Forschungsrichtung) in der aktuellen Kontroverse “leider nicht zur Geltung” komme – was auch an der von Andreas Wirsching festgestellten fehlenden begrifflichen Präzision läge. Richters Buch sei letztlich ein “Dokument liberalkonservativer Legitimationswissenschaft […] garniert mit einer Prise Feminismus”.

    Die Gegenüberstellung von Richter als “Medienkönigin” und den “professoralen Biedermännern” in einer Duell-Metapher scheint verunglückt: Richters Selbstdarstellung ist eben nicht feudal, sondern steht eher für eine liberal-konservative Bürgerlichkeit, die sich weder von antidemokratischen Bewegungen noch von alarmistischen Schreihälsen ihre Hoffnung auf eineFortschrittserzählung der Demokratieentwicklung nehmen lassen will. Diese Haltung wird flankiert von einer bildungsbürgerlichen Performance Richters auf Twitter und einer Netzwerkaktivität, von der junge Historikerinnen viel lernen können. Ob Richters Kritiker in der Kontroverse als bürgerliche “Biedermänner” auftreten, oder eher als empörte Ordinarien eines noch immer in Teilen feudal gelebten Wissenschaftsbetriebs, ließe sich diskutieren.

    [author] sieht eine Konfrontation von Wissenschaft und “Öffentlichkeit”, in der erstere auf dem medialen Schlachtfeld eher schlecht davonzukommen scheint: “Texte in wissenschaftlichen Formaten erfordern allerdings tatsächlich ein Stück weit jene Performanz”, so [author], “die dann aus Sicht der Twitter-Öffentlichkeit als staubig, bieder, fad gelten kann.” Es gehöre schließlich zu den “Mühen der Forschung”, methodische, konzeptionelle (und wohl auch handwerkliche) Einwände aufzunehmen und sich aktiv an der Fachdebatte zu beteiligen, was Richter jedoch verweigere.

    Wenn das Demokratie-Buch eine wissenschaftliche Qualifikationsarbeit oder einem fachwissenschaftlichen Peer-Review ausgesetzt gewesen wäre, dann wäre das alles sicher beachtenswert. Bei einer solchen Bewertung müssen die von Expert:innen vorgebrachten Mängel diskutiert und selbstverständlich Forschungsstand und Methodikkritisch geprüft werden. Auch dann müssten sich allerdings “kritische” Rezensenten fragen lassen, ob ihr Ton einer konstruktiven Weiterentwicklung der Arbeit zuträglich ist.

    Aber hat Richter mit dem Demokratie-Buch überhaupt eine fachwissenschaftliche Publikation vorgelegt? Auch wenn sie hier an ihre Forschung zu Wahlen in der Moderne anknüpft, handelt es sich um eine andere Art Geschichte. So werden anstelle einer zentralen Fragestellung für eine beabsichtigte Untersuchung in der Einleitung vier zentrale Thesen formuliert, die Material und Erzählung ordnen und fokussieren. Methodisch-theoretische Erwägungen zum Untersuchungsdesign finden nicht wirklich statt, ebenso wenig präsentiert uns die Autorin einen aktuellen Forschungsstand. Eine Forschungsperspektive oder -richtung, zu der ein Beitrag geleistet werden soll, wird nicht explizit adressiert, keine engere Fachterminologie bedient oder hergeleitet. Richter adressiert eine allgemeine Leser:innenschaft. So deutet schon die äußere Form darauf hin, dass hier kein Forschungs- sondern ein Debattenbeitrag geleistet werden soll. Und so erzählt sie dann auch eine optimistische, hoffnungsfrohe Demokratiegeschichte die Gestaltungsfreude ausstrahlt, ohne dabei Gefahren, Herausforderungen und Mängel zu verschweigen.

    “Ein Missverständnis liegt vor allem darin, historische Sachbücher mit der akademischen Geschichtswissenschaft zu verwechseln” schreibt [author] – und unterliegt doch selbst diesem Missverständnis. Richters Buch ist eine vergangenheitsbezogene Erzählung zu Gegenwartsfragen, bezieht Position in einem geschichtspolitischen Identitätsdiskurs zum Thema Demokratie. Und die Autorin macht das auch transparent, wenn Sie ausführt, “dass auch historische Darstellungen Erzählungen sind, für die wir einen Plot wählen und in denen wir Bösewichte und Heldinnen auftreten lassen; wir setzen einen Anfang und schreiben auf ein Ende hin – ein geglücktes oder ein böses, in diesem Fall ein offenes.”[1] Die “Affäre” betont dabei die Vielschichtigkeit der gesellschaftlichen Beziehungen in, durch und mit der Demokratie – und Hedwig Richter hofft, dass die Zukunft dieser Affäre nicht nur offen, sondern eben auch hell sein möge. Hier geht es nicht um Wissenschaft, sondern um die Gesellschaft, in der Richter lebt oder leben möchte.

    Lücke/Zündorf definieren historische Sachbücher als “textgebundene Medien, die sich – im Unterschied zu einem historischen Fachbuch – nicht nur an ein explizit akademisches Publikum richten” und “einen bestimmten historischen Gegenstand adressat*innengerecht” darstellen, ohne dabei den fachwissenschaftlichen Konventionen entsprechen zu müssen.[2] Sachbücher orientieren sich an den Marktmechanismen der Verlage, nicht an denen der Wissenschaft. Dass “die Zuordnung des Sachbuchs zum Markt statt zur Wissenschaft typisch für eine historisch gewachsene Ausschließungs- und Abwertungstendenz” sei, hat Nina Verheyen jüngst betont[3] und darauf hingewiesen, dass gerade der C. H. Beck-Verlag seit Jahren das “dritte Buch” zwischen Wissenschaft und Sachbuch positioniert– ein Format, das Beck-Lektor Detlef Felken als “Rückgrat der Geschichtskultur” versteht.[4] Darf ein solches Sachbuch fehlerhaft sein? Nina Verheyens Eindruck nach “erfahren Sachbücher aus publizistischer Feder in den Medien große Aufmerksamkeit, auch wenn (oder gerade weil?) sie an den Standards der Wissenschaft mitunter nonchalant vorbei verfasst und verlegt werden.”[5] Gilt das auch für eine Wissenschaftlerin, die den Hut der Sachbuchautorin aufsetzt?

    Wenn es sich bei Hedwig Richters Buch nicht um eine fachwissenschaftliche Veröffentlichung handelt, warum dann die Aufregung? Es ist dem Fach doch sonst auch weitgehend egal, was auf den populären historischen Meinungsmärkten passiert. Werden die zunehmenden Forderungen nach Transfer, Third Mission und Partizipation auch der Geschichtswissenschaft zu bedrohlich? Beobachten wir hier die narzisstische Kränkung einer Disziplin, die seit Jahrzehnten einen Geschichtsboom beobachtet, von dem sie nicht wirklich profitieren konnte und der in der Regel auch nicht primär von Fachhistoriker:innen bespielt wird? Handelt es sich um ein Rückzugsgefecht eines universitären Fachs, das herausragende und zuverlässige Regeln und Verfahren entwickelt hat und anwendet, um seriöses, eben wissenschaftliches historisches Wissen zu produzieren, sich aber schwer damit tut, seinen Wert auch offensiv zu begründen und zu verteidigen? Es gibt in der Zunft Traditionen, Formen populärer historischer Darstellung abzulehnen. Das fiel allerdings leichter, solange es “nur” um Fernsehserien, Filme, Geschichtsspiele oder ZDF-Dokumentationen ging. Auch die YouTube-Aktivitäten von Geschichtserklärer:innen wie MrWissen2Go ließen sich noch recht gut wegmoderieren. Beim historischen Fachsachbuch jedoch dringt das Populäre in die letzte noch verbliebene Domäne der noch immer textverhafteten Geschichtswissenschaft vor. Schwer wiegt, dass die Autor:in aus den eigenen Reihen kommt. Offenbar ist es für einige Fachhistoriker:innen nicht denkbar oder hinnehmbar, dass es Kolleg:innen gibt, die sich in unterschiedlichen öffentlichen Sphären bewegen und auch inszenieren können. Eine Aufführungsanalyse der öffentlichen Persona Hedwig Richter könnte hier vielleicht helfen.

    Das “Missverständnis”, “historische Sachbücher mit der akademischen Geschichtswissenschaft zu verwechseln” hätte vielleicht vermieden werden können, wenn [author] und andere Beteiligte die unterschiedlichen Geschichtssorten, die hier zur Debatte stehen, trennschärfer unterschieden hätten. Das Verlagsmarketing wird es jedenfalls freuen, dass in epischer Breite kostenfrei Werbung gemacht wird für den eigenen Debattenbeitrag zum Thema Demokratie. Hedwig Richter äußert sich darin als eine liberale und demokratisch engagierte Bürgerin, die auch Historikerin ist, Professorin und Hölderlin-Verehrerin. Wer mit ihr über Demokratie diskutieren will, der wird sicher Möglichkeiten dazu finden: auf Twitter, bei Podiumsdiskussionen, in Talkshows oder vielleicht sogar bei Clubhouse. Wer mit ihr über fachwissenschaftliche Fragen diskutieren möchte, der halte sich an ihre Fachpublikationen und kritisiere diese, statt an der falschen Geschichtssorte eine Fachdebatte aufzuhängen.

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    [1] Hedwig Richter: Demokratie. Eine deutsche Affäre. Vom 18. Jahrhundert bis zur Gegenwart. München 2020, S. 17.
    [2] Martin Lücke, Irmgard Zündorf: Einführung in die Public History, Göttingen 2018, S. 96.
    [3] Nina Verheyen: Wer schreibt Geschichte für wen? ‚Fachsachbücher’ in Geschichtskultur und Geschichtswissenschaft, in: Cord Arendes et al.: Geschichtswissenschaft im 21. Jahrhundert. Interventionen zu aktuellen Debatten. Berlin 2020, S. 27-36, S. 30.
    [4] Felken, Detlev: Die Geschichtskultur und das „mittlere Buch“. Anmerkungen zur Lage der historischen Literatur. In: Geschichtswissenschaft und Buchhandel in der Krisenspirale? Hrsg. von Olaf Blaschke u. Hagen Schulze. München 2006. S. 211–220. S. 213. Zitiert nach Verheyen S. 31.
    [5] Verheyen, S. 34.

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    „Die Historiker sind ernstlich böse“

    titelte Kurt Tucholsky in der Weltbühne, als er über einen damals einzigartigen Vorgang in der Historischen Zeitschrift berichtete. 1928 wurden von der HZ vier Autoren, Emil Ludwig, Werner Hegemann, Herbert Eulenberg und Paul Wiegler, die erfolgreich historische Biographien in hohen Auflagen publizierten, an den Pranger gestellt. Die Materialgrundlage, die angeblich tendenziöse, einseitige Auswahl und Interpretation der Quellen sowie diverse Details der Darstellungen wurden harsch kritisiert.

    Fast 100 Jahre später schreibt eine Historikerin, noch keine 50 Jahre alt, ein Buch, für das sie den Anna-Krüger-Preis für Wissenschaftssprache des Wissenschaftskollegs zu Berlin erhält. Das Buch, im Münchner Beck-Verlag veröffentlicht, verkaufte sich sehr gut. Gleichzeitig publiziert diese Historikerin auch immer wieder in überregionalen Zeitungen, ist gern gesehene Gesprächspartnerin im Radio und im Fernsehen und führt einen Twitteraccount mit über 19.000 Followern. Dann jährt sich die Gründung des Deutschen Kaiserreichs zum 150. Mal. Und diese Frau, die inzwischen auch noch eine Professur erhalten hat, legt ein weiteres Buch, dieses Mal im Suhrkamp-Verlag vor. Das ist für einige Universitätsprofessoren im Fach Geschichtswissenschaft dann doch zu viel, die für sich beanspruchen, den wissenschaftlichen Diskurs über dieses Thema zu bestimmen und zu lenken.

    Historikerinnen in Deutschland sind in der Regel zurückhaltende Wesen, haben sich tapfer und fleißig auf einen 25%igen Anteil an den Professuren hochgearbeitet, die meisten davon arbeiten auf den weniger gut dotierten Stellen, in der Regel unter männlichen Dekanen und männlichen Universitätspräsidenten. Die unauffällige Hochschullehrerin ist leidlich akzeptiert und darf sich mit Kärrnerarbeit auf wenig prestigeträchtigen Feldern gerne die Zeit vertreiben.
    Und nun kommt da eine relativ junge Frau daher, die sich quer zu den festgefahrenen linken und konservativen Interpretationen platziert und ein Zitat von Thomas Nipperdey aufgreifend daran erinnert, dass es im Kaiserreich nicht nur Schwarz und Weiß, sondern auch Grautöne gab. Richter bringt auf der einen Seite streitbare Thesen in diese Debatte ein, auf der anderen Seite vertritt sie Positionen, die von vielen Historiker:innen geteilt werden. Eigentlich nichts Besonderes, sollte man meinen. Doch die Reaktionen aus der Zunft sind knallhart. Ein Historiker veröffentlicht eine Rezension, deren umfangreiche Kritikpunkte in eine zusätzlichen Mängelliste ausgelagert werden müssen, da die Zeichenzahl auf H-Soz-Kult dafür einfach nicht ausreicht. Ein anderer meint der Leserschaft mitteilen zu müssen, dass die Kollegin noch nicht einmal Proseminarniveau erreicht hat. Da überschlagen sich vernichtende Stellungnahmen, die auf die alte Tugend, zwischen Text und Person zu unterscheiden, pfeifen.

    Man empört sich über die „Anmaßung“ der Kollegin und demontiert ihre Person. Wie kann man diese heftigen Reaktionen interpretieren? Warum dieser gereizte Ton? Einige Historiker:innen wie Dolinsek/Gatzka, Logge und Metzler hier auf Public History Heekly sprechen Machtverhältnisse und Frauenfeindlichkeit im Fach an. Auffallend scheint mir: Welche Themen und Facetten in dieser Debatte auch immer abgehandelt werden, deutlich wird vor allem die Misogynie. Vielleicht ein sonst eher verborgenes Strukturelement der Geschichtswissenschaft, das sich hier zeigt, weil Hedwig Richter mehr Erfolg hat, als einer Frau in den Augen etablierter Universitätsprofessoren zusteht?

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