Successful Public History – A Question of Empirical Evidence?

Erfolgreiche Public History – eine Frage empirischer Evidenz?

 

Abstract: Eine der vielfältigen Aufgaben der Public History ist es, das reichhaltige Angebot geschichtsvermittelnder Produkte in der Öffentlichkeit forschend zu analysieren. Dieses Ziel geht mit dem Anspruch einher, die Vermittlung nicht als eine Einbahnstraße aufzufassen, sondern als wechselseitigen Prozess zu verstehen, der verschiedene Beteiligte miteinschließt und auf kritische Reflexion, Erweiterung des Wissens und Präzisierung von Methoden angelegt ist. Die Frage, ob der Erfolg einer so verstandenen Public History messbar ist, ist bisher selten gestellt worden – nicht zuletzt wegen fehlenden Datenmaterials.
DOI: dx.doi.org/10.1515/phw-2016-6101.
Languages: Deutsch, English



Eine der vielfältigen Aufgaben der Public History ist es, das reichhaltige Angebot geschichtsvermittelnder Produkte in der Öffentlichkeit forschend zu analysieren. Dieses Ziel geht mit dem Anspruch einher, die Vermittlung nicht als eine Einbahnstraße aufzufassen, sondern als wechselseitigen Prozess zu verstehen, der verschiedene Beteiligte miteinschließt und auf kritische Reflexion, Erweiterung des Wissens und Präzisierung von Methoden angelegt ist. Die Frage, ob der Erfolg einer so verstandenen Public History messbar ist, ist bisher selten gestellt worden – nicht zuletzt wegen fehlenden Datenmaterials.

Messung öffentlicher Teilhabe

Der wechselseitige Prozess von Produktion, Vermittlung und Rezeption lässt sich sowohl mit Ansätzen einer “shared authority“ als auch einer “shared inquiry“ beschreiben. Der Prozess verweist zudem auf die vorhandene große Schnittmenge zwischen Ansätzen, die bisher entweder in der Public History oder der Angewandten Geschichte verortet wurden.[1] Nicht nur aus Sicht der Public History stellt sich hier aber die Frage, wie der Kontakt mit dem Publikum bzw. der Öffentlichkeit überhaupt hergestellt wird und alle Beteiligten aktiv in den Prozess miteinbezogen werden können.

Mögliche Antworten werden im Folgenden an einem Beispiel aus dem eigenen Forschungszusammenhang erläutert:
Im Rahmen des universitätsübergreifenden Forschungsprojektes “Geschichte der Landesministerien in Baden und Württemberg in der Zeit des Nationalsozialismus“[2] wird der Versuch unternommen, den Einbezug der Öffentlichkeit nicht nur als Ziel zu formulieren, sondern diesen auch empirisch zu messen und zu analysieren. Ein solches Kommunikationsmanagement war bereits ein wichtiger Aspekt bei der Konzeption des Projektes: Die Umsetzung des Public-History-Anspruches basiert im Wesentlichen auf dialogischen Formaten, mit denen gezielt versucht wird, Formen direkter Partizipation und Interaktivität eng an die wissenschaftlichen Arbeit von ExpertInnen aus der Geschichtswissenschaft, dem Archivwesen und der Verwaltung anzubinden.

Im Mittelpunkt stehen digitale Kommunikationskanäle: Neben der Projektwebsite tragen ein integrierter wissenschaftlicher Blog[3] sowie eine eigens erstellte App[4] dazu bei, dass Interessierte nicht nur zum Zeitpunkt der Präsentation der Ergebnisse am Projekt teilhaben können, sondern dass der wissenschaftliche Arbeitsprozess – soweit dies möglich ist – transparent gemacht wird und neben Hintergrundinformationen erste Zwischenergebnisse bereits projektbegleitend präsentiert werden können. So soll eine regelmäßig auftretende Schwierigkeit der Wissenschaftskommunikation überwunden werden, dass eine solche nämlich nur zu Auftakt und Abschluss eines Forschungsprojektes gezielt in Richtung des gewünschten Publikums gesteuert wird, diesem aber kaum oder gar keine Möglichkeit(en) des Feedbacks eingeräumt werden. Eine offene Frage ist die gezielte Bewerbung wissenschaftlicher Angebote: Über welche Kanäle jenseits der bekannten Plattformen innerwissenschaftlicher Kommunikation kann bzw. sollte diese erfolgen?

Kommunikation und Partizipation

Blog und App sind in der Lage, die Aktivitätspotenziale merklich zu verschieben und ganz unterschiedlichen Bezugsgruppen Informationen und Materialien zur Verfügung zu stellen, auf die diese – nach Bedarf und Interessenlage – selbst jederzeit zugreifen können: Erstens macht die App “NS-Ministerien in BW“ neben den von der Website übernommenen Informationen zur Landesgeschichte sowie zu Ministern und Ministerien in Baden und Württemberg (Biografien, Zeitleisten und Kartenmaterial) auch die Werkstattberichte des Blogs (inklusive Kommentarfunktion) zugänglich. Das Herzstück der App ist ein Foto-Uploader: Mit dieser Funktion können Interessierte dem Projektteam Ideen und Hinweise oder in ihrem persönlichen Besitz befindliche historische Quellen (Fotos, Plakate, Briefe oder Tagebücher) schnell und einfach in Form eines digitalen Fotos übermitteln.

Gerade in regional- bzw. landesgeschichtlichen Forschungsprojekten steht zu erwarten, dass noch unbekannte “Schätze“ in Kellern oder auf Dachböden lagern. Zweitens werden in der Rubrik “Materialien“ ausgewählte Quellen zur Landesgeschichte für einen breiten Nutzerkreis zur Verfügung vorgestellt. In Zusammenarbeit mit Schulen, GeschichtslehrerInnen sowie Studienseminaren sollen zukünftig auch für den Gebrauch im Schulunterricht entwickelte Materialien zugänglich gemacht werden.[5] Im Rahmen einer Förderung durch die Robert-Bosch-Stiftung sind in einem DENKWERK unter dem Titel “Begegnungen vor Ort – Verwaltungsgeschichte und NS-Alltag“ zudem Projektpartnerschaften mit zwei Gymnasien in der Region entstanden.[6]

Reichweite als Erfolgskriterium?

So weit, so gut: Erfolg oder Misserfolg solcher Forschungsprojekte werden in Zukunft auch danach beurteilt werden müssen, inwieweit sich ihre Wirkung in die/der Öffentlichkeit messen lassen kann – auch wenn beispielsweise Besucherresonanzanalysen nahelegen, dass valide Messergebnisse für geisteswissenschaftliche Disziplinen nur mit hohem Aufwand zu erzielen sind. Die sicherlich notwendige Diskussion über (potenzielle) Erfolgskriterien kann an dieser Stelle leider nicht geführt werden. Die unterschiedlichen Formen digitaler Kommunikation stellen uns heute aber zumindest ein rudimentäres Set an quantitativen Kennziffern zur Verfügung: Das Nutzerverhalten bezüglich Website und Blog lässt sich mit einer entsprechenden Software leicht nachvollziehen.[7]

Seit Start des Portals im Januar 2015 konnten die Zugriffszahlen in den meisten Rubriken kontinuierlich ausgebaut werden, vor allem was die Biografien von Ministern, die Sammlung von Quellen und Blog-Beiträge mit aktuellem Bezug betrifft. Zum offiziellen Projektende im Sommer 2017 ist eine ausführliche Auswertung des Nutzungsverhaltens für Website, Blog und App geplant. Auf diesem Weg lassen sich im Rahmen einer gezielten Public-History-Begleitung eines Forschungsprojektes (erstmals) auch empirisch untermauerte Informationen bezüglich der Potenziale und Grenzen digitaler Kommunikationsmittel erwarten – Informationen, die bezüglich der Partizipation des Publikums an geschichtswissenschaftlicher Forschung unerlässlich sein dürften.

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Literaturhinweise

  • Peter Haber / Eva Pflanzelter (Hrsg.): historyblogosphere. Bloggen in den Geschichtswissenschaften. München 2013.
  • Jacqueline Nießer / Juliane Tomann (Hrsg.): Angewandte Geschichte. Neue auf Geschichte in der Öffentlichkeit. Paderborn 2014.

Webressourcen

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[1] Vgl. die einzelnen Beiträge in Jacqueline Nießer/Juliane Tomann (Hrsg.), Angewandte Geschichte. Neue Perspektiven auf Geschichte in der Öffentlichkeit, Paderborn: Schöningh 2014.
[2] Am Projekt “Geschichte der Landesministerien in Baden und Württemberg in der Zeit des Nationalsozialismus“ sind ForscherInnen der Universitäten Bonn, Erfurt, Freiburg, Heidelberg und Stuttgart beteiligt. Zum Forschungsgegenstand siehe die entsprechenden Hinweise auf der Projektwebsite, http://ns-ministerien-bw.de/forschungsgegenstand/ (letzter Zugriff am 1.5.2016).
[3] Vgl. den Auftaktbeitrag “Herzlich willkommen auf unserem Blog“, http://ns-ministerien-bw.de/2015/01/herzlich-willkommen-auf-unserem-blog/. Umfassende Überlegungen zum Thema “wissenschaftliches Bloggen“ liefert der Redaktionsblog der deutschsprachigen Seite des Portals “hypotheses.org“, http://redaktionsblog.hypotheses.org/. Zum Bloggen in der Geschichtswissenschaft siehe auch Peter Haber/Eva Pfanzelter (Hrsg.), historyblogosphere. Bloggen in den Geschichtswissenschaften, München: Oldenbourg 2013, http://www.degruyter.com/viewbooktoc/product/216968 (letzter Zugriff jeweils am 1.5.2016).
[4] Vgl. Cord Arendes, Moderne Wissenschaftskommunikation als Informations- und Interaktionsprozess: Start der App “NS-Ministerien in BW“, http://ns-ministerien-bw.de/2015/09/moderne-wissenschaftskommunikation-als-informations-und-interaktionsprozess-start-der-app-ns-ministerien-in-bw/; siehe auch Peter Gautschi, Mit „Wischen“ und „Scrollen“ durch die Schweizer Geschichte, in: Public History Weekly 1 (2013) 16 dx.doi.org/10.1515/phw-2013-962 (letzter Zugriff jeweils am 1.5.2016).
[5] Vgl. die bisherigen Angebote unter der Rubrik “Materialien“, http://ns-ministerien-bw.de/materialien/ (letzter Zugriff am 1.5.2016).
[6] Ziel der DENKWERKE der Robert-Bosch-Stiftung ist es, SchülerInnen und LehrerInnen durch eine aktive Zusammenarbeit mit wissenschaftlichen Hochschulen Einblicke in aktuelle geistes- und sozialwissenschaftliche Forschung zu geben, http://www.bosch-stiftung.de/content/language1/html/1500.asp. Zum Heidelberger Denkwerk vgl. Cord Arendes, Das DENKWERK “Begegnungen vor Ort.“ – Projektpartnerschaft zwischen Wissenschaft und Schule, http://ns-ministerien-bw.de/2016/02/das-denkwerk-begegnungen-vor-ort-projektpartnerschaft-zwischen-wissenschaft-schule/ (letzter Zugriff jeweils am 1.5.2016).
[7] Vor- und Nachteile gängiger Softwarelösungen wie “Jetpack“ oder “Google-Analytics“ sowie eventuelle Probleme mit den europäischen Datenschutzrichtlinien können an dieser Stelle nicht vertieft werden. Die Zugriffszahlen in diesem Projekt werden durch Nutzung von “Jetpack“ innerhalb der Softwarelösung “WordPress“ erhoben.

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Abbildungsnachweis

Messung des Erdmagnetfeldes heute: Das Conrad-Observatorium (NÖ) zählt zu den weltweit modernsten geophysikalischen Observatorien. Quelle ZAMG/Lammerhuber. Aufgenommen am 22. Februar 2014. Von Flickr (Letzter Zugriff 10.5.2016) (CC BY-NC 2.0).

Empfohlene Zitierweise

Arendes, Cord: Erfolgreiche Public History – eine Frage des empirischen Beweises? In: Public History Weekly 4 (2016) 19, DOI: dx.doi.org/10.1515/phw-2016-6101

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Categories: 4 (2016) 18
DOI: dx.doi.org/10.1515/phw-2016-6101

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