Antiques Shows on TV – History as a Commodity

Trödelshows im Fernsehen – Geschichte als Ware

PHW_Bares_fur_Rares Antiques Show

 

With Hannes Burkhardt

Abstract: Television shows in which individuals have historical objects that they own examined and valued by experts in order to subsequently put them up for sale are currently a big trend. Viewers of these shows witness how the value of objects from the past is judged according to a ritualised formula. But what and how are the values being negotiated here?
DOI: dx.doi.org/10.1515/phw-2016-6424.
Languages: English, Deutsch


TV Shows, in denen Privatpersonen eigene historische Objekte von ExpertInnen begutachten und bewerten lassen, um sie anschließend zum Verkauf anzubieten, erleben derzeit einen Hype. Der Zuschauer wird dabei Zeuge, wie in einer ritualisierten Dramaturgie über den Wert von Gegenständen aus der Vergangenheit befunden wird. Aber über welche Werte wird hier eigentlich in welcher Weise verhandelt?

Trödelshows international

Die Idee, Trödel und Antikes im Fernsehen zu präsentieren, ist dabei nicht neu. Schon seit Ende der 1970er Jahre existieren international verschiedene erfolgreiche Formate, wie z.B. die englischen Antiques Roadshows (BBC) oder ihre deutsche Adaption Kunst & Krempel (BR).[1] Bis heute hat sich die Palette von Trödel-, Sammler- und Antiquitätenshows international enorm erweitert und auch im deutschen Fernsehen boomen Trödelshows aller Art.[2] Die traditionellen Formate präsentieren sich als Ratgebersendungen, in denen die kulturhistorische Einordnung der Objekte im Zentrum stehen soll. Die Bezifferung des vermuteten Marktwerts bildet hier Höhepunkt und Abschluss zugleich.[3] Heute handelt es sich dagegen um gescriptete Produktionen, die Elemente von Game-, Quiz- und Castingshows adaptieren. Der Verkauf der Objekte ist dabei ein neuer zentraler Bestandteil des Drehbuchs. Der Ort des Geschehens ändert sich dementsprechend vom kulturhistorisch aufgeladenen Schlossambiente zur industriellen Lagerhallenoptik.

Trödelshows in vier Phasen

Der für den Zuschauer dort inszenierte Evaluierungsprozess beinhaltet dabei unterschiedliche dramaturgische Phasen verschiedener Wertzuweisungen, an deren Ende die Merkantilisierung von Geschichte steht.

Erste Phase, die persönliche Geschichte: Am Anfang lädt ein/e ExpertIn den/die “KandidatInnen” zu einer kurzen, möglichst emotional aufgeladenen Narration zur Objektbiographie und ihrer familiengeschichtlichen Bezüge ein. Der/die ZuschauerIn wird dabei Zeuge einer individuellen Sinnbildungskonstruktion, die bereits die Ablösung des subjektiven und ideellen Erinnerungswerts zugunsten neuer profaner, konsumorientierter Bedürfnisse beinhaltet.

Zweite Phase, die kulturhistorische Bedeutung: Der/die begutachtende ExpertIn nimmt daraufhin eine kulturelle Sinnbildungskonstruktion des Objekts vor: Seltenheitswert, Einzigartigkeit und Erhaltungszustand bilden hier ebenso zentrale Kriterien der Bewertung wie die historische Einordnung des Objekts in konkrete Nutzungszusammenhänge. Der Übergang in eine darauffolgende breitere kulturhistorische Kontextualisierung ist fließend. Den ersten dramaturgischen Höhepunkt bildet die emotionale Reaktion des Kandidaten über das Urteil des Experten. Das hierarchische Gefälle zwischen GutachterIn und BesitzerIn äußert sich dabei auch in Lob oder Tadel über den Besitz, den Erhaltungszustand und implizit auch über den Wert der Familiengeschichte.

Dritte Phase, der Marktwert: Die persönliche und kulturhistorische Wertermittlung muss nun dem absoluten Höhepunkt weichen: Der monetären Taxierung des aktuellen Marktwertes. Die Inszenierung der emotionalen Reaktion des/der KandidatIn ist dabei wieder Teil der dramaturgischen Klimax.

Vierte Phase, der Verkauf: Das neue Finale bilden das Anbieten in einem Auktionsszenario und ggf. der erfolgreiche Verkaufsabschluss. Der “lebendige Faden” zwischen dem Objekt und seiner/m BesitzerIn wird dabei durchtrennt.[4] Der persönliche historische Gegenstand ist nun wieder eine Ware, die subjektive Dimension ist dabei bestenfalls Teil der Verkaufsstrategie. Das simple Handelsprinzip und das Feilschen sind wichtig für einen möglichst hohen Unterhaltungswert. Der tatsächlich erzielte Preis und die damit verbundenen möglicherweise enttäuschten, erfüllten oder sogar übertroffenen Erwartungen beenden den Plot.

Kommodifizierung von Geschichte

Der/die ZuschauerIn wird BeobachterIn eines interessanten Prozesses: Obwohl die Materialität des Objekts unverändert bleibt, durchläuft es eine Metamorphose in seinen Bedeutungszuweisungen. Der Prozess des sozial ausgehandelten Umgangs mit Dingen zwischen individueller Identitätskonstruktion und Kommodifizierung von Geschichte auf der Objektebene kann dabei von der/dem ZuschauerIn miterlebt werden. Am Ende stehen jedoch stets der monetäre Wert und der kommerzielle Erfolg, sicherlich auch als Signal, sich auf eigene Schatzsuche zu begeben und sich als nächste/r KandidatIn zu bewerben.

Der Boom von TV-Trödelshows ist auch Ausdruck der modernen Konsumgesellschaft mit ihrem rasanten Durchlauf an Konsumgütern und der mit materiellen Produkten überfrachteten gegenwärtigen Erbengeneration. Die Public History hat sich auf dem Feld der materiellen Kultur bislang vor allem mit dem spezifischen Statuswechsel musealisierter Objekte befasst. Dinggeschichten sind aber international seit langem integraler Bestandteil von populärer Geschichtskultur im Fernsehen. Ein genauerer geschichtsdidaktischer Blick auf dieses massenkulturelle Phänomen der Kommodifizierung von Geschichte im Fernsehen wäre lohnenswert.

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Literaturhinweise

  • Bishop, Ronald: What Price History? Functions of Narrative in Television Collectible Shows. In: Journal of Popular Culture 33 (1999) 3, S. 1-27.
  • Hall, Dennis: Rites of Appraisal and Questions of Value: Public Television’s Antiques Roadshow. In: Studies in Popular Culture 21 (1999) 3, S. 13-22.
  • Walker, Katherine: The Masterpiece in my Attic. The Changing Roles of Antiques. In: Bob Batchelor (Hrsg.): Cult pop culture. How the Fringe became Mainstream, Santa Barbara 2012, Bd. 3, S. 17-28.

Webressourcen

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[1] Die Antiques Roadshow (BBC) läuft seit 1979, Kunst & Krempel (BR) seit 1985.
[2] Einige Beispiele für Formate: Deutsches Fernsehen: Kunst & Krempel (BR) seit 1985; echt antik? (SWR) 2006-2008; Der Trödeltrupp – Das Geld liegt im Keller (RTL 2) seit 2009; Bares für Rares (ZDF) seit 2013; Der Trödel-King (WDR) 2007-2011; Kitsch oder Kunst? (HR), 2007-2009; wieder wertvoll (ZDF), 2016; Lieb & Teuer (NDR) seit 2007; Wer bietet mehr? (NDR) seit 2016; Großbritannien: Antiques Roadshow (BBC) seit 1977; Four Rooms (Channel 4), seit 2011; Frankreich: Un trésor dans votre maison (M 6) seit 2010; USA: Antiques roadshow (PBS) seit 1997; American Pickers (A&E Television Networks) seit 2010; Auction Kings (Discovery Channel) 2010-2014.
[3] Ursprünglich begutachteten bei Kunst & Krempel nur wissenschaftliche Experten die Objekte. Da die Besitzer jedoch auch klare Auskunft über den Marktwert wünschten, wurde dem Sachkenner ein vereidigter Schätzer zur Seite gestellt. Vgl. Wolfgang Brückner: Volkskunst – Völkerkunst – Volkskunde im Museum heute. Oder vom Kunst- und Krempel-Denken. In: Bayerische Blätter für Volkskunde 16 (1991), S. 82.
[4]: Dieser Transformationsprozess findet im Grundsatz auch bei der Überantwortung von Objekten in die systematische Instanz Museum statt. Vgl. Udo Gößwald: Die Erbschaft der Dinge. In: Elisabeth Tietmeyer u.a. (Hrsg.): Die Sprache der Dinge. Kulturwissenschaftliche Perspektiven auf die materielle Kultur. Münster u.a. 2010, S. 33.

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Abbildungsnachweis

Die Trödelshow Bares für Rares (ZDF) 2016. Aufnahme von Hannes Burkhardt. Aufgenommen am 30.5.2016 (CC BY-NC-ND 4.0)..

Empfohlene Zitierweise

Bühl-Gramer, Charlotte: Trödelshows im Fernsehen – Geschichte als Ware. In: Public History Weekly 4 (2016) 24, DOI: dx.doi.org/10.1515/phw-2016-6424.


Television shows in which individuals have historical objects that they own examined and valued by experts in order to subsequently put them up for sale are currently a big trend. Viewers of these shows witness how the value of objects from the past is judged according to a ritualised formula. But what and how are the values being negotiated here?

An international phenomenon

The idea of presenting antiques and bric-a-brac on television is by no means new. Various successful formats have been running in many countries since the late 1970s, including the United Kingdom’s Antiques Roadshow (BBC) and its German adaptation, Kunst & Krempel (BR).[1] Since then, the international range of shows about antiques, collectibles and bric-a-brac has expanded enormously and all kinds of variations on the theme are also flourishing on German television.[2] In their traditional format, they are presented as advice shows that focus on placing the objects in the context of their cultural history. The estimation of their market value is both the highlight and the end of these shows.[3] However, today’s versions tend to be scripted productions involving elements of quiz shows, game shows and talent scout shows. The sale of the object is a new key element of the programme. Accordingly, the filming location can move from a stately home with an atmosphere rich in cultural history to an industrial warehouse.

A four-stage format

The evaluation process set up for the viewers consists various dramaturgical stages. The value ascribed to the object changes at each of these stages, and they culminate in the commercialisation of history.

Stage one, the personal history: In the first stage, an expert invites the ‘candidate’ to present a short, ideally emotional narrative on the object’s history and how it is related to the owner’s family history. Here, viewers witness how personal meaning is constructed. During this process, the subjective and ideal sentimental value is gradually replaced by new, mundane, consumerist demands.

Stage two, the significance for cultural history: The expert conducting the evaluation then constructs the object’s cultural meaning. Here, the rarity, uniqueness and condition of the object are key criteria for judging its value, as is its place in history as an object with specific uses. This expert then smoothly transitions to contextualising the object in its broader cultural history. The first dramaturgical highlight is the candidate’s emotional reaction to the expert’s assessment. The hierarchical difference between the assessor and the owner of the object is expressed through praise or criticism with regard to the possession of the object, its condition and – implicitly – the value of the owner’s family history.

Stage three, the market value: The personal and cultural value must now give way to the absolute highlight: the monetary valuation, i.e. the determination of the current market value. Here the candidate’s emotional reaction again contributes to the dramaturgical climax.

Stage four, the sale: The novel final stage is the auctioning of the object and, potentially, its successful sale. When it is sold, the ‘living connection’ between the object and its owner is severed. [4] The personal historical object becomes a commodity once again; the subjective dimension is now, at most, part of the sales strategy. The simple concepts of trade and bargaining are important for ensuring that the entertainment value is as high as possible. The announcement of the sale price and the owner’s accompanying unfulfilled, fulfilled or even exceeded expectations form the end of the plot.

Commodification of history

Viewers observe an interesting process: although the object’s materiality remains unchanged, it undergoes a metamorphosis in terms of the meanings ascribed to it. With this object, they can experience how a social negotiation of the way in which objects are viewed takes place – a negotiation between the individual construction of identity and the commodification of history. However, ultimately, the monetary value and commercial success surely also function as a signal to viewers to start looking for their own treasures and to apply to be the next candidate.

The success of antiques shows is also an expression of modern consumerist society, with its rapid turnover of consumer goods, and of the current generation of heirs who are overloaded with material goods. In the field of material culture, public history has, so far, focused mainly on the specific change in the status of objects in museums. However, the history of objects has been an integral part of popular historical culture on television for many years. To examine the mass cultural phenomenon of the commodification of history in more detail, from the perspective of history teaching, would certainly be worthwhile.

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Further Reading

  • Mary M. Dalton: The Hollywood Curriculum. Teachers in the Movies, New York ²2010.
  • Falk Pingel: Unterricht über den Holocaust. Eine kritische Bewertung der aktuellen pädagogischen Diskussion, in: Simone Lässig (ed.): Grenzgänger / Transcending Boundaries. Aufsätze von Falk Pingel / Essays by Falk Pingel, Göttingen 2009, pp. 165‑162.
  • Alvin H. Rosenfeld: The End of the Holocaust. Bloomington 2011.

Web Resources

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[1] The Antiques Roadshow (BBC) has been running since 1979; Kunst & Krempel (BR) has been running since 1985.
[2] Some typical formats: Germany: Kunst & Krempel (BR) since 1985; echt antik? (SWR) 2006–2008; Der Trödeltrupp – Das Geld liegt im Keller (RTL 2) since 2009; Bares für Rares (ZDF) since 2013; Der Trödel-King (WDR) 2007–2011; Kitsch oder Kunst? (HR), 2007–2009; wieder wertvoll (ZDF), 2016; Lieb & Teuer (NDR) since 2007; Wer bietet mehr? (NDR) since 2016; United Kingdom: Antiques Roadshow (BBC) since 1977; Four Rooms (Channel 4), since 2011; France: Un trésor dans votre maison (M 6) since 2010; USA: Antiques Roadshow (PBS) since 1997; American Pickers (A&E Television Networks) since 2010; Auction Kings (Discovery Channel) 2010–2014.
[3] When Kunst & Krempel was first aired, the objects were evaluated only by an expert from academia. However, as the owners wanted clear information about their market value, a professional valuer was introduced to assist the academic. See Wolfgang Brückner: Volkskunst – Völkerkunst – Volkskunde im Museum heute. Oder vom Kunst- und Krempel-Denken. In: Bayerische Blätter für Volkskunde 16 (1991), p. 82.
[4] In principle, this transformation process also takes place when objects are entrusted to museums. See Udo Gößwald: Die Erbschaft der Dinge. In: Elisabeth Tietmeyer et al. (eds.): Die Sprache der Dinge. Kulturwissenschaftliche Perspektiven auf die materielle Kultur. Münster 2010, p. 33.

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Image Credits

The antiques show Bares für Rares (ZDF) 2016. Source: Hannes Burkhardt. Screenshot taken on 30 May 2016 (CC BY-NC-ND 4.0)..

Recommended Citation

Bühl-Gramer, Charlotte: Antiques shows on television – history as a commodity. In: Public History Weekly 4 (2016) 24, DOI: dx.doi.org/10.1515/phw-2016-6424.

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Categories: 4 (2016) 24
DOI: dx.doi.org/10.1515/phw-2016-6424

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  1. Geschichte wird in Geld taxiert, Geschichte wird verkauft – dieses Erfolgsformat der Fernsehunterhaltung, auf das Charlotte Bühl-Gramer hinweist, darf ganz wörtlich genommen werden. Schließlich geht es nicht allein um die Objekte selber, die für die meisten Zuschauerinnen und Zuseher nichtssagend sein dürften, sondern um die Geschichten, die verhandelt werden. Die aufgezeigte Dramaturgie der jeweiligen Darbietung ist eine dieser Geschichten, sozusagen die Rahmenhandlung. Eingebettet darin finden sich zwei weitere: Die Familiengeschichte des Objekts, also die Geschichte von Erwerb, Tradierung, Besitz. Oft reizvoll anekdotisch vorgebracht, oft Beschreibungen bei Ebay ähnlich und verräterisch für das Geschichtsbewusstsein, wenn die Eigenschaft uralt/antik einem keine 100 Jahre alten Objekt verliehen wird, obwohl das korrekte Alter durchaus bekannt ist. Hier finden sich die typischen Mechanismen, wie sie für das kommunikative Gedächtnis von Harald Welzer und anderen beschrieben worden sind.[1]

    Dem wird in den Sendungen die offizielle Kunst-Geschichte entgegengesetzt, die Stunde des Experten, der das kulturelle Gedächtnis oder schlicht den Markt vertritt. Hierbei handelt es sich um eine kunstgeschichtliche Kontextualisierung, etwa wenn das vermeintlich uralte Stillleben als Produkt serieller Raumausstattungsmaler der später 1940er Jahre entlarvt wird, geschaffen, um dem aus Bombenruinen entstandenen neuen Zuhause wieder ein anheimelndes Ambiente zu geben. Die Sendungen leben dabei von dem Gefälle, das zwischen den beiden Geschichten idealerwiese besteht: Ein ungeliebtes Erbstück, verbunden nur mit der Biographie einer knorrigen Verwandten, verwandelt sich in eine kunsthistorische Sensation. Umgekehrt kann aber auch die liebevoll gepflegte Familiengeschichte nun plötzlich mit einem unwürdigen Objekt verbunden sein, dessen Wert keineswegs dem Erinnerungswert gleichkommt. Die sich hoffentlich einstellende Spannung zwischen den verschiedenen Geschichten ist meines Erachtens eine wichtige Pointe innerhalb der Dramaturgie.

    Letztlich zeigen die Trödelshows sehr schön, dass einem Objekt Wert erst eignet, wenn es für den Rezipienten mit einer Geschichte verbunden sind – und sei es nur der Versicherungswert. Die Neugier des erst unwissenden Zuschauers wird also auf jeden Fall, teils mehrfach, befriedigt. Es liegt das von Rolf Schörken beschriebene Rätselmotiv zur Befassung mit Vergangenheit vor. Möglicherweise ist dies für so manchen Eigentümer das eigentliche Problem: Er kennt die Geschichte des Objekts nicht. Der Experte soll ihm nun eine erzählen. Wie ein rätselhaftes, also geschichtsloses Objekt eine Familie beherrscht, verhandelt übrigens Bernhard Schlink in einer seiner Erzählungen, die in dem Band “Liebesfluchten“ versammelt sind.

    Der anhand der Sendungen musterhaft analysierbare Prozess lässt sich historisch vertiefen: Dass Geschichten ein Objekt beglaubigen und damit bewerten, galt schon im Mittelalter, als von Reliquien oder Kultobjekten uns heute oft abenteuerlich anmutende Geschichten erzählt wurden, um mit ihrer Herkunft ihren religiösen Wert zu stärken. Als Beispiel von dessen Ende nenne ich das Wittenberger Heiltumsbuch, das versammelt, wogegen sich Martin Luther mit theologischen, nicht historischen Argumenten wandte.

    Die Transformation der Objekte, die heute vor den Kameras stattfindet, kann man historisch vor allem in der großen Säkularisation um 1800 beobachten, als Erinnerungsobjekte und religiöse Gegenstände plötzlich kunsthistorisch betextet wurden und in die neuen Nationalmuseen wanderten oder als sinn- und bedeutungslos beim Altwarenhändler verschwanden, weil ihre Geschichten schlagartig vergessen wurden, als die staatlichen Beamten die vermeintlichen Klosterschätze taxierten. Damals war ein Dürer schon lange begehrt, Riemenschneider zum Beispiel aber noch unbekannt. Das Format Trödelshow erweist sich damit meines Erachtens als gut geeignet, die Bedeutung von Narration als Prinzip menschlicher Welterschließung vorzuführen. Für “public historians“ mag es sich um Lehrbeispiele gelingender oder misslingender Musealisierung handeln. Für Museumspraktiker dagegen entsteht kein geringes Problem, wenn es zum Beispiel um Künstlernachlässe geht. Müll oder Museum,[2] auch darauf weist Charlotte Bühl-Gramer treffend hin, ist eine Frage, der sich das Geschichtsbewusstsein der “Erbengeneration“ stellen muss.

    Fussnoten
    [1] Und nicht auf unsere Zeit beschränkt: Fuchs, Ralf-Peter, Erinnerungsgeschichten: Zur Bedeutung der Vergangenheit für den „gemeinen Mann“ der Frühen Neuzeit, in: Ders./Winfried Schulze (Hg.), Wahrheit, Wissen, Erinnerung. Zeugenverhörprotokolle als Quellen für soziale Wissensbestände in der Frühen Neuzeit (Wirklichkeit und Wahrnehmung in der Frühen Neuzeit 1), Münster u. a. 2002, S. 89–154.
    [2] Verena Walterspiel, Müll oder Museum – Wohin mit dem Nachlass eines Künstlers?, in: Historischer Verein Erding. Jahresschrift 2014, S. 7-24.

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