Against Systematic Forgetting – For More Equal Rights

Gegen das systematische Vergessen – für mehr Gleichberechtigung

Abstract:
How to write about forgetting in times of war? The author argues for working against forgetting in all fields of historical scholarship. For human rights and equality are not only goals that determine the politics of democracies, but must also be given validity in science. The recognition of scientific achievements must not depend on scientists’ origin, gender, power or other characteristics. In a nutshell: a better world will only exist with the implementation of human rights, and a better historical science will be characterised by the fact that achievements are fully recognised and related to the works of other historians without prejudice.
DOI: dx.doi.org/10.1515/phw-2022-19835
Languages: English, German

Vergessen hängt eng mit dem Erinnern zusammen, kann auf ganz verschiedenen Wegen erfolgen und unterschiedliche Funktionen erfüllen.[1] Vergessen wird positiv oder negativ konnotiert und betrifft den einzelnen ebenso wie Gruppen. Vergessen stellt dabei ein Charakteristikum moderner Wissenschaften dar, wie Harald Weinrich in „Oblivionismus der Wissenschaft“ postuliert.[2] Historiker:innen arbeiten auf verschiedenen Feldern gegen dieses Vergessen an. Einen Teil der Geschichte halten sie so fest, anderes blenden sie von vornherein aus. Das meiste fällt sowieso dem Vergessen anheim. Neben der begrenzten Themenauswahl und der Nichtbeachtung von Fragen, Themen und Materialien kommt noch der Umstand hinzu, dass Archive nur einen sehr geringen Teil der Quellen sichern können. Sie arbeiten ebenfalls mit Auswahl und Vernichtung. Diese „Kassationen“ lassen Historiker:innen davon träumen, was an dieser Stelle einmal aufbewahrt gewesen sein dürfte.

Suchen und Finden

Da sich eine Geschichte vernichteter Quellen nicht mehr schreiben lässt, kam den Archiven bislang eine entscheidende Rolle zu. Denn: „Fehlentscheidungen können nicht mehr korrigiert werden.“[3] Was für eine Herkules-Aufgabe – denn was heute nicht interessiert, kann unter Umständen schon wenige Jahre später oder aber nach Jahrzehnten und Jahrhunderten von größtem Interesse sein. Auch wenn in Archiven noch so überlegt vorgegangen wird, Archivgesetze vieles regeln, letztlich bleibt es den Interessen einzelner und dem Zufall überlassen, was Archiven angeboten wird, was angenommen oder abgelehnt wird, was gesichtet, was aufbewahrt und was vernichtet wird. Aber welche Rolle wird das Archivgut des Bundes, der Länder und der Städte und anderer Institutionen in Zukunft noch spielen? Auch auf diesem Feld schlägt sich die umfassende Veränderung der Geschichtswissenschaft nieder: Wie Manfred Thaler schon vor vielen Jahren festgestellt hat, machen technische Veränderungen auch vor einer alten, ehrwürdigen Zunft nicht halt.[4] Im Bundesarchiv stellt man mit Bedauern fest, dass inzwischen viele Arbeiten publiziert werden, die ganz auf die Benutzung von vorhandenen Archivalien verzichten.[5] Das dürfte ebenso wie die Tendenz, immer mehr Themen der neuesten Zeitgeschichte aufzugreifen, eher zu- als abnehmen. Denn die Zugänglichkeit zu den Archiven ist trotz aller Digitalisierungs- und Öffnungsbemühungen nicht einfach und für die Zeit nach 1990 stehen Quellen und Materialien in großen Mengen zur Verfügung, die nur einen Klick entfernt sind.

Systematisches Vergessen

Eine Technik des Vergessens wird seit der Etablierung der Geschichtswissenschaft als universitäres Fach mit solcher Konsequenz angewendet, dass sie der von Aleida Assmann beschriebenen Technik des Löschens nahe kommt.[6] Die Arbeiten von Frauen wurden bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts systematisch ignoriert und meist nicht in den Kanon der wegbereitenden Texte, in Überblicksdarstellungen oder in Ausstellungen aufgenommen.[7] Die Wissenschaftshistorikerin Margaret Rossiter hat dieses systematische Ausblenden 1993 beschrieben und dafür den Begriff „Matthäus-Matilda-Effekt” eingeführt.[8] Dieser nicht zufällige, sondern methodische Umgang mit den Leistungen von Frauen prägt die Geschichtswissenschaft auch weiter, wenn diese Leistungen nachträglich in separaten Darstellungen oder Ausstellungen gewürdigt werden. Die Machtverhältnisse und die Strukturen im Fach führen bis heute dazu, dass auf der einen Seite Historikerinnen (wie Historiker:innen ohne feste Stellen und Außenseiter generell) ihre Arbeiten immer auch auf Texte von einflussreichen und/oder mächtigen Historikern stützen, in der Hoffnung, so rezipiert zu werden und reüssieren zu können. Auf der anderen Seite können Werke von diesen Kolleg:innen ignoriert oder marginalisiert werden, ohne negative Folgen für die eigene Arbeit und berufliche Chancen fürchten zu müssen. Am Beispiel von vier Frauen, Matilda Joslyn Gage (1826-1898), auf die sich Rossiter in ihrem Aufsatz bezieht,[9] Charlotte Perkins Gilman (1860-1935), Selma Stern (1890-1981) und Hedwig Hintze-Guggenheimer (1884-1942) soll dieses systematische Nichtaufnehmen in das kulturelle Gedächtnis hier in Erinnerung gerufen werden.

Vergessene Frauen

Matilda Joslyn Gage

war eine amerikanische Frauenrechtlerin, die es wagte, öffentlich das Wort zu ergreifen, für Frauenzeitschriften arbeitete, soziologische Analysen, feministische und bibelkritische Texte schrieb. Zudem veröffentlichte sie ein Buch über die Beiträge von Frauen in der Technologie-Geschichte, in dem sie z.B. die Erfindung der Baumwollmaschine, entgegen der damaligen Meistererzählung, einer Frau zuschrieb. Als Frau und Autodidaktin fand sie in keiner Disziplin Aufnahme in den Kanon.

Charlotte Perkins Gilman

war zu Lebzeiten eine begehrte Rednerin und viel zitierte Autorin, eine charismatische Figur, die über die USA hinaus international bekannt war. Ihr Buch Women and Economics, 1898 erschienen und in sieben Sprachen übersetzt, legte den Grundstein ihres Ruhmes. Ihre Schriften wurden in den USA, England und Europa diskutiert.[10] Geprägt waren Perkins Gilmans soziologische und historischen Analysen von einem starken Fortschritts- und Wissenschaftsoptimismus. Von der Befreiung und Gleichberechtigung der Frau versprach sie sich einen durchschlagenden Fortschritt für eine bessere, gesündere und gerechtere Welt. Ihre Biografin Anne J. Lane sieht Perkins Gilman in derselben Liga wie die „Denker“ Henry Adams, Charles Darwin, Max Weber, William Spencer, Karl Marx, Friedrich Engels und Sigmund Freud.[11] Perkins Gilmans Autobiografie, die kurz nach ihrem Tod 1935 erschien, gab noch einmal Anlass, ihr Lebenswerk zu würdigen, danach vergaß man sie. Sie war eine Frauenrechtlerin, keine ausgebildete Historikerin, Philosophin oder Soziologin, als Außenseiterin in der Welt der Wissenschaften hatte sie keine Schüler:innen, für die es sich gelohnt hätte, ihre Ideen und Werke weiterzuentwickeln und weiterzugeben.

Selma Stern

und Hedwig Hintze-Guggenheimer waren jüdischer Herkunft. Welchen Verlust für die Wissenschaft in Deutschland die Entrechtung, Verfolgung und Vertreibung der jüdischen Wissenschaftler:innen bedeutete, ist durch die neuere Forschung inzwischen sehr gut belegt.[12] Selma Stern war eine der ersten deutschen Historikerinnen, die nach einem 1913 in München mit der Promotion abgeschlossenen Geschichtsstudium 1920 in der neu gegründeten Akademie für die Wissenschaft des Judentums in Berlin eine Anstellung fand.[13] Ihr Habilitationsgesuch wurde nicht angenommen. Sie spezialisierte sich bereits mit ihrer Dissertation auf Biographien, die sie innovativ weiterentwickelte. Nach der Emigration fand sie erst 1947 eine feste Anstellung als Archivleiterin, als das Hebrew Union College ein amerikanisch-jüdisches Zentralarchiv gründete. Als sie 1960 nach Europa zurückkehrte, fand sie wie viele andere Remigranten beruflich keinen Anschluss mehr. Heute wird sie bestenfalls in deutsch-jüdischen Studien zur Frühen Neuzeit rezipiert, ihre Biographiekonzeptionen finden sich nicht in neueren Überblickswerken[14] zur (historischen) Biographie.

Hedwig Hintze-Guggenheimer

war als Frau, Jüdin und dem Linksliberalismus nahe stehende Historikerin dreifach marginalisiert.[15] Als Ehefrau eines bekannten Historikers wurde sie jedoch nicht nur 1923 mit einer Arbeit über den Föderalismus in der Frühzeit der Französische Revolution summa cum laude promoviert, sondern konnte auch 1928 mit einem erweiterten Manuskript zu diesem Thema an der Berliner Universität habilitieren. Danach lehrte sie dort bis 1933 als Privatdozentin und führte die Studierenden in die französische Literatur und die Forschungskontroversen zur Französischen Revolution ein. Mit ihren innovativen Arbeiten zur Französischen Revolution stieß sie ebenso wie mit ihren Versuchen, die Weimarer Republik ideell und historisch zu begründen, auf den Widerspruch ihrer konservativen Kollegen. 1933 verlor sie nicht nur ihre Lehrberechtigung, sondern wurde auch von der Mitarbeit an der Historischen Zeitschrift ausgeschlossen. Sie emigrierte und ihre von den Ideen von 1789 inspirierten Arbeiten wurden von den deutschen Kollegen nicht weiter zitiert.

Ausblick

Eine nachträgliche Rezeption der Arbeiten dieser vergessenen Autorinnen erfolgt in der Regel auf separaten Gebieten der Frauenforschung und führt selten dazu, dass die Leistungen der Frauen in die Geschichte ihrer Arbeitsgebiete nachträglich integriert werden. Vielleicht werden in Zukunft neue digitale Publikationsorte und neue Arbeitsweisen von Historiker:innen dazu beitragen, dass auch diejenigen, die aus dem kulturellen Gedächtnis gelöscht wurden, wieder in die historischen Narrative eingefügt werden, wie das z.B. langsam, aber wohl sehr erfolgreich für die Geschichte der Armenier:innen aus dem Osmanischen Reich gilt, deren in alle Welt zerstreuten Nachfahren auf einer Website die Quellen zu ihrer Geschichte unter der Anleitung von Historiker:innen zusammentragen: https://www.houshamadyan.org/home.html.

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Literaturhinweise

  • Assmann, Aleida. Erinnerungsräume. Formen und Wandlungen des kulturellen Gedächtnisses (5. Auflage). München: C.H. Beck, 2010.
  • Kümper, Hiram, ed. Eine biobibliographische Spurensuche im deutschen Sprachraum. Kassel: Stiftung Archiv der Deutschen Frauenbewegung, 2009.
  • Rossiter, Margaret W. “Der Matthäus Matilda Effekt in der Wissenschaft,” in Zwischen Vorderbühne und Hinterbühne. Beiträge zum Wandel in der Wissenschaft vom 17. Jahrhundert bis zur Gegenwart, edited by Theresa Wobbe. Bielefeld: transcript, 2003: 191-210.

Webressourcen

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[1] Vgl. dazu Aleida Assmann, Formen des Vergessens (Bonn: Bundeszentrale für politische Bildung, 2018).
[2] Harald Weinrich, Lethe. Kunst und Kritik des Vergessens (München: C.H. Beck, 2005), 263-271.
[3] “Was ist eigentlich ‛Kassation’?,” Universitätsarchiv Leipzig, https://service.archiv.uni-leipzig.de/2016/11/11/was-ist-eigentlich-kassation/ (letzter Zugriff am 20. Februar 2022).
[4] Angelika Schaser, “Geschichtswissenschaft auf dem Weg zur E-History?,” Der Archivar 59, no. 4 (2006): 374-375, hier 374.
[5] Andrea Hänger, “Die Mühsal der Zugänglichkeit. Methodische Herausforderungen beim Aufbau virtueller Lesesäle,” Zeithistorische Forschungen/Studies in Contemporary History 17, no. 1 (2020), https://doi.org/10.14765/zzf.dok-1763. Druckausgabe, S. 179-189: „ ….blättert man durch die Quellenverzeichnisse mancher Neuerscheinungen, wundert man sich, wie viele Arbeiten ganz ohne die Verwendung von Archivgut auskommen, auch wenn oder gerade weil es im Bundesarchiv Kilometer von Akten zu den Themen gegeben hätte.“
[6] Assmann, Formen, 21.
[7] Angelika Schaser, “Einführung in den Band: Historikerinnen. Eine biobibliographische Spurensuche im deutschen Sprachraum,” in Historikerinnen. Eine biobibliographische Spurensuche im deutschen Sprachraum, ed. Hiram Kümper (Kassel: Stiftung Archiv der Deutschen Frauenbewegung, 2009), 9-14.
[8] Margaret W. Rossiter, “Der Matthäus Matilda Effekt in der Wissenschaft,” in Zwischen Vorderbühne und Hinterbühne. Beiträge zum Wandel in der Wissenschaft vom 17. Jahrhundert bis zur Gegenwart, edited by Theresa Wobbe (Bielefeld: transcript, 2003), 191-210.
[9] Margaret W. Rossiter, “Matthäus Matilda Effekt”, 201-203.
[10] Carl N. Degler, “Introduction to the torchbook edition,” in Charlotte Perkins Gilman: Women and Economics. A Study of the Economic Relation between Men and Women as a Factor in Social Evolution, edited by Carl N. Degler (New York: Harper&Row, 1966), VI.
[11] Anne J. Lane, To Herland and Beyond. The life and work of Charlotte Perkins Gilman (Charlottesville/London: University Press of Virginia, 1997), 230. Vgl. auch Ursula I. Meyer, PhilosophinnenLeben. Charlotte Perkins Gilman (Aachen: ein-FACH-verlag, 2016).
[12] Kirsten Heinsohn, Rainer Nicolaysen, “Einleitung,” in Belastete Beziehungen. Studien zur Wirkung von Exil und Remigration auf die Wissenschaften in Deutschland nach 1945, edited by Kirsten Heinsohn, und Rainer Nicolaysen (Göttingen: Wallstein Verlag, 2021), 7-17.
[13] Marina Sassenberg, Selma Stern (1890-1981). Das Eigene in der Geschichte (Tübingen: Mohr Siebeck, 2004): 64-69, 261.
[14] Vgl. Thomas Etzemüller, Biographien. Lesen – erforschen – erzählen (Frankfurt am Main/New York: Campus Verlag, 2012) und Christian Klein, ed., Handbuch Biographien. Methoden, Traditionen, Theorien (Stuttgart/Weimar: Metzler, 2009).
[15] Bernd Faulenbach, “Hedwig Hintze-Guggenheimer (1884-1942). Historikerin der Französischen Revolution und republikanische Publizistin,” in Frauen in den Kulturwissenschaften. Von Lou Andreas-Salomé bis Hannah Arendt, ed. Barbara Hahn (München: C.H. Beck, 1994), 136-151.

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Abbildungsnachweis

Constructive Peace Group: at left, Charlotte P. Gillman; next Mrs. C.C. Catt; Dr. A.H. Shaw; Mrs. Henry Willard; Mrs. Anna G. Spencer; Marion T. Burritt; Janet Richards. 2nd row, 2nd from left, Mrs. Julius Kahn; right, Rosalie Jones; right, half way back, Mrs. Richard Boeckel (at 1 Jan 1914), by Harris & Ewing, photographer – Library of CongressCatalog: https://lccn.loc.gov/2016866083, Image download: https://cdn.loc.gov/service/pnp/hec/05300/05308v.jpg Original url: https://www.loc.gov/pictures/item/2016866083/, Public Domain, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=67185219.

Empfohlene Zitierweise

Schaser, Angelika: Gegen das systematische Vergessen – für mehr Gleichberechtigung. In: Public History Weekly 10 (2022) 4, DOI: dx.doi.org/10.1515/phw-2022-19835.

Redaktionelle Verantwortung

Marko Demantowsky / Thomas Hellmuth

Forgetting is closely related to remembering. It occurs in very different ways and fulfils different functions.[1] It has positive or negative connotations and affects individuals as well as groups. It also characteristic of modern science, as Harald Weinrich postulates in “Oblivionismus der Wissenschaft” (“Oblivionism of Science”).[2] Historians work against this forgetting in various fields. In doing so, they record some parts of history, but exclude others from the outset. Most of history is forgotten anyway. Besides the limited selection of topics and the ignoring of questions, themes and materials, archives can only house a small minority of sources. They also work with selection and destruction. These “cassations” (i.e. acts of cancelling) make historians dream of what might once have been preserved in this place.

Searching and Finding

Since it is impossible to write a history of destroyed sources, archives have so far played a decisive role. After all, “wrong decisions can no longer be corrected.”[3] What a Herculean task – because what is of no interest today may be of the greatest interest just a few years later or decades and centuries later. Even if archives proceed with great deliberation, and despite archive laws regulating many things, in the end it is left to individual interests and to chance what is offered to archives, what is accepted or rejected, what sighted or discarded, what stored or destroyed. But what role will federal, state, municipal and other institutional archives still play in the future? Here, too, the comprehensive change in historical scholarship is also evident: as Manfred Thaler noted many years ago, technical changes do not stop at an old, venerable guild.[4] At the Bundesarchiv (Federal Archives of Germany), one notes with regret that many works are now being published that dispense entirely with using existing archival records.[5] This is likely to increase rather than decrease, as is the tendency to focus ever more on contemporary history. After all, archive accessibility remains difficult despite digitisation and other efforts to open up holdings. For the period after 1990, copious sources and materials are available only one click away.

Systematic Forgetting

One technique of forgetting has been applied so consistently ever since the establishment of history as a university subject that it approaches the technique of erasure described by Aleida Assmann.[6] The work of women was systematically ignored until the mid-20th century and largely excluded from the canon of seminal texts, as well as from overviews or exhibitions.[7] Describing this systematic omission in 1993, the historian of science Margaret Rossiter introduced the term “Matthew-Matilda effect.”[8] This not accidental but methodical treatment of women’s achievements continues to shape historical scholarship even when they are subsequently acknowledged in separate presentations or exhibitions. Disciplinary power relations and structures still mean that, on the one hand, women historians (just like untenured colleagues and outsiders) always base their work on texts by influential and/or powerful historians in the hope of being received and being successful. On the other hand, works by these colleagues can be ignored or marginalised without jeopardising one’s own work and professional opportunities. Using the example of four women, Matilda Joslyn Gage (1826–1898), to whom Rossiter refers,[9] Charlotte Perkins Gilman (1860–1935), Selma Stern (1890–1981) and Hedwig Hintze-Guggenheimer (1884–1942), what follows recalls this systematic non-inclusion in cultural memory.

Forgotten Women

Matilda Joslyn Gage

was an American women’s rights activist who dared to speak out publicly, worked for women’s magazines, wrote sociological analyses, feminist texts and texts critical of the Bible. She also published a book on the contributions of women to the history of technology, in which she attributed, for example, the invention of the cotton machine to a woman, contrary to the master narrative of the time. As a woman and self-taught scientist, she was not accepted into the canon in any discipline.

Charlotte Perkins Gilman

was a sought-after speaker and much-cited author during her lifetime, a charismatic figure who was internationally known beyond the USA. Her book Women and Economics, published in 1898 and translated into seven languages, laid the foundation of her fame.[10] Her writings were discussed in the USA, England and Europe. Perkins Gilman’s sociological and historical analyses were characterised by a strong optimism for progress and science. She hoped that women’s liberation and equality would lead to resounding progress and help establish a better, healthier and more equitable world. Her biographer Anne J. Lane sees Perkins Gilman in the same league as the “thinkers” Henry Adams, Charles Darwin, Max Weber, William Spencer, Karl Marx, Friedrich Engels and Sigmund Freud.[11] Perkins Gilmans’ autobiography, published shortly after her death in 1935, once again gave cause to honour her life’s work, after which she was forgotten. She was a women’s rights activist, not a trained historian, philosopher or sociologist; as an outsider in the world of science, she had no students for whom it would have been worthwhile to develop and pass on her ideas and works.

Selma Stern

and Hedwig Hintze-Guggenheimer were of Jewish origin. The loss that the disenfranchisement, persecution and expulsion of Jewish scientists meant for science in Germany is now well documented by recent research.[12] Selma Stern was one of the first German historians who, after completing her doctorate in history in Munich in 1913, found employment in 1920 at the newly founded Academy for the Science of Judaism [Akademie für die Wissenschaft des Judentums] in Berlin.[13] Her application for a habilitation (which, if awarded, would have qualified her to teach at universities) was not accepted. She already specialised in biographies with her dissertation, which she developed further in an innovative way. After emigrating, she did not find a permanent position as head of archives until 1947, when Hebrew Union College founded an American Jewish Central Archive. When she returned to Europe in 1953, Stern, like many other returnees, was unable to find employment. Today, she is at best received in German-Jewish studies on the early modern period; her conceptions of biography are missing from more recent surveys on (historical) biography.[14]

Hedwig Hintze-Guggenheimer

was a woman, a Jew and a historian who was close to left-liberalism and thus marginalised threefold.[15] However, as the wife of a well-known historian, she not only earned a summa cum laude in 1923 for her doctoral thesis on federalism in the early period of the French Revolution, but was also able to habilitate (obtain a postdoctoral degree) at Berlin University in 1928 with an extended treatment of her dissertation topic. She served as a Privatdozentin (adjunct professor) until 1933, introducing students to French literature and the research controversies surrounding the French Revolution. With her innovative work on the French Revolution, as well as with her attempts to establish the Weimar Republic ideologically and historically, she faced opposition from her conservative colleagues. In 1933, she not only lost her teaching licence, but was also excluded from contributing to the Historische Zeitschrift. Following her emigration, her work, inspired by the ideas of 1789, was no longer cited by her German colleagues.

Outlook

The work of these forgotten authors tends to receive attention in separate fields of women’s studies, just as their achievements are rarely integrated into, and thus recognised in, the history of their fields of work. Perhaps in the future, new digital publication venues and new ways of working by historians will contribute to once again including those erased from cultural memory in historical narratives. Although slowly yet probably very successfully, this is happening, for example, with the history of the Armenians in the Ottoman Empire. Scattered across the world, their descendants are compiling the sources needed to write their history on a dedicated website under the guidance of historians: https://www.houshamadyan.org/home.html.

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Further Reading

  • Assmann, Aleida. Erinnerungsräume. Formen und Wandlungen des kulturellen Gedächtnisses (5th ed.). Munich: C.H. Beck, 2010.
  • Kümper, Hiram, ed. Eine biobibliographische Spurensuche im deutschen Sprachraum. Kassel: Stiftung Archiv der Deutschen Frauenbewegung, 2009.
  • Margaret W. Rossiter, “The Matthew Matilda Effect in Science,” Social Studies of Science 32, no. 2 (1993), 325–341.

Web Resources

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[1] Cf. Aleida Assmann, Formen des Vergessens (Bonn: Bundeszentrale für politische Bildung, 2018).
[2] Harald Weinrich, Lethe. Kunst und Kritik des Vergessens (Munich: C.H. Beck, 2005), 263–271.
[3] “Was ist eigentlich ‘Kassation’?” Universitätsarchiv Leipzig, https://service.archiv.uni-leipzig.de/2016/11/11/was-ist-eigentlich-kassation/ (last accessed 20 February 2022).
[4] Angelika Schaser, “Geschichtswissenschaft auf dem Weg zur E-History?,” Der Archivar 59, no. 4 (2006): 374-375, here 374.
[5] Andrea Hänger, “Die Mühsal der Zugänglichkeit. Methodische Herausforderungen beim Aufbau virtueller Lesesäle,” Zeithistorische Forschungen/Studies in Contemporary History 17, no. 1 (2020), https://doi.org/10.14765/zzf.dok-1763. Print edition, 179-189: “ …. Leafing through the source lists of some new publications, one is surprised at how many works manage entirely without the use of archival material, even if or precisely because there would have been kilometres of files on the topics in the Federal Archives.”
[6] Assmann, Formen, 21.
[7] Angelika Schaser, “Einführung in den Band: Historikerinnen. Eine biobibliographische Spurensuche im deutschen Sprachraum,” in Historikerinnen. Eine biobibliographische Spurensuche im deutschen Sprachraum, ed. Hiram Kümper (Kassel: Stiftung Archiv der Deutschen Frauenbewegung, 2009), 9–14.
[8] Margaret W. Rossiter, “The Matthew Matilda Effect in Science,” Social Studies of Science 32, no. 2 (1993), 325–341.
[9] Rossiter, 335–337.
[10] Carl N. Degler, “Introduction to the torchbook edition,” in Charlotte Perkins Gilman: Women and Economics. A Study of the Economic Relation between Men and Women as a Factor in Social Evolution, edited by Carl N. Degler (New York: Harper&Row, 1966), VI.
[11] Anne J. Lane, To Herland and Beyond. The life and work of Charlotte Perkins Gilman (Charlottesville/London: University Press of Virginia, 1997), 230. Cf. Ursula I. Meyer, PhilosophinnenLeben. Charlotte Perkins Gilman (Aachen: ein-FACH-verlag, 2016).
[12] Kirsten Heinsohn and Rainer Nicolaysen, “Einleitung,” in Belastete Beziehungen. Studien zur Wirkung von Exil und Remigration auf die Wissenschaften in Deutschland nach 1945, edited by Kirsten Heinsohn, and Rainer Nicolaysen (Göttingen: Wallstein Verlag, 2021), 7–17.
[13] Marina Sassenberg, Selma Stern (1890–1981). Das Eigene in der Geschichte (Tübingen: Mohr Siebeck, 2004), 64–69, 261.
[14] See Thomas Etzemüller, Biographien. Lesen – erforschen – erzählen (Frankfurt am Main/New York: Campus Verlag, 2012); see also Christian Klein, ed., Handbuch Biographien. Methoden, Traditionen, Theorien (Stuttgart/Weimar: Metzler, 2009).
[15] Bernd Faulenbach, “Hedwig Hintze-Guggenheimer (1884–1942). Historikerin der Französischen Revolution und republikanische Publizistin,” in Frauen in den Kulturwissenschaften. Von Lou Andreas-Salomé bis Hannah Arendt, ed. Barbara Hahn (Munich: C.H. Beck, 1994), 136–151. 

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Image Credits

Constructive Peace Group: at left, Charlotte P. Gillman; next Mrs. C.C. Catt; Dr. A.H. Shaw; Mrs. Henry Willard; Mrs. Anna G. Spencer; Marion T. Burritt; Janet Richards. 2nd row, 2nd from left, Mrs. Julius Kahn; right, Rosalie Jones; right, half way back, Mrs. Richard Boeckel (at 1 Jan 1914), by Harris & Ewing, photographer – Library of CongressCatalog: https://lccn.loc.gov/2016866083, Image download: https://cdn.loc.gov/service/pnp/hec/05300/05308v.jpg Original url: https://www.loc.gov/pictures/item/2016866083/, Public Domain, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=67185219.

Recommended Citation

Schaser, Angelika: Against Systematic Forgetting – For More Equal Rights. In: Public History Weekly 10 (2022) Issue, DOI: dx.doi.org/10.1515/phw-2022-19835.

Editorial Responsibility

Marko Demantowsky / Thomas Hellmuth

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DOI: dx.doi.org/10.1515/phw-2022-19835

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    OPEN PEER REVIEW

    Forgetting is not accidental

    The title of the article has the form of a slogan and establishes an important connection, that between equality and remembering. Accordingly, it is not “only” about questions of forgetting and remembering, but a political goal is linked to the considerations, namely equality. The topic of the contribution is power relations in science that create a canon that excludes and disadvantages by forgetting.

    Forgetting is not accidental, but happens systematically. Thus, it creates and reinforces existing power relations between the sexes, between those included and those excluded. It is rightly pointed out that forgetting is not limited to the presence and works of women, even if they are the main focus of the paper. How exactly does systematic forgetting work? Important practices are citation cartels and canonizations. These result in the fact that while the marginalized (must) cite the canon in order to accumulate significance, conversely, no mention is necessary. Systematic forgetting also includes archival practices whose selection criteria reinforce – rather than undermine or challenge – the canon.

    None of this is new, and gender history in particular has long denounced it – even in the first works of historicization. Therefore, although scholarly and published works by women* (read: and other marginalized people) have been snatched from oblivion again and again, the boundaries of the canon have hardly been – and still are – torn down, which is perhaps the most important insight. Very few works reach the center of power.

    So, what to do? Does it help to draw attention to forgotten women in an international medium like Public History Weekly? Or do Matilda Joslyn Gage, Charlotte Perkins Gilman, Selma Stern, Hedwig Hintze-Guggenheimer and many others nevertheless remain on the margins, continue to be perceived as part of a separate field, women’s history – and forgotten again? Can digitization bring about new forms and new structures of archiving that are more democratic and participatory? Or do they reinforce citation cartels or http addresses simply because of the abundance of possibilities? Do digitized tradition and participatorily created knowledge change practices of power? Perhaps they can – not because digitization would suffice, but if they enable structures of differentiation, analogous and digital, alongside and beyond old forms of centralization and canonization.

    Let’s take Charlotte Perkins Gilman, who wrote not only the work Women and Economics, which is in fact hardly received any more, but also a utopian narrative, Herland, a narrative about a utopian women’s world, which appeared in 1915 serialized in the liberal journal The Forerunners. It was not until 1979 that it was published as a book with a detailed preface and classification in the history of feminist ideas, and in 1980 in German in the Rowohlt series “Neue Frau.” From there (perhaps from other places as well) the narrative has repeatedly found its way into textbooks on (modern) utopias, often as the only text by a woman. To conclude from this that it has been accepted into the canon would certainly be too optimistic, but in order to understand how marginalization is produced in times of participation and democracy, in times of plural information possibilities, how integration can go hand in hand with the establishment of new differences, a look at the complexity of practices of forgetting and remembering, of visibility and invisibility is certainly helpful. The article establishes the political context with its slogan and therefore represents an important starting point. Forgetting is just as multilayered as remembering; visibility does not necessarily prevent invisibility either.

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    Vergessen ist kein Zufall

    Der Titel des Beitrags hat die Form einer Parole und stellt einen wichtigen Zusammenhang her, den zwischen Gleichberechtigung und Erinnern. Es geht demnach nicht „nur“ um Fragen des Vergessens und Erinnerns, sondern es wird ein politisches Ziel mit den Überlegungen verbunden, nämlich Gleichberechtigung. Thema des Beitrags sind Machtverhältnisse in der Wissenschaft, die einen Kanon hervorbringen, der ausgrenzt und benachteiligt, indem er vergisst.

    Vergessen ist kein Zufall, sondern passiert systematisch. So erzeugt und bestärkt es bestehende Machtverhältnisse zwischen den Geschlechtern, zwischen Ein- und Ausgegrenzten. Zurecht wird darauf verwiesen, dass Vergessen nicht auf Präsenz und Werke von Frauen beschränkt ist, auch wenn diese den Hauptfokus des Beitrags darstellen. Wie genau funktioniert systematisches Vergessen? Wichtige Praktiken sind Zitierkartelle und Kanonisierungen. Diese führen dazu, dass zwar die Marginalisierten den Kanon zitieren (müssen), um Bedeutung zu akkumulieren, umgekehrt aber keine Erwähnung nötig ist. Zum systematischen Vergessen gehören auch Archivierungspraktiken, deren Auswahlkriterien den Kanon bestärken – statt ihn zu unterlaufen oder infrage zu stellen.

    Dies alles ist nicht neu und gerade von der Geschlechtergeschichte seit Langem, schon mit den ersten Werken der Historisierung, angeprangert. Obwohl daher immer wieder wissenschaftliche und publizistische Arbeiten von Frauen* (lies: und anderen Marginalisierten) dem Vergessen entrissen wurden, wurden und werden – das ist vielleicht die wichtigste Erkenntnis – die Grenzen des Kanons kaum eingerissen. Die wenigsten Werke erreichen das Zentrum der Macht.

    Was also tun? Hilft es, in einem internationalen Medium wie Public History Weekly auf vergessene Frauen aufmerksam zu machen? Oder bleiben Matilda Joslyn Gage, Charlotte Perkins Gilman, Selma Stern, Hedwig Hintze-Guggenheimer und viele andere dennoch am Rande, werden sie weiterhin als Teil eines separierten Felds, der Frauengeschichte, wahrgenommen – und wieder vergessen? Kann die Digitalisierung neue Formen und neue Strukturen des Archivierens hervorbringen, die demokratischer und partizipativer sind? Oder verstärken sie allein schon aufgrund der Fülle der Möglichkeiten Zitierkartelle rsp. Http-Adressen? Ändern digitalisierte Überlieferungen und partizipative Wissensgenerierungen die Praktiken der Macht? Vielleicht können sie es – nicht, weil Digitalisierung reichen würde, sondern dann, wenn sie Strukturen der Differenzierung ermöglichen und dies analog wie digital, neben und jenseits alter Formen der Zentralisierung und Kanonisierung.

    Nehmen wir Charlotte Perkins Gilman, die nicht nur das in der Tat kaum mehr rezipierte Werk Women and Economics verfasst hat, sondern auch eine utopische Erzählung, Herland, eine Erzählung über eine utopische Frauenwelt, die 1915 in Fortsetzung in der liberalen Zeitschrift The Forerunners erschienen ist. Erst 1979 ist sie als Buch mit einem ausführlichen Vorwort und Einordnung in die feministische Ideengeschichte, 1980 auf Deutsch in der Rowohlt-Reihe „Neue Frau“ publiziert worden. Von da aus (vielleicht auch noch von anderen Orten aus) hat die Erzählung immer wieder den Weg gefunden in Grundlagenwerke zu (modernen) Utopien, oft als einziger Text von einer Frau. Daraus auf die Aufnahme in den Kanon zu schließen, wäre sicherlich zu optimistisch; um jedoch zu verstehen, wie Randständigkeit in Zeiten von Partizipation und Demokratie, in Zeiten von pluralen Informationsmöglichkeiten hergestellt wird, wie Integration mit der Etablierung neuer Differenzen einhergehen kann, dazu ist ein Blick auf die Vielschichtigkeit von Praktiken des Vergessens und Erinnerns, der Sichtbarkeit und Unsichtbarkeit sicherlich hilfreich. Der Beitrag stellt mit seiner Parole den politischen Zusammenhang her und daher einen wichtigen Ausgangspunkt dar. Vergessen ist ebenso vielschichtig wie Erinnern, auch Sichtbarkeit verhindert nicht unbedingt Unsichtbarkeit.

     

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    Systematische Unsichtbarkeitsmachung!

    Angelika Schaser spricht in ihrem Beitrag ein grundlegendes Problem in der Wissenschaft und darüber hinaus auch in der Gesellschaft an – die Unsichtbarkeit oder Unsichtbarkeitsmachung der Arbeit von Frauen. Sie zeigt die Bedeutung von Vergessen als Charakteristikum moderner Wissenschaften auf. Archive sammeln und sammelten schon immer nur einen kleinen Bruchteil dessen, was an Quellen vorhanden ist. Was logisch erscheint, hat trotzdem schwerwiegende Folgen. Es wird das überliefert, was als wichtig eingestuft wurde. So haben wir heute Zugang auf die Sichtweise der siegreichen und mächtigen Personen. Die Geschichte derjenigen, die entscheiden konnten, was bewahrt wird. Dadurch wird ein komplett ungleiches Verhältnis geschaffen. Dabei gehen einerseits die kleinen Leute und die nicht siegreichen Parteien unter, aber insbesondere auch die Frauen.

    Schaser schreibt, dass es dem Interesse einzelner und dem Zufall überlassen wird, was den Archiven angeboten wird und was angenommen und abgelehnt wird. Ich würde das noch weiter zuspitzen und dem Zufall weniger Gewicht geben. Ich denke nicht, dass es ein Zufall ist, dass wir kaum Werke und Taten von Frauen überliefert haben. Es ist vielmehr ein Zeichen systematischer Unsichtbarkeitsmachung. Dies fängt nicht erst bei der Archivierung an, sondern bereits viel früher. Die Rolle der Frau ist aus traditioneller Sichtweise zu Hause. Diese Einstellung ist schon lange präsent und hat sich teilweise bis heute gehalten, was man daran sieht, dass Frauen, die ihre Stimme erheben und sich lautstark für etwas einsetzen ins Lächerliche gezogen, auf ihr Aussehen reduziert oder als inkonsequent und wild beschrieben werden. Es passt nicht ins gesellschaftliche Bild, dass eine Frau laut und fordernd ist. Sie hat die stereotypen Eigenschaften zugeschrieben bekommen, dass sie nett und ruhig, hilfsbereit und charmant sein soll. Schon früher wollte man nicht mit solchen Frauen zu tun haben. Ihre Arbeiten wurden ins Lächerliche gezogen und unsichtbar gemacht. Oftmals war es den Frauen gar nicht möglich, ein Werk von ihnen öffentlich und bekannt zu machen. Die Arbeiten werden, wie Schaser schreibt, systematisch ignoriert oder verlassen gar nicht erst den privaten Rahmen, um bekannt und schliesslich ignoriert zu werden.

    Wie Schaser schreibt, werden diese Arbeiten mittlerweile zwar häufig gesucht und ausgestellt, dennoch meistens als separater Teil und nicht als Bestandteil des gängigen Kanons an wichtigen Werken, die in der Gesellschaft verbreitet, in der Schule gelehrt und in der Wissenschaft wieder aufgenommen werden. Trotzdem denke ich, dass es wichtig ist, die Arbeiten der Frauen separat darzustellen. Nicht, um sie als etwas Gesondertes und Eigenes darzustellen, aber um ihnen den Raum zu geben, aktiv wahrgenommen zu werden. Sonst bleiben wir bei einer Geschichte der weissen, alten Männer, die schliesslich noch einen kleinen Abschnitt über ein Werk einer Frau erhalten.

    Meiner Meinung nach müssen die Werke und Taten von Frauen zuerst besonders deutlich dar- und ausgestellt werden, damit es ins öffentliche Bewusstsein sickern kann, dass es mehr gibt, als das, was Männer getan haben, bis es schliesslich zur Normalität wird, dass auch die Werke von Frauen zu unserer Geschichte und unserer Gegenwart gehören und zu einem gleichberechtigten Teil beachtet und geachtet werden. Diese aktive Arbeit für die Sichtbarkeit der Arbeiten von Frauen ist immer noch zwingend notwendig. So sind beispielsweise beim Moon & Stars Musikfestival in Locarno (CH) nur männliche Künstler eingeladen, was einen doch ein wenig fassungslos werden lässt. Deshalb danke ich Angelika Schaser herzlich, dass sie diese wichtige Thematik anspricht und hoffentlich viele Menschen damit zum Nachdenken und Handeln anregt.

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