Abstract:
How did the images of Roman emperors come into being? This article traces the emergence of the images from the moment of death through the decision on whether the emperor was deified or became the object of memorial sanction to canonisation by Roman historiography. As a result, little remains of historiographical constructions: overgrown with topoi, they sanction judgement once made by the Senate at a successor’s instigation.
DOI: dx.doi.org/10.1515/phw-2022-19837.
Languages: German, English
Ein Gespenst geht um im Rom der Kaiserzeit, das Gespenst des Caesarenwahns. Nicht weniger als acht Imperatoren zwischen 14 und 238 n. Chr. sind mindestens Verdachtsfälle. Wurden etwa etliche dieser Kaiser postum das Opfer systematischer Cancel Culture? Mit Vergessen schützten sich die Eliten davor, selbst als Gefolgsleute von Tyrannen inkriminiert zu werden. Doch es traf selbst die guten Kaiser. Denn auch ihre historischen Gestalten verschwinden hinter den Machinationen der Geschichtsschreiber im Nebel.
Hadrian ist tot
Im Sommer 138 n. Chr. hallten die Wände der römischen Kurie wider vor hitzigen Diskussionen. Gerade war, nach langer schwerer Krankheit, in Baiae der Kaiser Hadrian gestorben: jener Mann, der das Reich in zwei großen Tourneen gründlich bereist, die Soldaten nach dem katastrophalen Krieg seines Vorgängers aus dem Partherreich zurückgezogen, das nach ihm benannte Grenzbefestigungssystem im Norden Britanniens gegründet, den Bar-Kochba-Aufstand in Judäa niedergeschlagen und, als Griechenfreund, den Hellenenbund ins Leben gerufen hatte. Jener Mann, der mit zunehmendem Alter unter chronischen Schmerzen gelitten und sich immer mehr in seine prachtvolle, idyllisch in den Hügeln Latiums gelegene Villa in Tibur zurückgezogen hatte.
Jetzt also war Hadrian tot. Es gab nicht wenige unter den Senatoren, die von Herzen froh darüber waren. Der Herrscher hatte in jüngeren Jahren kräftig aufgeräumt in der Elite des Imperiums. Vor allem enge Gefolgsleute seines Vorgängers Trajan hatten daran glauben müssen. Die Säuberungen hatten im Senat für viel böses Blut gesorgt. War Hadrian ein neuer Domitian gewesen? Gar ein Nero oder Caligula? Die Senatoren standen vor der Frage: Sollte dieser Mann unter die Götter erhoben werden? Oder sollte man seine Gesetze annullieren, seine Inschriften ausmeißeln, seine Statuen stürzen?
Cancel Culture auf römisch
Das nämlich waren die Konsequenzen, die am Ende schlechten Kaisern drohten. Gegen Imperatoren, die dem Bild von einem tugendhaften, seinen Aufgaben gewachsenen Herrscher nicht entsprachen, wurden knallhart Gedächtnissanktionen verhängt. So unerbittlich war die römische Cancel Culture, dass jegliche Spur von ihnen aus dem öffentlichen Raum verschwinden sollte. Tatsächlich scheuten die Tugendwarte des Imperiums weder Kosten noch Mühen, um selbst noch vom letzten Meilenstein auf der entlegensten Römerstraße den Namen eines verblichenen Scheusals zu radieren.
Glauben wir der römischen Geschichtsschreibung, dann litt das Imperium unter einer schier endlosen Reihe solcher “schlechten” Kaiser: Außer den Genannten waren in den ersten drei Jahrhunderten auch Claudius, Commodus, Caracalla, Elagabal und Maximinus, der Thraker, Purpurträger, deren Qualifikation für das hohe Amt wenigstens nicht über jeden Zweifel erhaben war. Von ihnen heißt es, sie seien sexsüchtige Womanizer (Claudius), allem Kultivierten und Römischen abholde Barbaren (Maximinus), grausame Tyrannen (Domitian), mehreres (Caligula, Nero, Commodus) oder gar alles davon (Elagabal) gewesen.
Der tote Hadrian kam am Ende noch einmal davon. Die Senatoren votierten einmütig für seine Vergöttlichung. Allerdings, so behauptet jedenfalls die Historia Augusta, soll die Entscheidung erst gefallen sein, nachdem sein Nachfolger Antoninus für den Fall, dass die Senatoren Gedächtnissanktionen gegen seinen Vorgänger verhängten, mit Rücktritt gedroht hatte.[1] So sicherte er seinem Vorgänger die Göttlicheit und sich selbst den Beinamen Pius, “der Pflichtbewusste”.
An der Historizität des Geschilderten bestehen begründete Zweifel. Die Historia Augusta, eine spätantike Sammlung von Kaiserbiographien, gehört nicht eben zum Zuverlässigsten, was wir an Quellen über die römische Kaiserzeit besitzen. Die Verfasser waren vor allem an Sensationen und Klatsch interessiert, sie stützten sich selbst auf nur bedingt glaubwürdige Zeugnisse und sie berichteten aus großem zeitlichen Abstand. Dass Senatoren gegen Mitte des 2. Jahrhunderts n. Chr. noch den Mut aufbrachten, gegen den erklärten Willen des Kaisers zu opponieren, ist wenig glaubwürdig. Vermutlich fand die Debatte in dieser Form nicht statt, die von Antoninus gewollte Vergöttlichung seines Vorgängers dürfte in der Kurie ein Selbstläufer gewesen sein.
Per Verwaltungsakt zum Gott
Authentisch ist hingegen das Prozedere: Der Senat beschloss über Vergöttlichung bzw. Gedächtnissanktionen, und das in Form eines Gesetzes. Wer per Senatsbeschluss unter die Staatsgötter aufgenommen wurde, erhielt einen Tempel und eine Priesterschaft. So viel Rechtsstaatlichkeit musste sein in Rom, auch und gerade in religiösen Dingen.
In satirisch gebrochener Form informiert uns ein anderer Text über das Verfahren, das nach dem Tod eines Kaisers in Gang gesetzt wurde. In der Apocolocyntosis, “Verkürbissung”, berichtet der Philosoph Seneca, selbst Erzieher des jungen Nero, über das, was Claudius widerfuhr, nachdem er durch Ratschluss der Götter von den Lebenden abberufen worden war. Claudius wird vor die Versammlung der Götter geführt, die wie ein Spiegelbild des römischen Senats aussieht. Er ist zunächst verstimmt, weil sein Wort, anders als er es aus dem Palast kennt, hier nichts gilt. Doch gelingt es ihm, den Halbgott Herkules davon überzeugen, der Versammlung sein Anliegen darzulegen: unter die Götter aufgenommen zu werden.
Im Plenum geht es äußerst rustikal zu. Alle reden wild durcheinander, bis Jupiter schließlich die anderen Götter zur Ordnung ruft. Janus, der Gott mit den zwei Gesichtern, ergreift gegen Claudius Partei: Er ist aus prinzipiellen Erwägungen gegen die Vergottung von Sterblichen. Für Claudius spricht sich der Totengott Dispater aus. Claudius sei mit Augustus verwandt, seine Divinisierung geradezu eine Frage der Staatsräson. Ausgerechnet Augustus, seit seinem Tod selbst ein Gott, rechnet dann aber schonungslos mit Claudius Leistungsbilanz als Herrscher ab. Wozu, sagt er, habe er den Römern Frieden gebracht und den Bürgerkrieg beendet, wenn mit Claudius ein Massenmörder für seine Verbrechen belohnt werde, indem man ihn unter die Götter erhebe. Der Fall ist damit erledigt: Statt mit der Vergöttlichung endet die Versammlung mit Claudius Sturz ins Totenreich. Der Kaiser wird ein Schatten, seine Person dem Vergessen anheimgegeben.
Acta est fabula. Tatsächlich wurde Claudius vergöttlicht. Die Satire zeigt aber, worum es nach dem Tod eines Kaisers ging. Die Frage, ob er vergöttlicht oder dem Vergessen anheimgegeben wurde, war eine geschichtspolitische Frage von größter Tragweite. Für und wider beides ließen sich Argumente beibringen, und ohne starke Fürsprecher war die Erhebung unter die Staatsgötter jenseits des Möglichen. Der stärkste Fürsprecher, das illustriert die Hadrian-Episode, war der jeweils lebende Kaiser. War er auf regulärem Weg in den Purpur gelangt, also als von seinem Vorgänger schon zu Lebzeiten designierter Nachfolger, dann war die Vergöttlichung des Toten für ihn eine Überlebensfrage. Nichts beglaubigte in einem monarchischen System, das keine klassischen Formen der Legitimität kannte, besser den Anspruch auf Herrschaft als die Göttlichkeit des Vorgängers. Umgekehrt hatte der neue Herrscher nach einem blutigen Umsturz nichts Eiligeres zu tun, als sich von dem zu distanzieren, der vor ihm den Purpur getragen hatte. Die Tilgung seines Andenkens war die effektivste Methode der Abgrenzung.
Der Nachfolger war deshalb die Person, die eigentlich beim vom Senat zu verhandelnden Umgang mit dem Verblichenen im Mittelpunkt stand. Um ihn ging es eigentlich – und um die Frage, ob er für Kontinuität stand oder für eine radikale Zäsur, die es zu setzen galt. Deshalb trafen Gedächtnissanktionen bevorzugt die Letzten ihrer Dynastie: Nero, mit dem die Julier und Claudier abdankten, Domitian, den letzten Flavier, und Commodus, mit dem die Dynastie der Antoninen endete. War plötzlich wieder Kontinuität gefragt, dann konnten einmal gefasste Verdikte auch revidiert werden: Commodus wurde später durch seinen Nachnachfolger Septimius Severus rehabilitiert, der sich in die Traditionslinie der Antoninen stellen wollte und durch die Konstruktion einer Adoption durch Mark Aurel sogar zum Bruder des wiedergeborenen Herkules machte; Caracalla wurde erst durch seinen Nachfolger Macrinus mit Gedächtnissanktionen belegt, dann aber, kaum war mit Elagabal abermals ein Severer in den Purpur gelangt, vergöttlicht. Ob sich der Wind drehte, war situationsabhängig. Es war aber die große Ausnahme: Meist änderte sich am Status eines toten Kaisers später nichts mehr.
Von Topoi überwuchert
Das wirft die Frage danach auf, wie Herrscher, die das Zeitliche gesegnet hatten, ins kollektive Gedächtnis der römischen Gesellschaft eingingen. Hüter dieses Gedächtnisses waren nicht die Kaiser selbst, sondern die Geschichtsschreiber: Männer wie Tacitus und Cassius Dio, die meist selbst, wie die Kaiser, dem Senatorenstand zugehörten und deshalb aktive Politiker waren. Oder römische Ritter wie Sueton und Herodian, die zwar nicht selbst Politik machten, aber als Funktionsträger meist im Dunstkreis der Kaiser standen.
Weil die Geschichtsschreiber so eng mit der Politik verbandelt waren und ihre Karrieren so gut wie immer den Kaisern verdankten, befanden sie sich von dem Moment an, da der Leichnam eines Kaiser erkaltete, in enger Interessenkoalition mit seinem Nachfolger. Gerade wenn sie, wie Tacitus, im Kielwasser eines gestürzten Kaisers Karriere gemacht hatten, mussten sie alle Hebel in Bewegung setzen, um Distanz zwischen sich selbst und dem toten Unhold zu schaffen. Deshalb stießen sie umso eifriger ins Horn der offiziellen, durch den Senat beglaubigten Geschichtspolitik, je näher sie dem Toten gestanden hatten. In der kleinen Biographie seines Schwiegervaters Agricola zeichnet Tacitus füglich Domitian, dem er immerhin sein Konsulat verdankte, als monströsen, vor Neid und Misstrauen sich verzehrenden Tyrannen.
Für Grautöne, Ambivalenzen gar, war in den zur Kanonisierung anstehenden Kaiserbildern kein Platz. Unter reichlichem Gebrauch von Stereotypen malen die Geschichtsschreiber ihre Kaiserporträts in kräftigen, entweder strahlend hellen oder finster-schwarzen Farben. Das Arsenal der Tyrannentopik war unerschöpflich, variierte aber immer wieder dieselben Themen: Sexualität, Grausamkeit, Wahnsinn, Hang zum Luxus, unangepasstes Verhalten. Die guten Kaiser waren einfach nur gut, also meist uninteressant. Hinter den Topoi verschwinden die realen Figuren in den Nebelschleiern des Vergessens. Die Entscheidung, die der Senat, kaum war ein Kaiser verstorben, zu fällen hatte, zeitigte Konsequenzen weit über den Tag hinaus. Denn noch heute sehen wir die römischen Kaiser durch die Brille, die uns die Geschichtsschreiber aufsetzen.
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Literaturhinweise
- Sommer, Michael. “‛in Mortuum eum a multis multa sunt dicta’. Geschichtsschreibung und Geschichtspolitik in der römischen Kaiserzeit.” In Die Hohenzollerndebatte. Beiträge zu einem geschichtspolitischen Streit, edited by Frank-Lothar Kroll, Christian Hillgruber, und Michael Wolffsohn. Berlin: Duncker & Humblot, 2021, 369–91.
- Sommer, Michael. Das römische Kaiserreich. Aufstieg und Fall einer Weltmacht. Stuttgart: Kohlhammer, 2018.
- Sommer, Michael. “Elagabal – Wege zur Konstruktion eines ‛schlechten’ Kaisers.” Scripta Classica Israelica 23 (2004): 95–110.
Webressourcen
- http://www.roman-emperors.org/impindex.htm (letzter Zugriff am 15 Mai 2022).
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[1] Historia Augusta, Hadrian 27; Antoninus Pius 5,1.
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Abbildungsnachweis
Wien I: Skulptur des Gaius Cornelius Tacitus © 2017 Karlunun CC BY-SA-4.0 via Commons.
Empfohlene Zitierweise
Sommer, Michael: Vae, puto deus fio. Wie man einen schlechten Kaiser macht. In: Public History Weekly 10 (2022) 4, DOI: dx.doi.org/10.1515/phw-2022-19837.
Redaktionelle Verantwortung
A spectre is haunting imperial Rome, the spectre of Caesarmania. No fewer than eight emperors between 14 and 238 AD are at least suspected cases. Did some of these emperors posthumously become the victims of systematic cancel culture? By forgetting, the elites protected themselves from being incriminated as followers of tyrants. But forgetting even affected good emperors. For even their historical figures disappear in the mist behind the machinations of historians.
Hadrian is Dead
In the summer of 138 AD, heated debate raged through the Roman Senate. The emperor Hadrian had just died in Baiae after a long and serious illness: the man who had travelled the empire extensively in two great tours, who had withdrawn soldiers from the Parthian Empire after his predecessor’s disastrous war, who had founded the border fortification system named after him in northern Britain, who had put down the Bar Kochba rebellion in Judea and, as a friend of the Greeks, had founded the Hellenic League. The man who, with increasing age, had suffered from chronic pain and had withdrawn more and more into his magnificent villa in Tibur, idyllically situated in the hills of Latium.
So now Hadrian was dead. Many a senator was rejoicing. In his younger years, the ruler had made a clean sweep of the empire’s elite. Close followers of his predecessor Trajan had been the main victims. The purges had caused much bad blood in the Senate. Was Hadrian a new Domitian? Or even a Nero or Caligula? The senators were faced with a delicate question: should this man be elevated among the gods? Or should his laws be nullified, his inscriptions gouged out, his statues toppled?
Cancel Culture à la Romaine
Such were the consequences that bad emperors were threatened with in the end. Emperors who did not live up to the image of a virtuous ruler equal to his tasks were subjected to harsh memory sanctions. So implacable was Roman cancel culture that any trace of them was to disappear from the public sphere. Indeed, the empire’s guardians of virtue spared neither expense nor effort to erase the name of a faded beast of a man from even the last milestone on the remotest Roman road.
If we believe Roman historiography, the empire suffered from an almost endless series of such “bad” emperors: in addition to those mentioned, Claudius, Commodus, Caracalla, Elagabal and Maximinus the Thracian, despite wearing purple, were men, whose qualifications for high office were not beyond doubt. Reportedly, they were sex-addicted womanisers (Claudius), barbarians averse to all things cultivated and Roman (Maximinus), cruel tyrants (Domitian), several of these evil things (Caligula, Nero, Commodus) or even all of them (Elagabal).
The dead Hadrian got away with it in the end. The senators voted unanimously for his deification. However, at least according to the Historia Augusta, this decision was made only after his successor Antoninus had threatened to resign should the senators impose memorial sanctions on his predecessor.[1] In this way, he secured divinity for his predecessor, and for himself the epithet Pius, “the dutiful one.”
There are well-founded doubts about the historicity of what has been described. The Historia Augusta, a collection of emperor biographies from late antiquity, is not exactly one of the most reliable sources we have on the Roman Empire. The authors were mainly interested in sensations and gossip, based their account on only partially credible testimonies and reported long after the fact. The fact that senators towards the middle of the 2nd century AD still mustered the courage to oppose the declared will of the emperor is hardly credible. Presumably the debate did not take place in this form; Antoninus’ desired deification of his predecessor was probably a surefire success in the Senate House.
Becoming a God by Administrative Act
What is authentic, however, is the procedure: the senate decided on deification or memorial sanctions, and this in the form of a law. Those who were accepted as state gods by Senate resolution received a temple and a priesthood. So much rule of law had to be in Rome, also and especially in religious matters.
In the form of a satire, another text informs us about the procedure that was set in motion after the death of an emperor. In his Apocolocynthosis (“Pumpkinification”), the philosopher Seneca, himself the educator of the young Nero, reports on what happened to Claudius after he had been called away from the living by the counsel of the gods. Claudius is brought before the assembly of the gods, which looks like a mirror image of the Roman Senate. At first he is disgruntled because his word, unlike what he knows from the palace, has no power here whatsoever. But he manages to convince the demigod Hercules to present his request to the assembly: to be accepted among the gods.
The plenary session is extremely rustic. Everyone is speaking wildly until Jupiter finally calls the other gods to order. Janus, the two-faced god, takes sides against Claudius: he is against the deification of mortals as a matter of principle. The god of the dead, Dispater, speaks out in favour of Claudius. Claudius is related to Augustus, and his divinisation is a matter of raison d’état. Augustus, of all people, himself a god since his death, then ruthlessly settles the score with Claudius’ track record as a ruler. For what purpose, he says, had he brought peace to the Romans and ended the civil war, if Claudius, a mass murderer, was rewarded for his crimes by being elevated among the gods. The case is thus settled: instead of deification, the assembly ends with Claudius’ fall into the realm of the dead. The emperor becomes a shadow, his person consigned to oblivion.
Acta est fabula. Claudius was indeed deified. But the satire shows what was at stake after the death of an emperor. The question of whether he was deified or consigned to oblivion was, historically and politically, a question of the greatest significance. Arguments could be made for and against both, and without strong advocates, elevation to a principal deity lay beyond the realm of possibility. The strongest advocate, as illustrated by the Hadrian episode, was the living emperor. If he had attained the purple in the regular way, i.e., as the successor designated by his predecessor while he was still alive, then the deification of the dead was a question of survival for him. In a monarchical system that knew no classical forms of legitimacy, nothing better authenticated the claim to rule than one predecessor’s divinity. Conversely, after a bloody overthrow, the new ruler had nothing more urgent to do than to distance himself from the one who had worn the purple before him. Erasing his memory was the most effective method of demarcation.
The successor was therefore the person who was really at the centre of the Senate’s dealings with the deceased. It was actually about him – and about the question of whether he stood for continuity or for a radical break that had to be made. For this reason, commemorative sanctions preferably affected the last of their dynasty: Nero, with whom the Julii and Claudians abdicated, Domitian, the last Flavian, and Commodus, with whom the Antonine dynasty ended. If continuity was suddenly required again, then decrees that once had been made could also be revised: Commodus was later rehabilitated by his successor Septimius Severus, who wanted to place himself in the tradition of the Antonines and even made himself the brother of the reborn Hercules by constructing an adoption by Marcus Aurelius; Caracalla was first subjected to commemorative sanctions by his successor Macrinus, but was then deified as soon as Elagabal, another Severan, came to wear the purple. Whether the wind changed depended on the circumstances. But it was the great exception: once canonized, the status of a dead emperor rarely changed.
Overgrown by Topoi
This raises the question of how rulers who had passed away entered the collective memory of Roman society. The gatekeepers of this memory were not the emperors themselves, but the historians: men like Tacitus and Cassius Dio, most of whom, like the emperors, belonged to the senatorial order and were therefore active politicians. Or members of the ordo equester like Suetonius and Herodian, who did not make politics themselves, but as functionaries were usually in the emperors’ circle of influence.
Because the historians were so closely connected to politics and almost always owed their careers to the emperors, they were in close coalition with the interests of their successors from the moment the corpse of an emperor cooled. Especially if, like Tacitus, they had made a career in the wake of an overthrown emperor, they had to pull out all the stops to distance themselves from the dead fiend. Therefore, the closer they had been to the dead man, the more eagerly they toed the horn of the official policy certified by the Senate. In his short biography of his father-in-law Agricola, Tacitus quite logically portrays Domitian, to whom he owed his consulship after all, as a monstrous tyrant, consumed with envy and mistrust.
There was no room for shades of grey, or even ambivalences, in the images of the emperor awaiting canonisation. Making extensive use of stereotypes, the historians painted their portraits of emperors in strong, either radiantly bright or sinister-black colours. The arsenal of tyrannical topoi was inexhaustible, but varied the same themes again and again: sexuality, cruelty, madness, a penchant for luxury, maladjusted behaviour. The good emperors were simply good, thus mostly uninteresting. Behind the topoi, the real figures disappear in the mist of oblivion. The decision that the Senate had to make as soon as an emperor died had consequences far beyond that day. For even today, we see Roman emperors through historians’ lenses.
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Further Reading
- Sommer, Michael. “‘in Mortuum eum a multis multa sunt dicta’. Geschichtsschreibung und Geschichtspolitik in der römischen Kaiserzeit.” In Die Hohenzollerndebatte. Beiträge zu einem geschichtspolitischen Streit, edited by Frank-Lothar Kroll, Christian Hillgruber, and Michael Wolffsohn. Berlin: Duncker & Humblot, 2021, 369–91.
- Sommer, Michael. Das römische Kaiserreich. Aufstieg und Fall einer Weltmacht. Stuttgart: Kohlhammer, 2018.
- Sommer, Michael. “Elagabal – Wege zur Konstruktion eines ‘schlechten’ Kaisers.” Scripta Classica Israelica 23 (2004): 95–110.
Web Resources
- http://www.roman-emperors.org/impindex.htm (last accessed 15 May 2022).
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[1] Historia Augusta, Hadrian 27; Antoninus Pius 5,1.
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Image Credits
Wien I: Skulptur des Gaius Cornelius Tacitus © 2017 Karlunun CC BY-SA-4.0 via Commons.
Recommended Citation
Sommer, Michael: Vae, puto deus fio. How to make a Bad Emperor. In: Public History Weekly 10 (2022) 4, DOI: dx.doi.org/10.1515/phw-2022-19837.
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Categories: 10 (2022) 4
DOI: dx.doi.org/10.1515/phw-2022-19837
Tags: Antiquity (Antike), History of Historiography, Oblivion (Vergessen), Roman Empire (Römisches Reich)
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OPEN PEER REVIEW
Tales about good and bad emperors
Whoever concerns oneself with Imperial Rome inevitably will be confronted with the difficulty of distinguishing between good and bad rulers (boni principes / mali principes). For centuries, this particular narrative has been influencing the Roman era´s perception. Rulers diagnosed with supposedly psychopathological traits are obviously attracting most attention. Referring to modern popular culture, such caricatures can be observed in famous movies, for instance Quo vadis (1951), starring Peter Ustinov as Nero, and Gladiator (2000) with Joaquin Phoenix as Commodus. However, using an example from 19th century scholarship, one could also draw attention to German politician and Nobel Peace Prize laureate Ludwig Quidde (1858-1941), who in an 1894 published essay on Caligula´s Caesarean madness secretly alluded to Emperor Wilhelm II.[1]
The discussed essay conveys that tales about good and bad emperors should be regarded as mere constructs, which, however, had already been in use in ancient times. Regarding their genesis, two phases may be differentiated. At first, it was crucial that immediately after the emperor´s passing both his successor and the assembled leaders of the empire´s aristocratic elite formulated a position either in favour of consecrating or of condemning the late predecessor. Subsequently, this verdict was taken up and elaborated by the historians of their own or of the following generations. On this occasion stereotypes would find themselves introduced, for instance by adopting the traditional discourse of tyranny from the Greek world. Gradually, a canon formed and was, by the way, also taken up uncritically and contrary to common knowledge by 2nd and 3rd century Christians: Bad emperors generally became persecutors of Christianity, good emperors, however, were beyond such reproaches.
Covering this topic, it seems useful to pay attention to larger contexts. In describing the Principate as a monarchical system, we do not fully exhaust the complex and ambivalent character of this form of government. The Roman Empire succeeded the Republican era, and the princeps was, according to name, an informal leader by virtue of merit and reputation. Naturally, autocratic power and control over all substantial personal, financial, and military resources coincided with this position. This system knew several politically relevant social groups. It was the emperor´s obligation to fulfil varying roles depending on audience and to meet those group´s differing expectations in order to hold on to power: the aristocracy; the military; the slaves and freedmen, who especially at court could rise to significant influence; the masses of Rome. In this system, little was politically regulated. Of key importance, by contrast, were consensus and acceptance. Concurrently, emperors had to face competition, either stemming from their own families or wider aristocratic circles. Their position was therefore constantly precarious; they themselves were always disposable.
It is in this respect that we must assess the affair following the death of Hadrian. Existing sources convey a far more complex picture than suggested. Apart from the Historia Augusta – whose source value is, by the way, especially for the 2nd century far more reliable than depicted in the essay – we have some further historiographic and particularly documentary sources. One has the impression that only after months the consecration of Hadrian was finally being administered.[2] But then it follows that directly after his death the matter must have been far from being settled. On the contrary, it seems absolutely plausible that until Antoninus could reach an agreement, a discussion preceded in the senate.
Another general problem can be found in the tendentiousness of ancient historiography. Not only its focus on exemplary deeds of great men and concomitantly on their virtues or corruptions invalidates this genre often enough; another deficit is the historiographer´s aiming at their praise or blame, flattery or defamation. Thus, we shouldn´t expect neutral statements or even objectivity, especially under the difficult conditions of the Principate. For at those times criticism regarding living emperors was unimaginable, regardless of their subsequent status as good or bad ruler. Not even Tacitus realized his self-written principle sine ira et studio (Tac., Ann. 1, 1). It is telling that Tacitus never implemented his original plans for adding to his description of the age of the Flavians and especially Domitian´s rule (the Historiae) a history of the reigns of Nerva and Trajan, under whom he had started to write his historiographical works. Rather, he chose to describe the origins of the Principate since the death of Augustus (the Annales) to demonstrate the incompatibilities between the Principate and freedom.
To conclude, I´d like to add a remark on the essay´s title: Biographer Sueton cites vae, puto, deus fio as Vespasian´s last words (Suet., Vesp. 23, 4). Usually, the quote is regarded as evidence for his ironic distance to the custom of posthumous deification. As such, many consider it to be a record of the emperor´s plain and pragmatic attitude. On the other hand, however, it has been objected convincingly, that the ascription to Vespasian is wrong. Quite the contrary, we should interpret the quote as a widely circulating and sarcastic allusion to Vespasian´s strong wish for consecration. In this still early phase of the principate a deification of the emperor could not have been taken for granted. This dictum insinuated the, of course, fictitious last words of Claudius in the Apocolocyntosis of Seneca: Vae me, puto, concacavi me (Sen., Apocol. 4).[3]
Übersetzung: Felix Michler
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[1] L. Quidde, Caligula. Eine Studie über den römischen Cäsarenwahnsinn, 1894 (the essay was reprinted more than 30 times until 1926). Regarding this text as well as a modern scholarly evaluation cf. Winterling, Caligula. Eine Biographie, Munich 2003.
[2] On this topic see most recently C. Seebacher, Zwischen Augustus und Antinoos. Tradition und Innovation im Prinzipat Hadrians, Stuttgart 2020, p. 406.
[3] For this interpretation, see M. G. Schmidt, Claudius und Vespasian: Eine neue Interpretation des Wortes „vae, puto, deus fio“ (Suet. Vesp. 23,4), Chiron 18 (1988), 83-90.
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Wer sich mit der römischen Kaiserzeit befasst, ist unweigerlich mit der Frage nach der Unterscheidung guter und schlechter Herrscher (boni principes / mali principes) konfrontiert. Dieses Narrativ prägt die Wahrnehmung der Epoche seit Jahrhunderten. Das meiste Interesse finden dabei solche Herrscher, denen vermeintlich psychopathische Züge attestiert werden. Wirkmächtige Beispiele für Zerrbilder dieser Art aus der modernen Populärkultur bieten die berühmten Kinofilme, in denen Peter Ustinov den Nero (Quo vadis, 1951) und Joaquin Phoenix den Commodus darstellten (Gladiator, 2000). Man könnte aber auch, um ein Beispiel aus der Wissenschaft des 19. Jh. zu nennen, auf den deutschen Politiker und Friedensnobelpreisträger Ludwig Quidde (1858-1941) verweisen, der 1894 eine Abhandlung über den Cäsarenwahnsinn Caligulas vorlegte, die indirekt auf Kaiser Wilhelm II. abzielte.[1]
Der hier besprochene Artikel macht deutlich, dass es sich bei diesen Erzählungen über gute und schlechte Kaiser um Konstrukte handelt, die bereits auf die Antike zurückgehen. In ihrer Genese sind zwei Phasen zu unterscheiden. Entscheidend war zunächst, dass unmittelbar nach dem Tod eines Herrschers sowohl sein Nachfolger als auch die im Senat versammelte Spitze der aristokratischen Reichselite entweder durch Konsekration oder aber Verfemung des Vorgängers sich politisch positionierten. Sodann wurde dieses Urteil von den Historikern derselben und folgender Generationen aufgegriffen, weiter elaboriert und mit Stereotypen, etwa dem traditionellen, aus der griechischen Welt entlehnten Tyrannendiskurs, unterfüttert. Im Laufe der Zeit formte sich ein Kanon, den— so ließe sich ergänzend zum Artikel bemerken — sogar die frühen Christen des 2.-3. Jh. n. Chr. unkritisch und entgegen den damals bekannten Tatsachen übernahmen; schlechte Herrscher galten fortan pauschal als Christenverfolger, während gute Herrscher von diesem Vorwurf ausgenommen blieben.
Bei der Behandlung dieser Thematik scheint es sinnvoll, auch die größeren Zusammenhänge zu beachten. Die römische Kaiserzeit als „monarchisches System“ zu beschreiben, wird dem komplexen und zugleich auch ambivalenten Charakter dieser Regierungsform nicht völlig gerecht. Der Prinzipat ging aus der römischen Republik hervor, der princeps war der Bezeichnung nach Inhaber einer informellen Führungsstellung kraft Autorität aufgrund von Verdienst und Ansehen; freilich ging mit dieser Position faktisch eine autokratische Machtfülle und die Kontrolle über alle wesentlichen personellen, militärischen und finanziellen Ressourcen einher. In diesem System gab es mehrere politisch relevante Gesellschaftsgruppen, und der Kaiser musste gegenüber diesen Gruppen verschiedene Rollen ausfüllen und unterschiedlichen Erwartungshaltungen gerecht werden, um sich erfolgreich an der Macht halten zu können: die Reichselite; das Militär; die besonders am Hof einflussreichen Sklaven und Freigelassenen des Herrschers; und die Masse der stadtrömischen Bevölkerung. Nur wenig war in diesem politischen System rechtlich verbindlich geregelt; von zentraler Bedeutung waren hingegen Konsens und Akzeptanz. Zugleich drohte den Herrschern jederzeit Konkurrenz, entweder aus dem Kreis der eigenen Familie oder aber aus der Reichselite. Ihre Position war stets prekär, und sie waren jederzeit austauschbar.
Vor diesem Hintergrund ist auch die im Artikel thematisierte Affäre nach dem Tod Hadrians zu bewerten. Die Quellenlage ist weitaus komplexer, als angedeutet. Neben der Historia Augusta, deren Quellenwert speziell für das 2. Jh. n. Chr. übrigens bei weitem nicht so gering ist, wie im Artikel beschrieben, existieren weitere historiographische und vor allem auch dokumentarische Quellen. Es ergibt sich der Eindruck, dass die Konsekration Hadrians erst mit mehrmonatiger Verzögerung vollzogen wurde.[2] Die Sache war also offenbar kein „Selbstläufer“, und es scheint durchaus plausibel, dass es in dieser Frage zu einer Debatte im Senat kam, ehe es Antoninus gelang, Konsens herbeizuführen.
Ein weiteres generelles Problem ist die Tendenziösität der antiken Geschichtsschreibung. Zu ihren Defiziten zählt nicht nur die Fokussierung auf exemplarische Taten großer Männer, und damit einhergehend auf deren Tugendhaftigkeit oder aber sittlicher Verdorbenheit, sondern eben auch, dass sie als literarisches Genre immer auf Lob oder Tadel, auf Schmeichelei oder Diffamierung abzielt. Wertneutrale Aussagen und Objektivität sind hier kaum zu erwarten, schon gar nicht unter den erschwerten Bedingungen der römischen Kaiserzeit, als kritische Äußerungen über lebende Herrscher, ganz gleich ob diese später postum als gut oder schlecht eingestuft wurden, undenkbar waren. Nicht einmal Tacitus hat das von ihm selbst formulierte Prinzip sine ira et studio verwirklicht (Tac., Ann. 1, 1). Bezeichnend ist auch, dass Tacitus sein ursprüngliches Vorhaben, nach der Beschreibung des Zeitalters der Flavier und besonders der Regierung Domitians (die Historiae) sich dem Wirken von Nerva und Trajan zuzuwenden, unter denen er als Historiker tätig geworden war, niemals umgesetzt hat; stattdessen beschrieb er die Anfänge des Prinzipats seit dem Tod des Augustus (die Annales), um die bittere Erkenntnis zu illustrieren, dass Prinzipat und Freiheit unvereinbar waren.
Abschließend eine Bemerkung zum Titel des Beitrags: Bei dem Zitat vae, puto, deus fio handelt es sich laut dem Kaiserbiographen Sueton um die letzten Worte Vespasians (Suet., Vesp. 23, 4). Für gewöhnlich wird das Diktum als Zeugnis für die ironische Distanz des Kaisers gegenüber der Praxis der Vergöttlichung römischer Herrscher nach dem Tod betrachtet. Es gilt als Dokument einer nüchternen und pragmatischen Haltung. Demgegenüber ist überzeugend eingewendet worden, dass das Zitat gar nicht Vespasian zuzuschreiben sein dürfte, sondern ganz im Gegenteil als damals kursierende sarkastische Bemerkung über Vespasians innigen Wunsch zu deuten sei, nach seinem Tod konsekriert zu werden, was in dieser frühen Phase des Prinzipats noch keineswegs selbstverständlich war, unter Anspielung auf die (selbstverständlich fiktiven) letzten Worte des Claudius in Senecas Apocolocyntosis: vae me, puto, concacavi me (Sen., Apocol. 4).[3]
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[1] L. Quidde, Caligula. Eine Studie über den römischen Cäsarenwahnsinn, 1894 (der Essay wurde bis 1926 mehr als dreißigmal nachgedruckt). Zu diesem Text sowie zur Beurteilung des Caligula durch die aktuelle Forschung s. A. Winterling, Caligula. Eine Biographie, München 2003.
[2] Hierzu zuletzt C. Seebacher, Zwischen Augustus und Antinoos. Tradition und Innovation im Prinzipat Hadrians, Stuttgart 2020, 406.
[3] Zu dieser Deutung s. M. G. Schmidt, Claudius und Vespasian: Eine neue Interpretation des Wortes „vae, puto, deus fio“ (Suet. Vesp. 23,4), Chiron 18 (1988), 83-90.